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Enregisterment eines /r/-Allophons? Oder: „Neues vom Spocht“
Linguistik online, vol. 110, núm. 5, pp. 123-156, 2021
Universität Bern

Artikel/Articles


DOI: https://doi.org/10.13092/lo.110.8142

Abstract: In the study presented in this paper the use of a specific linguistic non-standard feature of German by 100 speakers representing three generations was analysed. The speakers originate from 25 different locations within the Middle Franconian dialect formation covering the middlewestern parts of Germany. The feature analysed is the realisation of the Standard German phoneme /r/ as a voiceless velar or uvular fricative [x, χ] when following a short vowel and preceding a coronal obstruent. The comparison of how frequently the speakers use [χ] in different communicative contexts results in the observation of three types of speakers (i. e., [χ] users): The first type are dialect speakers mostly of the older generation (60 years and above) who use the variant in a traditional manner, namely when aiming at producing their best way to pronounce Standard German. According to these speakers [χ] forms part of the Standard German pronunciation norm. The second type is mainly represented by middle aged speakers (45–55 years) who use the feature in nearly all communicative contexts except when they have a dialect competency and are asked to produce their “strongest dialect”. Finally, the third type of speakers are mainly young people (17–23 years) who do not have any dialect competence. These speakers only use [χ] when they are asked to produce their “strongest dialect” and/or when they are talking to friends. On the basis of these results it is argued that, between these types of speakers and the generations they represent, a re-evaluation of the feature has taken place that may be classified as enregisterment, because speakers of the third type seem to use [χ] indexically in order to signal familiarity with their interlocutors on a interpersonal-social level.

1 Einleitung

„Neues vom Spocht“ (sprich: [... ʃpɔχtʰ]) – mit diesen Worten hat in den 1990er Jahren Olli Dittrich in einer beliebten Samstagabendshow im deutschen Privatfernsehen regelmäßig (satirische) Nachrichten aus der Sportwelt angekündigt. Diese Ankündigung enthält ein regionalsprachliches Merkmal: die Realisierung des Phonems /r/ als stimmloser uvularer Frikativ [χ] in bestimmten lautlichen Kontexten. Der vorliegende Beitrag wird auf empirischer Basis im realtimeund apparent-time-Vergleich darlegen, dass und in welcher Weise sich dieses regionalsprachliche Merkmal hinsichtlich seiner objektsprachlichen und subjektiven Varietätenund Sprechlagenzuordnung verändert (hat).

2 Sprache verbindet

Schließlich war er nur ein rundlicher, blasser, netter Kriminaltechniker [...] Irgendwann in seiner Laufbahn hatte er die Rastamütze gegen eine Schiebermütze getauscht, sich Flanellhemden gekauft und vergeblich versucht, sich einen Bart wachsen zu lassen. Er war von der Individualität seiner Entscheidung überzeugt gewesen [...]. Bis er sich bei einem Bon-Iver-Konzert umgesehen und Tausende von Kopien seiner selbst gesehen und endlich verstanden hatte, dass er einer Gruppe angehörte [...]. „Man braucht dich doch nur anzuschauen, Bjørn, einen Staatsdiener Mitte dreißig, der noch immer dieselbe Stellung wie vor zehn Jahren hat und doch der Meinung ist, dass er nur lange Haare und Bauernklamotten tragen muss [...], um über den jüngeren, gut frisierten, geradlinigen Kollegen zu stehen, die ihn in den letzten Jahren karrieremäßig rechts und links überholt haben.“ [...] Bjørn hatte zugehört und gedacht: Stimmt das? Macht mich das aus? War er, der Bauernsohn, von den hügeligen Feldern Totens geflohen, um ein feminisierter, militanter Konformist und Loser zu werden? Der seine Wurzeln, die alten Autos, Elvis und die Countryhelden, die Fünfzigerjahrefrisuren, die Schlangenlederboots und den Dialekt nutzte, um sich authentisch und erdverbunden zu geben?

(Nesbø 2019: 515–516)

Wie in dem kurzen Romanauszug von Jo Nesbø zu erkennen ist, ist Dialekt bzw. allgemeiner: Sprache – zusammen mit anderen Ausdrucksmerkmalen, aber auch nicht direkt wahrnehmbaren Aspekten wie Überzeugungen, Werten etc. – eng mit sozio-kultureller Identität und deren Konstruktion verbunden. Dies ist keine neue Erkenntnis. Dass Sprache die Zugehörigkeit zu einer Gruppe signialisieren kann, wurde bereits im Alten Testament (Buch Richter 12, 5–6) thematisiert, als die Gileaditer die unterlegenen Ephraimiter an deren Artikulationsweise des Wortes Shibbolethidentifizierten (und töteten, wodurch ein sprachliches Merkmal 42.000 Menschen zum Verhängnis wurde). Die Konstruktion von Gruppenidentität durch Sprache ist auch Gegenstand der Soziolinguistik, die ebenfalls zeigen kann, dass (einzelne) sprachliche Merkmale Indizes für Gruppenzugehörigkeit bilden können. In dieser Hinsicht bildet Sprache daher eine „Praxis der Vergegenständlichung der Gruppenidentität“ (Kurilla 2020: 279; nach Simmel 1908 würde dieser Prozess als „Vergesellschaftung“ bezeichnet). Während es Individuen grundsätzlich möglich ist, zu jedem beliebigen Zeitpunkt ihres Lebens an einem solchen Vergesellschaftungsprozess teilzunehmen, wird man bereits mit dem Erwerb der Muttersprache bzw. der ersten Varietät Teil einer Sprachgemeinschaft, die für das Individuum Identifikationspotenzial hat. Anders als etwa im anglo-amerikanischen Raum (cf. Silverstein 1998; Johnstone 2012) spielt im deutschsprachigen Raum – im vorliegenden Text beziehe ich mich vor allem auf Deutschland – die regionale Varietät, die man als Muttersprache erwirbt, eine wichtige Rolle bei der Konstruktion von Gruppenidentität. Die große Relevanz regionaler Varietäten im deutschen Sprachraum für die Konstruktion und Identifikation von Gruppen ist sowohl (1) in Äußerungen von Individuen erkennbar als auch (2) in jüngeren wissenschaftlichen Studien belegt worden: (1) Eine häufige Erfahrungen im Zuge von Dialekterhebungen in Deutschland ist die Äußerung von Gewährspersonen: „Die Leute im Nachbarort sprechen schon ganz anders bzw. einen ganz anderen Dialekt als wir“. Eine solche Aussage ist aus dialektologischer/variationslinguistischer Sicht auf den Gegenstand Dialekt nur schwer haltbar und beruht häufig vermutlich darauf, dass bestimmte Gegenstände des Alltagsgebrauchs unterschiedlich bezeichnet werden oder wurden. Soziologisch sind solche Äußerungen allerdings höchstinteressant, denn es handelt sich dabei um die Hervorhebung von Unterschieden zur Abgrenzung der Gruppen (in diesem Fall zwei Ortsgemeinschaften, die heutzutage möglicherweise gar nicht mehr primär durch den Dialekt konstituiert sind). (2) Lameli und Kollegen konnten in mehreren Studien (cf. Falck et al. 2012; Lameli et al. 2013) zeigen, dass die geographische Orientierung sozialer Handlungen (Binnenmigration und Binnenhandel in Deutschland) im ausgehenden 20. Jahrhundert am besten mit der Ähnlichkeit der Dialekte, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts von Georg Wenker erhoben wurden, erklärt werden kann, wenn man Dialekt als Maß für kulturelle Identität ansetzt. Auch dadurch wird das Identifikationspotenzial der Dialekte als regionalen Varietäten belegt, obwohl davon auszugehen ist, dass die Personen, deren Binnenmigration und Binnenhandel Ende des 20. Jahrhunderts untersucht wurden, – wie rezente variationslinguistische Studien zeigen (cf. Lenz 2003; Kehrein 2012; Rocholl 2015) – zu einem großen Teil keinen Dialekt mehr beherrscht haben. Dies zeigt zum einen, dass es sich bei den Gruppen, die durch regionale Varietäten konstruiert werden, nicht um konkrete Größen handelt, sondern um sogenannte „imagined communities“ (cf. Anderson 2006: 6, der davon ausgeht, dass „all communities larger than primordial villages of face-to-face contact [...] are imagined“; auch Kurilla 2020: 1), welche aber dasselbe Identifikationspotenzial haben wie real existierende Gemeinschaften. Zum anderen ist an den Ergebnissen von Lameli und Kollegen erkennbar, dass offensichtlich die Regiolekte, die ja auf den Dialekten basieren und die heutzutage die im kommunikativen Alltag vorherrschenden Varietäten sind, ein ähnlich starkes Identifikationspotenzial haben wie die alten Dialekte. Die starke Übereinstimmung der geographischen Richtung sozialer Handlungen und dialektaler Ähnlichkeit (bzw. der Verbreitung bestimmter Regiolekte) kann als Indiz emotionaler Verbundenheit mit einer Region, in der bestimmte dialektale Merkmale vorherrschen, interpretiert werden. Auch Schmidt (2014) deutet diese Befunde auf einer extralinguistischen Dimension, nämlich der Beziehungsebene, deren Signale innerhalb eines regionalsprachlichen Raums besser verstanden werden als außerhalb. Auch dies trägt zur Identifikation mit bestimmten Gruppen bei und auch dies wird offensichtlich mit der Verwendung des Regiolekts kommuniziert.

Menschen sind gleichzeitig Mitglieder von Gruppen unterschiedlicher Größen und Eigenschaften, auch Gruppen, die durch sprachliche Eigenschaften konstituiert sind. Bezogen auf die regionalsprachlichen Varietäten und Sprechlagen des Deutschen konnten Kehrein/Fischer (2016) zeigen, dass die Variation innerhalb des regionalsprachlichen Spektrums zwischen Dialekt und Standardsprache zur Markierung von Nähe/Vertrautheit bzw. Distanz auf einer interpersonell-sozialen Dimension eingesetzt wird. Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass beispielsweise die Gruppe der deutschsprechenden Personen, zu der alle Muttersprachler des Deutschen gehören, per se größer ist als beispielsweise die Gruppe der Dialektsprecher1 in einem Ort des hessischen Hinterlands. Da Gruppen in der Regel nicht allein durch sprachliche Gemeinsamkeiten konstituiert sind, erhöht sich prinzipiell antiproportional zur Gruppengröße die Zahl an Gemeinsamkeiten (i. e. geteilten Vergesellschaftungsprozessen), die man mit anderen Mitgliedern teilt. Je kleiner also die Gruppe ist, umso stärker ausgeprägt ist die interpersonell-soziale Vertrautheit/Nähe, wenn man die Anzahl der geteilten Vergesellschaftungsprozesse als Indikator für Vertrautheit/Nähe ansetzt. Hinsichtlich regionalsprachlicher Varietäten und Sprechlagen kann vom Dialekt über den Regiolekt hin zum Standarddeutschen ebenfalls von einer Zunahme der Anzahl der Sprecherinnen und Sprecher ausgegangen werden. Daher bildet die Sprechlagenund Varietätenwahl, wie in Kehrein/Fischer (2016) empirisch belegt werden konnte, eine Möglichkeit, interpersonell-soziale Vertrautheit auszudrücken (cf. auch Lenz 2003: 361–364). Nun haben empirische Studien der letzten Jahrzehnte gezeigt, dass die Relevanz der Varietät Dialekt in vielen Regionen Deutschlands im kommunikativen Alltag abnimmt und dass Sprecher jüngerer Generationen sie nicht mehr lernen und beherrschen. Für monovaritäre Regiolektsprecher ist somit die Möglichkeit einer deutlichen Variation und der Anzeige von interpersonell-sozialer Vertrautheit stärker eingeschränkt als beispielsweise für bivarietäre Dialektsprecher. Ingrid Schröder und Kolleginnen (cf. Schröder 2015; Jürgens 2015; Schröder/Jürgens 2017; Schröder/Neumann 2018) konnten entsprechend für niederdeutsche Sprecherinnen und Sprecher herausarbeiten, dass Personen mit Niederdeutschkompetenz in ihrem individuellen „Hochdeutsch“, i. e. innerhalb der Varietät Regiolekt, viel weniger variieren als Personen, die keine Niederdeutschkompetenz haben. Dies lässt sich so erklären, dass Sprecher ohne Niederdeutschkompetenz zum Ausdruck interpersonell-sozialer Vertrautheit und damit potenziell zur Markierung von Gruppenzugehörigkeit andere Formen als den Wechsel in die Varietät Dialekt (i. e. ihr Niederdeutsch) finden und verwenden müssen. Zu diesen Formen gehören – wie Schröder und Kolleginnen zeigen können – unter anderem auch einzelne, oft saliente niederdeutsche Varianten, die in der Kommunikation im Regiolekt gezielt eingesetzt werden.

Der Wegfall der Varietät Dialekt hat also zwei Konsequenzen: Um interpersonell-soziale Vertrautheit anzeigen zu können, wird (1) der Regiolekt (nach unten) ausgebaut, und (2) können einzelne regionalsprachliche Varianten mit einer soziopragmatischen, indexikalischen Bedeutung „angereichert“ werden. Solche Prozesse der „Anreicherung“ von Sprechlagen oder sprachlichen Merkmalen mit einer neuen Bedeutung (durch ihre Verwendung in neuen Kontexten) lassen sich mit dem Begriff des „Enregisterment“ erfassen, der als ein Prozess definiert wird, „whereby performable signs become recognized (and regrouped) as belonging to distinct, differentially valorized semiotic registers by a population“ (Agha 2007: 81; cf. auch Agha 2003; Johnstone 2012, 2016, 2017). Den Ausbau des Regiolekts in Richtung Dialekt ausgehend von einer Sprechlage, die Kehrein (2012) als „Gesprochenes Schriftdeutsch“ von Dialektsprechern bezeichnet hat,2 durch die zusätzliche Verwendung dialektaler Merkmale in standardorientierten Sprechweisen zeigen zahlreiche rezente Untersuchungen für verschiedene Regionen Deutschlands (cf. zusammenfassend Kehrein 2019). Für einen EnregistermentProzess, den funktionalen Ausbau von regionalsprachlichen Varianten zur Markierung interpersonell-sozialer Vertrautheit, sind vor allem Merkmale geeignet, die perzeptiv auffällig sowie artikulatorisch gut kontrollierbar sind und die überregionale Verständigung nicht behindern. Dies gilt beispielsweise für Formen mit unverschobenem germ. . in den Kurzwörtern das, was, es, die im Niederdeutschen und im „Historischen Westdeutschen“ weit verbreitet sind. Lenz (2003: 334–337) zeigt für ihre Wittlicher Informanten, dass die nicht dialektkompetenten „Hochdeutsch-Sprecher“ diese Formen bewusst verwenden, um eine lockerere, umgangssprachlichere bzw. dialektalere Sprechweise zu erreichen. Weitere Beispiele sind in Kehrein (2012: 222–226) für Sprecher aus Dresden belegt: Diese verwenden jeweils nur bei wenigen Lexemen dialektkonforme monophthongische Varianten für mhd. ei und ou sowie ungerundete Varianten für die sogenannten Umlaute und diese auch nur in den freien Gesprächen, nicht aber bei der Erhebung ihrer sprachlichen Kompetenz (Dialekt bzw. Standarddeutsch). Daher werden diese Dialektvarianten als Informalitätsmarker klassifiziert (cf. zu dieser Art Variation im Obersächsischen auch Schaufuß/Siebenhaar 2012; Rocholl 2015). Noch besser als lautliche Dialektvarianten eignen sich lexikalische Varianten zur Markierung von Gruppenzugehörigkeit. Solche Wörter gehören auch zu den regionspezifischen sprachlichen Einheiten, die sich beispielsweise Zugezogene relativ schnell aneignen (können), um ihre Integrationsbereitschaft am neuen Wohnort zu signalisieren. Barden/Großkopf (1998) beobachten sowohl die Übernahme auffälliger lautlicher Varianten (z. B. die .-Palatalisierung) als auch die Übernahme von Lexemen, wie z. B. schwätzen für reden, schaffen für arbeiten, durch die von ihnen untersuchten obersächsischen Übersiedler nach Konstanz. Die Übernahme alemannischer Merkmale (dies gilt auch für die Übernahme rhein-/moselfränkischer Varianten durch Übersiedler nach Saarbrücken) erfolgt vor allem durch Personen, die eine Ortsbezogenheit zum neuen Wohnort entwickelt haben („Integrationstypen“ A und D; cf. Barden/Großkopf 1998: 288–343). Außer dialektalen Lauten und Lexemen sind grundsätzlich auch (genuin) regiolektale Merkmale geeignet, um interpersonell-soziale Vertrautheit und damit Gruppenzugehörigkeit auszudrücken, sofern sie die Kriterien perzeptive Auffälligkeit, artikulatorische Kontrollierbarkeit und überregionale Verstehbarkeit erfüllen. Für einen jungen Sprecher aus dem zentralhessischen Ort Büdingen, der im Rahmen des Projekts Regionalsprache.de (REDE) aufgezeichnet wurde (cf. zu diesem Projekt Kehrein 2012; Ganswindt et al. 2015), kann beispielsweise Folgendes beobachtet werden: Wenn er aufgefordert wird, vorgelesene Wenkersätze in seinen individuell besten „Dialekt“ 3 zu übertragen (im REDE-Projekt die sogenannte Dialektkompetenzerhebung), realisiert er das Wort alte als [a̠ldə], bei der Standardkompetenzerhebung dagegen als standardkonformes [altə]. Bei einem dialektkompetenten Sprecher der alten Generation lauten die Formen für alte [a̠ːlə] bei der Dialektkompetenzerhebung und [a̠ldə] bei der Standardkompetenzerhebung. Das bedeutet, dass die regiolektale Form [a̠ldə] von dem alten Sprecher subjektiv als Variante seines individuell besten „Hochdeutsch“ bewertet wird, während sie für den jungen Sprecher seinen individuell besten „Dialekt“ bildet. Abbildung 1 veranschaulicht diesen Zusammenhang von objektsprachlicher Einordnung der Varianten und deren subjektiver Wahrnehmung durch die Sprecher (cf. Kehrein 2018/2019: 115).


Abbildung 1
Objektsprachliche Zuordnung und subjektive Beurteilung der Varianten für alte durch je einen Sprecher der jungen und der alten Generation in Büdingen

Die Beurteilung der Variante durch den jungen Sprecher ist im Zuge der Datenerhebung nicht abgefragt worden. Die Tatsache, dass er sie aber bei der Dialektkompetenzerhebung produziert, während er bei der Standardkompetenzerhebung die standardkonforme Variante des Wortes realisiert, zeigt allerdings, dass er beide Formen bewusst variieren kann. Das bedeutet, ihm steht die regiolektale Form [aldə] dann zur Verfügung, wenn er – wie oben für Sprecherinnen und Sprecher aus dem Niederdeutschen und aus Wittlich berichtet – gegenüber Personen aus seinem Heimatort möglicherweise mittels stärkerer regionalsprachlicher Prägung Gruppenzugehörigkeit bzw. interpersonell-soziale Vertrautheit signalisieren will. Für eine solche Neubewertung und funktionale Anreicherung sind prinzipiell auch solche standarddifferenten Varianten geeignet, die dadurch zustande kommen, dass Dialektsprecher die Schriftsprache besonders deutlich artikulieren wollen. Dies kann durch den institutionalisierten Standardspracherwerb in der Schule befördert (oder sogar erst ausgelöst) werden. Beispielsweise handelt es sich bei der konsequenten Verwendung konsonantischer /r/Varianten an allen Stellen, an denen ein <r> geschrieben wird und an denen sowohl dialektal als auch standardsprachlich eine Vokalisierung des /r/ erfolgt, um eine schriftinduzierte regiolektale Form, mit der potenziell Gruppenzugehörigkeit markiert werden kann.

Anhand der Realisierung von <r> bzw. /r/ als stimmloser uvularer Frikativ [χ] wird im Folgenden der Frage nachgegangen, ob diese nicht-dialektale Variante ein Kandidat für die Anreicherung mit der soziopragmatischen Funktion „Anzeige von interpersonell-sozialer Vertrautheit/Nähe bzw. Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Sprechern aus einer bestimmten Region“ und damit für ein Enregisterment ist. Zur Beantwortung dieser Frage wird nach einem kurzen Überblick zum Forschungsstand die variative Verwendung der [χ]-Variante durch Informanten aus dem REDE-Projekt ausgewertet.

2 Forschungsstand zur [χ]-Variante

2.1 Phonetisch-phonologischer Kontext

Zunächst ist die Frage zu beantworten, worum es sich bei diesem Phänomen aus phonetischphonologischer Perspektive handelt. Wie an dem in der Einleitung genannten Beispiel „Neues vom Spocht...“ erkennbar ist, geht es bei der sprachlichen Variable um die Realisierung des Phonems /r/ als stimmloser velarer oder uvularer Frikativ (der Einfachheit halber wird im Folgenden jeweils nur auf die Variante [χ] referiert). In der vorliegenden Literatur, in der diese /r/-Variante erwähnt oder ausführlicher behandelt wird, herrscht Einigkeit darüber, dass sie nach Kurzvokalen auftritt (siehe alle im Folgenden genannten Beiträge). Mitunter wird eine besondere Affinität zu tiefen Vokalen angegeben (cf. Klein/Mattheier/Mickartz 1978: 83) bzw. ein Auftreten vor allem nach velaren Vokalen beobachtet (cf. Langhanke 2015: 318). Eine Beschränkung auf diese vorangehenden lautlichen Kontexte liegt aber nicht vor, weshalb die Variable hier für den vorangehenden Kontext als /r/ nach Kurzvokal (außer in Nebensilben) definiert wird. Hinsichtlich des auf /r/ folgenden lautlichen Kontexts kursieren unterschiedliche Angaben. Während Kohler (1995: 166) ganz allgemein stimmlose Plosive und Frikative als Folgelaute angibt, nehmen die meisten anderen Autoren einen spezifischeren Kontext an: alveolarer Plosiv /t/ (cf. Macha 1991; Möller 2013; cf. auch die großräumigen kartographischen Darstellungen in König 1989; Cornelissen 2002; AdA 2003–), alveolarer Plosiv /t/ und alveolare Affrikate /ts/ (cf. Kreymann 1994; Lenz 2003; Kehrein 2012; Langhanke 2015) oder auch stimmlose koronale Obstruenten (Hall 1993), wodurch neben /t/ und /ts/ auch /s/ und /ʃ/ eingeschlossen sind.

Da der Unterschied zur standardsprachlichen Realisierung, sofern diese durch ein konsonantisches hinteres [ʁ] erfolgt, nur in dem Merkmal der Stimmhaftigkeit besteht, führt Hall die stimmlose Qualität der /r/-Realisierungen auf die phonologischen Regeln der Auslautverhärtung und der „Regressive Voicing Assimilation“ (RVA) zurück. Warum diese Regeln aber nur vor koronalen Obstruenten Anwendung finden, wird nicht erklärt. Unstrittig ist aber wiederum, dass die RVA auch über Silbenund Morphemgrenzen hinweg wirkt (cf. Hall 1993: 93), wie z. B. in Garten, Herrschaft. Nach Langhanke (2015: 314) dürfe dagegen zwischen /r/ und dem folgenden Obstruenten keine Morphemgrenze liegen. Das bedeutet, dass in Wörtern wie „Oberton, Überzahl, erzählen, vertreiben, Vortrag“ (Langhanke 2015: 314) keine [χ]-Variante für /r/ zu beobachten ist. Dieser Einschränkung steht allerdings die durch Möller (2013: 173) belegte Form „vi[x]zich“ bzw. „vi[x]zisch“ für ‘vierzig’ entgegen.

2.2 Regionale Distribution

Neben unspezifischen Angaben, welche die [χ]-Variante für /r/ als norddeutsches (Wängler 1960; Siebs 1969) oder nordwestdeutsches Merkmal bezeichnen (Klein/Mattheier/Mickartz 1978), wird ihr Auftreten vor allem in zwei Regionen des deutschen Sprachgebiets berichtet: Im Ostfälischen um ein Kerngebiet um Braunschweig und Hannover herum (cf. Lauf 1994, 1996; Mihm 2000; Langhanke 2015) und im Mittelfränkischen, i. e. im Moselfränkischen und Ripuarischen (cf. Meyer-Eppler 1959; Lauf 1994, 1996; Mihm 2000), bei dem häufig auch vom „Rheinischen“ (cf. Klein/Mattheier/Mickartz 1978; Macha 1991; Kreymann 1994; Möller 2013) gesprochen wird, einschließlich des ripuarisch-niederfränkischen Übergangsgebiets.

Nach der Dialekteinteilung von Lameli (2013) lässt sich dieser Raum in der Terminologie von Schmidt (2015) als Historisches Westdeutsch zusammenfassen. Als eher politischgeographische Entsprechungen werden „das Rheinland“ und der südliche Niederrhein genannt (cf. Hall 1993; Kohler 1995; Cornelissen 2002; Langhanke 2015). In den Daten aus dem Projekt Sprachvariation in Norddeutschland (SiN), die dem Norddeutschen Sprachatlas zugrunde liegen, sind [χ]-Varianten im Ostfälischen praktisch nicht mehr festzustellen, weshalb man davon ausgeht, dass diese Form dort mittlerweile vollständig abgebaut ist (cf. Elmentaler 2012; Langhanke 2015). Am häufigsten untersucht wurde die Variable hinsichtlich ihrer variativen Verwendung durch Gewährspersonen aus dem Rheinland bzw. dem Rheinischen (cf. Macha 1991; Kreymann 1994; Cornelissen 2002; Möller 2013; Langhanke 2015). Darüber hinaus liegen Analysen zur Realisierung von /r/ in der genannten lautlichen Umgebung in der Kleinregion Wittlich im Moselfränkischen vor (cf. Lenz 2003; Kehrein 2012; Katerbow 2013).

Die regionale Distribution der [χ]-Variante ist auch Kartenthema zweier Sprachatlanten: In Werner Königs Atlas zur Aussprache des Schriftdeutschen in der Bundesrepublik Deutschland (1989) ist die Realisierung von /r/ in der betreffenden lautlichen Umgebung nicht Gegenstand einer eigenen Karte, sondern nur durch das Erhebungswort „Garten“ auf Kombinationskarten zusammen mit „lernen, gern, Korb“ dargestellt. Auf diesen Karten werden zudem alle „geriebene[n] Varianten des hinteren R“ (König 1989 Band 2, 197) unabhängig von ihrer Phonation zusammengefasst. Daher ist dort nicht erkennbar, wo und wie häufig die [χ]-Variante auftritt. Über die Datenbank für gesprochenes Deutsch (DGD) des Instituts für Deutsche Sprachesind allerdings die Aufnahmen von Vorlesetexten aus Königs Projekt zugänglich und wurden von mir für das Gebiet des Historischen Westdeutsch (Erhebungsorte Wittlich, Köln, Koblenz, Siegen, Kleve, Duisburg) ausgewertet. Diese Auswertung ergibt, dass die Realisierung von /r/ nach Kurzvokal vor koronalem Obstruent als stimmloser uvularer Frikativ nur bei der Sprecherin aus Köln häufig und bei den Sprechern aus Koblenz und Kleve vereinzelt belegt ist (die teilweise mehrfach vorhandenen Belegwörter in dem Vorlesetext sind Wort, dort, wirtschaftliche, Ordnung, angeordnet, wird, Wirtschaftsbedingung). Im Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA) gibt es zwei Karten zur /r/-Realisierung nach Kurzvokal vor /t/ (für Karte und Sport). Auf diesen Karten ist eine regionale Distribution der [χ]-Variante in einem Gebiet erkennbar, die ungefähr dem Historischen Westdeutsch entspricht. Im Atlas zur Aussprache des deutschen Gebrauchsstandards (AADG) gibt es (noch) keine Karte zu dieser Variable.

2.3 Objektsprachliche Varietätenzuordnung

In einem Punkt sind sich alle bisherigen Beiträge einig: Die Realisierung von /r/ als velarer/uvularer stimmloser Frikativ ist in keinem der Dialekte in den genannten Regionen vorhanden. In dem im vorliegenden Aufsatz im Zentrum des Interesses stehenden Raum des Historischen Westdeutsch wird das /r/ in den genannten lautlichen Kontexten dialektal entweder ersatzlos getilgt, als zentraler Vokal oder als Dehnung des eigentlich kurzen Stammvokals realisiert. Entsprechend finden sich auch im Mittelrheinischen Sprachatlas (MRhSA) auf den Karten für westgerm. . nach Kurzvokal vor koronalem Obstruenten (Kirsche, Durst, Garten) keine Belege für den stimmlosen uvularen Frikativ. Lediglich bei Garten zeigen sich im äußersten Nordwesten, i. e. südl. des Übergangsgebiets zum Ripuarischen, an vier Erhebungsorten (Eschfeld, Winterspelt, Buchet, Auw bei Prüm) – außer in Buchet jeweils in beiden Aufnahmeserien – als [ʀ] transkribierte Varianten, denen sonst in der Region Vokalisierung oder Ausfall gegenübersteht. Die konsonantische Variante ist in den Orten und darüber hinaus in der Region auch in anderen Abfragewörtern (z. B. Berg) transkribiert.

Weiterhin herrscht Einigkeit darüber, dass es sich bei der [χ]-Variante um eine nicht standardkonforme Variante handelt. In älteren phonetischen Beschreibungen des Deutschen und in älteren Auflagen der Aussprachewörterbücher ist nach Kurzvokal eine konsonantische Realisierung des /r/ als apikaler oder uvularer Vibrant [r, ʀ] vorgesehen, später wird auch der stimmhafte uvulare Frikativ [ʁ] als zulässige Variante genannt. Es wird teilweise ausdrücklich vor einer Aussprache als stimmloser hinterer Frikativ „gewarnt“ (cf. etwa Siebs 1969: 86; Runschke 1938: 102, wo die [χ]-Variante als „schrecklichster der Schrecken“ bezeichnet wird). Dies wird beispielsweise damit begründet, dass die Verwendung des stimmlosen uvularen Frikativs zu Homophonen wie warten . wachten, narrt . Nacht führt (cf. Ulbrich 1972: 92, der die [χ]-Variante entsprechend als „fehlerhafte Artikulation bewertet“). Während Ulbrich in seiner 1972 publizierten Studie zu Rundfunksprechern und Schauspielern in der DDR empirisch zeigt, dass nach Kurzvokal tatsächlich hauptsächlich (ca. 76%) konsonantische /r/Varianten zu beobachten sind (cf. Ulbrich 1972: 91), zeichnet die Untersuchung von Meissner (1995: 52), der ebenfalls Nachrichtensprecher und Moderatoren heranzieht, ein anderes Bild: Nach Kurzvokal treten in den von ihm untersuchten Nachrichtensendungen und Talk-Shows zu ca. 82% nicht-konsonantische Varianten auf. Dennoch wird im neusten Aussprachewörterbuch (Krech et al. 2009: 87) nach wie vor eine konsonantische Variante als standardkonforme Artikulation nach Kurzvokalen angegeben, auch wenn es sich um die „reduzierte Form [.]“ handelt. In der aktuellsten Auflage des Duden Aussprachewörterbuchs (2015) wird darauf hingewiesen, dass die „vokalische Aussprache sehr weit verbreitet und regional (Norddeutschland, Ostösterreich) auch nach Kurzvokal viel üblicher ist als konsonantisches .“. Diese Aspekte sollen an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Für den vorliegenden Beitrag ist entscheidend, dass für die genannte Variable sowohl im Dialekt als auch in der Standardsprache vor allem vokalische Varianten oder – in der Standardsprache – stimmhafte hintere Frikative verwendet werden.

Wohin gehört nun aber die [χ]-Variante? Aus den Studien, die sich mit der linguistischen Struktur der Vertikale zwischen Dialekt und Standardsprache beschäftigen, geht klar hervor, dass es sich um ein genuin regiolektales Merkmal handelt. Dies ergibt sich daraus, dass die Variante vor allem in Gesprächen mit nicht dialektsprechenden Personen (z. B. im Interview mit einem Explorator) verwendet wird, etwa bei rheinischen Sprechern, „die Standardsprache intendieren“ (Macha 1991: 148). Auch Kreymann beobachtet ein vermehrtes Auftreten des [χ]Allophons in den Interviews seiner älteren Gewährspersonen im Gegensatz zu deren informellen Gesprächen, in denen hauptsächlich die Dialektvarianten zu beobachten seien. Entsprechend klassifiziert Kreymann die Variante als „Merkmal einer landschaftlich gefärbten Standardsprache“ (Kreymann 1994: 77; cf. auch 250–251). Auch Möller ordnet die Variante dem „Regiolekt/Standard-Kontinuum“ der rheinischen Alltagssprache zu (Möller 2013: 299). Für das moselfränkische Wittlich stellt Lenz fest, dass die [χ]-Variante „von allen Informanten in standardnäheren Kontexten mehr oder weniger häufig“ verwendet wird, weshalb sie

„Element des Neuen Substandards“, und zwar als „Kennzeichen des Wittlicher Regionalakzents“ (Lenz 2003: 192), klassifiziert wird (cf. zu Wittlich auch Kehrein 2012).

2.4 Subjektive Varietätenzuordnung und Einstellungen zur [χ]-Variante

Da es im vorliegenden Beitrag wesentlich um die Frage geht, ob Sprecherinnen und Sprecher die [χ]-Variante möglicherweise gezielt verwenden, um interpersonell-soziale Vertrautheit zu markieren, ist von besonderem Interesse, was die bisherigen Studien über die subjektive Sicht auf diese Variante herausgefunden haben. In der Regel muss darauf allerdings aus der unterschiedlichen Variantenverwendung in den Aufnahmesituationen geschlossen werden, da bislang nur im Rahmen des SiN-Projekts direkt nach der subjektiven Bewertung der Variante gefragt wurde.

Während wie gezeigt die [χ]-Variante von Sprachwissenschaftlern und Aussprachnormierern als nicht standardkonform bezeichnet wird, zeigen die oben referierten Beobachtungen der bisherigen Studien, dass die Gewährspersonen [χ] vor allem in solchen Gesprächssituationen verwenden, in denen sie die Standardsprache als Zielvarietät anstreben. Dieses variative Sprachverhalten deutet darauf hin, dass sie die Variante als Teil ihres individuell „besten Hochdeutsch“ oder zumindest ihres „Hochdeutsch“ ansehen. Kreymann schließt beispielsweise aus dem Sprachverhalten seiner Gewährspersonen, dass „der rheinische Sprecher“ bei dieser Variante „von einer normgerechten Artikulation auszugehen [scheint]“ (Kreymann 1994: 77). Auch bei Lenz (2003: 192) und in den Aufnahmen des SiN-Projekts (cf. Langhanke 2015: 315) ist die höchste Auftretensfrequenz der [χ]-Variante in den Aufnahmen zur intendierten Standardsprache bzw. bei der Vorleseaussprache zu beobachten.

Die deutlich erkennbare Orientierung an der Zielvarietät Standardsprache bei der Realisierung der stimmlosen uvularen Frikative für /r/ nimmt Macha als Ausgangspunkt für eine Erklärung dafür, warum sich diese Variante durchgesetzt haben könnte: Er hält es für möglich, dass es sich um „eine Art von ‚Überprofilierung‘ des konsonantischen Charakters der Variante“ (Macha 1991: 149) handelt, um die dialektale Vokalisierung bzw. die dialektale NichtRealisierung des /r/-Phonems zu kompensieren. In vergleichbarer Weise spricht auch Mihm (2000: 2115) von einer „Restituierung des dialektal geschwundenen .“. Beide Erklärungen stützen die im vorliegenden Beitrag vertretene Annahme, dass es sich bei der [χ]-Variante um eine schriftinduzierte Form handelt. Was in diesem Zusammenhang allerdings unklar ist und vermutlich auch nicht geklärt werden kann, ist die Frage, warum diese Überprofilierung der konsonantischen Variante nur nach Kurzvokal und vor koronalen Obstruenten und nicht, wie oben erwähnt etwa durch Sprecher im bairischen Sprachraum Bayerns (cf. Kehrein 2009 und 2012), konsequent an allen Positionen erfolgt.

Darauf, dass die [χ]-Variante für die Sprecherinnen und Sprecher mit ihrem „Hochdeutsch“ verknüpft ist, deuten auch die Ergebnisse der Salienzund Normativitätstests für Einzelvarianten hin, die im Rahmen des SiN-Projekts durchgeführt wurden (cf. Langhanke 2015: 319–320). Die [χ]-Variante wurde dabei den Sprecherinnen aus den Erhebungsorten des Niederrheins in dem Testsatz „Kannst Du das letzte Wocht bitte nochmal wiederholen?“ dargeboten.4 Die Erhebungsorte waren Bracht und Oedt für den südlichen und Kranenburg und Uedem für den nördlichen Niederrhein. Interessanterweise haben nur drei Sprecherinnen vom südlichen Niederrhein – i. e. dem Gebiet, in dem die [χ]-Variante verwendet wird, – diese Variante als auffällig empfunden, die Sprecherinnen vom nördlichen Niederrhein dagegen nicht. Im Normativitätstest geben die Sprecherinnen vom südlichen Niederrhein an, dass sie andere Sprecher, welche die Variante verwenden, nicht korrigieren würden, was darauf hindeutet, dass sie zumindest nicht als Normverstoß empfunden wird. Auch dass die Sprecherinnen vom nördlichen Niederrhein gar nicht auf die Variante reagiert haben wird als möglicher Hinweis darauf gesehen, dass es sich bei dem Merkmal aus Sicht der Sprecherinnen „um eine zwar in der eigenen Region nicht übliche, aber dennoch besonders normgerechte Aussprache des .handele“ (Langhanke 2015: 320).

Insgesamt lässt sich demnach festhalten, dass die [χ]-Variante von den bisher analysierten Sprecherinnen und Sprechern als Teil der Standardsprache bzw. als Teil des „(besten) Hochdeutsch“ betrachtet und entsprechend verwendet wird. Dies und auch die nachweisbare variative Sprachverwendung deuten nicht darauf hin, dass es sich um eine Variante handelt, die in der Kommunikation (gezielt) eingesetzt wird, um interpersonell-soziale Vertrautheit oder die Zugehörigkeit zu einer (vertrauteren) Gruppe zu markieren. Der Frage, ob sich dies geändert hat oder ändern könnte, wird in der folgenden empirischen Untersuchung nachgegangen.

3. Empirische Studie

Mit der im vorliegenden Beitrag beschriebenen Studie werden die folgenden Forschungsfragen beantwortet:

  1. 1. In welchem phonetisch-phonologischen Kontext tritt die [χ]-Variante als Realisierung des Phonems /r/ auf?
  2. 2. An welchen Erhebungsorten im Gebiet des Historischen Westdeutsch wird die [χ]-Variante verwendet?
  3. 3. In welchen Erhebungssituationen tritt die [χ]-Variante in welcher Häufigkeit auf?
  4. 4. Sind intergenerationelle Unterschiede hinsichtlich der Verwendung der [χ]-Variante feststellbar?
  5. 5. Gibt es andere Faktoren außer der Generationszugehörigkeit, die das variative Sprachverhalten der Informanten beeinflussen?
  6. 6. Welche Schlüsse lassen sich aus den Ergebnissen der objektsprachlichen Analysen hinsichtlich der subjektiven Varietätenzuordnung und damit der (potenziellen) Verwendung der [χ]-Variante zur Markierung von interpersonell-sozialer Vertrautheit/Nähe ziehen?

Für die Bearbeitung der Forschungsfragen wurden Aufnahmen aus dem REDE-Korpus für die 25 auf der Karte in Abbildung 2 dargestellten Erhebungsorte ausgewertet. Damit sind alle REDE-Orte erfasst, die sich nach der Dialekteinteilung von Lameli (2013) dem Historischen Westdeutsch zuordnen lassen, wobei im Südosten noch die Erhebungsorte ergänzt wurden, die nach der Dialekteinteilung von Wiesinger in den Übergangsgebieten zu den angrenzenden Dialektverbänden liegen.


Abbildung 2
In der Studie berücksichtigte REDE-Erhebungsorte im Historischen Westdeutsch und angrenzenden Übergangsgebieten vor der Dialekteinteilung von Wiesinger (1983)

An jedem Ort wurden alle vier REDE-Informanten betrachtet, i. e. jeweils ein Sprecher der älteren (60+ Jahre) und der jüngeren Generation (18–23 Jahre) sowie zwei Sprecher der mittleren Generation (45–55 Jahre; cf. zur Datenerhebung im REDE-Projekt z. B. Kehrein 2012; Ganswindt et al. 2015). 5 Insgesamt wurden somit Aufnahmen von 100 Sprechern analysiert. Die Aufnahmen stammen aus den folgenden Erhebungssituationen:

  1. 1. Übertragung der Wenkersätze in den individuell „besten Dialekt“; dabei wurden den Informanten die Wenkersätze in Standardsprache vorgelesen und diese sollten sie nach Hörverstehen in ihren „besten Dialekt“ übertragen. Diese „Dialektkompetenzerhebung“ wurde auch mit nicht dialektkompetenten Sprechern durchgeführt.
  2. 2. Übertragung der Wenkersätze in das individuell „beste Hochdeutsch“; dabei wurden den Informanten dialektale Aufnahmen der Wenkersätze vorgespielt und diese sollten sie nach Hörverstehen in ihr „bestes Hochdeutsch“ übertragen.
  3. 3. Lautes Vorlesen des Textes „Nordwind und Sonne“.
  4. 4. Interview mit einem Explorator oder einer Exploratorin als Aufnahme der Sprachverwendung in einer formellen Situation.
  5. 5. Gespräch mit einer selbst gewählten, befreundeten Person, das möglichst im Dialekt geführt werden sollte (Freundesgespräch) als Aufnahme der Sprachverwendung in einer informellen Situation.

Da mit den Erhebungen der Dialektund der Standardkompetenz das variative Sprachwissen der Sprecher erhoben wurde, sind in einem ersten Schritt diese Aufnahmen hinsichtlich der Realisierungsformen für /r/ nach Kurzvokal in Stammsilben ausgewertet worden. Dabei wurden zunächst alle lautlichen Folgekontexte betrachtet, es erfolgte also noch keine Einschränkung dieses Kontextes auf alveolare oder koronale stimmlose Obstruenten. Im Vorlesetext „Nordwind und Sonne“ tritt /r/ nach Kurzvokal im Stamm der Wörter Nordwind (4–5×), Stärkere(n) (3×), warmen, wurden, würde, erwärmte auf, in den Wenkersätzen konnten die Wörter durch(3×), wird, gestorben, stark, schwarz, gelernt, artig, darfst, erst, fertig, Bürste, Korb, Durst, Morgen, warten, dürft, Berge, Wurst, Garten, Wort, Herzen, Dorf, Korn berücksichtigt werden (Forschungsfragen 1 und 2). In einem zweiten Analyseschritt wurden zusätzlich die freien Gespräche aller Sprecher eines Ortes ausgewertet, in dem die [χ]-Variante bei den Kompetenzerhebungen mindestens ein Mal realisiert wurde. Dies war an 14 Orten der Fall, sodass für die freien Gespräche Interview und Freundesgespräch von 56 Sprechern eine Variablenanalyse durchgeführt wurde (Forschungsfrage 3). Auf Basis dieser Ergebnisse werden schließlich die Forschungsfragen 4 und 5 beantwortet und entsprechende Schlüsse abgeleitet (Frage 6).

3.1 Phonetisch-phonologischer Kontext der [χ]-Variante

Die Realisierung des Phonems /r/ als stimmloser uvularer Frikativ tritt in den analysierten Sprachdaten nach Kurzvokalen jeder Qualität und ausschließlich vor den stimmlosen Obstruenten /t, ts, s, ʃ/ auf. Somit kann Halls (1993) Charakterisierung des Folgekontextes als stimmlose koronale Obstruenten bestätigt werden. In anderen lautlichen Kontexten wird die [χ]-Variante von den Sprechern nicht verwendet. Die Analysen ergeben darüber hinaus, dass es sich bei dem lautlichen Folgekontext, der das Auftreten der [χ]-Variante erlaubt, um einen phonologischen Kontext des Standarddeutschen handelt. Dies zeigt sich einerseits daran, dass die [χ]-Variante bei dialektkompetenten Sprechern – wie auch in den referierten älteren Untersuchungen – praktisch ausschließlich in standardorientierten Sprechweisen auftritt und fast nicht im Dialekt. Vor allem aber ist die Relevanz des standardsprachlichen phonologischen Kontextes daran erkennbar, dass die [χ]-Variante vor dem standardsprachlichen postalveolaren Frikativ /ʃ/ möglich ist, nicht aber vor der dialektalen Variante [ʃ], mit der das standardsprachliche [ç]-Allophon realisiert wird. Dieses standardsprachliche Allophon wird in den betreffenden Dialekten und Regiolekten fast ausschließlich als koronaler Laut, häufig als postalveolarer stimmloser Frikativ [ʃ] artikuliert, ohne dass diese koronalen stimmlosen Obstruenten die Artikulation der [χ]-Variante auslösen würden. Es stehen sich daher im Regiolekt beispielsweise [kɪɐʃə] bzw. [kɪʁ̞ʃə] für Kirche6 und [kɪχʃə] für Kirsche gegenüber. Die phonologische Regel für die [χ]-Variante lautet daher wie folgt:

Das mit der [χ]-Variante realisierte /r/ bildet in den betreffenden Wörtern stets Teil der oder die Silbenkoda, wobei zwischen /r/ und dem folgenden Obstruenten sowohl eine Silbenals auch eine Morphemgrenze liegen kann, wie die Übersicht in Tabelle 1 zeigt (cf. auch Hall 1993: 92– 93; Möller 2013: 173). Einzige Ausnahme bildet folgendes /s/, vor dem keine Silbengrenze liegen kann, da alveolare Frikative im Standarddeutschen im Silbenanlaut außer in wenigen Lehnwörtern stimmhaft realisiert werden. Als Beispiele für den Folgekontext /t/ müssen auch Formen der Wörter/Stämme Nord-, wird, -ordn-, Akkord gezählt werden, da das /d/ als Teil der Silbenkoda durch den phonologischen Prozess der Auslautverhärtung zu /t/ wird und danach seine durch diesen Prozess gewonnene Eigenschaft der Stimmlosigkeit durch den Prozess der

„Regressive Voice Assimilation“ an das vorangehende /r/ überträgt (cf. dazu Hall 1993).

Tabelle 1
Auftretenskontexte der [χ]-Variante für /r/ und Häufigkeit dieser Kontexte

Bereits an dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass die [χ]-Variante in allen Regionen des Untersuchungsgebiets vor allen genannten Obstruenten vorkommt. Die Angaben zu den Häufigkeiten in Tabelle 1 zeigen, dass /r/ nach Kurzvokal vor allem vor /t/ (<– /d/) auftritt, danach – bereits deutlich seltener – etwa gleich häufig vor /ts/ und /s/ und schließlich am seltensten vor /ʃ/. Das bedeutet, dass die bisherigen Studien, die sich in der Regel auf die Analysen des Kontextes vor /t/ beschränkt haben, zwar gute zwei Drittel aller möglichen Belegstellen der [χ]-Variante erfasst haben, etwa ein Drittel aber nicht berücksichtigt wurde.

Betrachtet man sich die Realisierung des /r/ als [χ] in den genannten Kontexten, so zeigt sich, dass die relativen Anteile der standardabweichenden Variante (siehe Tabelle 2) weniger stark differieren als das in Tabelle 1 dargestellte absolute Vorkommen der verschiedenen Auftretenskontexte.

Tabelle 2
Häufigkeiten der [χ]-Variante für /r/ in den Auftretenskontexten

Für die Kontexte vor /t/ (<– /d/) und /ts/ liegt die Häufigkeit der [χ]-Variante im Bereich der Zufallsverteilung, während für die Kontexte vor /s/ und /ʃ/ zu etwa zwei Dritteln die dialektoder standardkonformen Realisierungen für /r/ beobachtet werden können. Die deutlichste Diskrepanz zwischen der Tokenund der Typefrequenz der [χ]-Variante ist für den Kontext vor /s/ festzustellen. Hier ist bei der Tokenfrequenz ein 10% höherer Anteil der dialektoder standardkonformen Varianten zu beobachten als bei der Typefrequenz. Dieser Unterschied hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass mit den in den Wenkersätzen enthaltenen Wörtern Durst, Wurstund Bürste drei der 45 Types sowie 489 der 725 Tokens in den Kompetenzerhebungen erfasst wurden, von denen viele mit den standardbzw. dialektkonformen Varianten realisiert wurden (bei allen anderen Kontexten ist der Hauptanteil der Belege in den freien Gesprächen zu finden). Dies führt auch für die Auszählung der Tokens insgesamt zu einem leicht höheren Anteil der standardbzw. dialektkonformen Varianten.

3.2 Regionale Distribution der [χ]-Variante

Die Karte in Abbildung 3 zeigt, dass die [χ]-Variante an den Untersuchungsorten vorkommt, die im Kerngebiet des Historischen Westdeutsch liegen (grüne Kreise), i. e. im Moselfränkischen, im Ripuarischen sowie im Übergangsgebiet zwischen dem Ripuarischen und dem Niederfränkischen, nicht aber im Niederfränkischen selbst. In dieser Hinsicht stimmen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung mit denen des Norddeutschen Sprachatlas überein, in dem die Variante ebenfalls in den Orten des Übergangsgebiets, Oedt und Bracht (grüne Andreaskreuze), aber nicht in den Orten des Niederfränkischen, Kranenburg und Uedem (rote Andreaskreuze), beobachtet wurde. Ebenfalls nicht belegt wurde die [χ]-Variante in den südlichen und östlichen Übergangsgebieten (rote Kreuze) bzw. im östlichen Randgebiet des Moselfränkischen (Erhebungsorte Derschen und Montabaur; rote Kreuze). Die Größe der grünen Kreise verweist auf die relative Häufigkeit, mit der die [χ]-Variante in den Sprachdaten der betreffenden Orte auftritt. Die Werte reichen von 3% (in Altenkirchen) bis 71% (in Mönchengladbach). Die niedrigste Frequenz findet sich also auch hier in den (süd-)östlichen Randgebieten des Moselfränkischen. Auffällige regionale Unterschiede können darüber hinaus nicht festgestellt werden. Über die referierten Einzelortstudien und die Fragebogenerhebung von Cornelissen (2002) hinaus zeigen die Resultate der vorliegenden Untersuchung also, dass die [χ]Variante außer am südlichen Niederrhein (i. e. im ripuarisch-niederfränkischen Übergangsgebiet) und im Rheinland (i. e. im Ripuarischen) auch im größten Teil des Moselfränkischen verbreitet ist. Damit stimmen die Ergebnisse mit dem Kartenbild des AdA überein, welches ebenfalls eine Verbreitung in einer Region im Westen des mitteldeutschen Sprachgebiets zeigt.


Abbildung 3
Regionale Distribution der [χ]-Variante vor der Dialekteinteilung von Wiesinger (1983)

3.3 Distribution der [χ]-Variante in den Gesprächssituationen

Nach den Erkenntnissen der bisherigen Untersuchungen handelt es sich bei der [χ]-Variante um ein Phänomen, das nicht in den Dialekten des Untersuchungsgebiets vorkommt, sondern vor allem in standardorientierten Sprechweisen. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die Auftretenshäufigkeit der Variante in Abhängigkeit von der Erhebungssituation variiert. Einen Vergleich der mittleren Frequenzwerte (Mediane: schwarzer Balken; arithmetische Mittelwerte: rote Raute) und der Streuung der Frequenzwerte zeigt das Diagramm in Abbildung 4. In den Boxplots ist die Verwendung der [χ]-Variante im Gegensatz zur Verwendung dialektoder standardkonformer Varianten durch die Sprecher in den Erhebungssituationen Dialektkompetenzerhebung („WS Dial“), Freundesgespräch („FG“), „Interview“ und Standardkompetenzerhebung („WS Std“) dargestellt.


Abbildung 4
Boxplots für die ermittelten Frequenzwerte der [χ]-Variante pro Aufnahmesituation

In dem Diagramm ist zu erkennen, dass sich die Mittelwerte für die Erhebungssitationen „WS Dial“, „FG“ und „Interview“/„WS Std“ zunächst einmal unterscheiden. Ein Chi-Quadrat-Test zeigt, dass die Unterschiede zwischen den Aufnahmesituationen statistisch hoch signifikant sind (X. (df = 3; N = 4590) = 162,9; p < ,001 (Cramer’s V = ,188)). Mit dem relativ niedrigen Cramer’s V-Wert wird allerdings nur ein schwacher Zusammenhang zwischen der Variantenverwendung und den Situationen nachgewiesen. Erwartungsgemäß tritt die [χ]-Variante in den Situationen „Interview“ (Mittelwert: 51,6%) und „WS Std“ (45,3%) häufiger auf als im Freundesgespräch (34,6%) und bei der Dialektkompetenzerhebung (11,4%). Allerdings zeigt die Ausdehnung der Boxen deutlich einen hohen Interquartilsabstand und damit, dass bei den Situationen „FG“, „Interview“ und „WS Std“ eine sehr breite Streuung der ermittelten Werte vorliegt. Dies weist auf eine starke Heterogenität hinsichtlich des Sprachverhaltens hin. Im Folgenden ist daher der Frage nachzugehen, ob außer der Erhebungssituation andere Faktoren die Häufigkeit der Verwendung der [χ]-Variante beeinflussen.

3.4 Intergenerationelle Unterschiede bei der Verwendung der [χ]-Variante

Wie die Boxplots in Abbildung 5 zeigen, bestehen deutlich erkennbare intergenerationelle Unterschiede hinsichtlich der Verwendung der [χ]-Variante. Insgesamt herrschen etwas klarere Strukturen als beim Vergleich der Erhebungssituationen, die Interquartilsabstände sind etwas weniger groß, i. e. die relativen Häufigkeiten der [χ]-Variante in den Situationen streuen generationsweise weniger stark.7


Abbildung 5
Boxplots für die ermittelten Frequenzwerte der [χ]-Variante pro Sprechergeneration und Aufnahmesituation

Betrachtet man die Generationen genauer, so lässt sich für die älteren Sprecher festhalten, dass fast keine Verwendung der [χ]-Variante bei der Dialektkompetenzerhebung zu beobachten ist (Mittelwert: 3,3%). Sie tritt lediglich vereinzelt – allerdings auch bei Sprechern, die sich selbst als dialektkompetent einschätzen, – auf, und zwar in Herzen (Krefeld, Trier, Schweich) sowie je ein Mal in artig und Bürste (Troisdorf). Gegenüber der Dialektkompetenzerhebung ist eine Erhöhung der Verwendungshäufigkeit der [χ]-Variante bereits im Freundesgespräch (26,9%) festzustellen. Sie tritt aber vor allem in den beiden Aufnahmesituationen auf, in denen sich die Sprecher an der Standardsprache orientieren (Interview: 63,8%, in der Standardkompetenzerhebung: 61,1%). Damit ist der intersituative Unterschied deutlich konturierter als bei den – altersmäßig mit den alten REDE-Informanten vergleichbaren – älteren Sprechern aus Erp, deren intersituative Variation von Kreymann (1994) untersucht wurde. Diese haben die [χ]-Variante im privaten Gespräch zu 41,3%, im Interview zu 58,5% verwendet. Deren Töchter, die eher der mittleren Generation der REDE-Informanten entsprechen, produzieren die [χ]Variante im Interview zu 75,6%, was wiederum eher der Verwendungshäufigkeit bei den älteren und den mittleren REDE-Informanten entspricht. Für die zuletzt genannte mittlere REDE-Generation kann außerdem festgestellt werden, dass die [χ]-Variante bei der Dialektkompetenzerhebung mit 14,6% häufiger auftritt als bei der älteren Generation. Auch findet sich eine Distribution über alle Wenker-Belegwörter. Bei den beiden Ausreißern handelt es sich um die Sprecher aus Mönchengladbach, auf die weiter unten noch ausführlicher eingegangen wird. Der auffälligste Unterschied zwischen der älteren und der mittleren Generation besteht in der Häufigkeit der Verwendung der [χ]-Variante im Freundesgespräch. Diese ist bei der mittleren Generation mit einem Mittelwert von 51,6% fast doppelt so hoch wie bei den älteren Sprechern, wobei im Boxplot wiederum eine recht breite Streuung der Werte zu erkennen ist. Für die jüngere Generation der REDE-Informanten ergibt sich schließlich ein deutlicher Unterschied zu den beiden älteren Generationen. Die [χ]-Variante wird insgesamt nur sehr selten verwendet, wobei sich die Mittelwerte zwischen den Aufnahmesituationen kaum unterscheiden (11,9–13,3%). Die Abweichungen von den älteren Generationen betreffen also vor allem die Standardkompetenzerhebung, das Interview und das Freundesgespräch, während die mittlere Häufigkeit der Verwendung in der Dialektkompetenzerhebung mit der der mittleren Generation übereinstimmt (13,0% gegenüber 14,6%) und lediglich höher ist als bei der älteren Generation (3,3%). Wodurch diese Abweichungen bei der jungen Generation genau zustande kommen und wie dies zu bewerten ist, wird weiter unten ausführlicher behandelt.

Da die Streuung der Häufigkeitswerte für die [χ]-Variante in einigen Situationen immer noch recht hoch ist (z. B. Freundesgespräche und Interviews der älteren und mittleren Generation), wird im folgenden Kapitel anhand einer hierarchischen Clusteranalyse der Frage nachgegangen, ob sich aufgrund des variativen Sprachverhaltens der Informanten andere Gruppen bilden, die ggf. andere Eigenschaften teilen als die der Generationszugehörigkeit.

3.4 Gruppenbildung aufgrund des variativen Sprachverhaltens

Auf Basis der Erfassung der Häufigkeit der Verwendung bzw. Nicht-Verwendung der [χ]Variante in den vier Aufnahmesituationen wurde in R mit der Methode der hierarchischen Clusteranalyse (Ward-Verfahren, quadrierte euklidische Distanzen) eine Einteilung der Sprecher vorgenommen. Das Ergebnis dieser Analyse ist in dem Dendrogramm in Abbildung 6 wiedergegeben. Auf einer ersten Ebene bilden sich zwei Hauptcluster, von denen das zweite nochmals in zwei Subcluster unterteilt werden kann.


Abbildung 6
Dendrogramm der Clusteranalyse (variative Verwendung der [χ]-Variante in den vier Aufnahmesituationen)

Die in der Abbildung eingezeichnete Einteilung in drei Gruppen lässt sich – wie gleich ausgeführt wird – nicht nur gut interpretieren, auch die Verteilung der Häufigkeitswerte für die [χ]-Variante ist in diesen Gruppen deutlich klarer konturiert als über die Aufnahmesituationen insgesamt (siehe Abbildung 4) und über die Generationen (siehe Abbildung 5), wie aus Abbildung 7 hervorgeht. Der Unterschied zwischen den Clustern ist statistisch hoch signifikant (X. (df = 2; N = 4590) = 381,6; p < ,001 (Cramer’s V = ,288)) und Cramer’s V belegt einen mittelstarken Zusammenhang zwischen den Clustern und der Verwendung der [χ]-Variante.


Abbildung 7
Boxplots für die ermittelten Frequenzwerte der [χ]-Variante je Cluster

Von den in Cluster 1 zusammengefassten Sprechern wird die [χ]-Variante über alle Aufnahmesituationen hinweg nur sehr selten verwendet (allerdings zeigen sich in allen Aufnahmesituationen drei bis vier Ausreißer). Die Mediane liegen alle auf dem Nullpunkt, die Interquartilsabstände sind sehr klein, die arithmetischen Mittelwerte liegen zwischen 3,6% und 9,3%. Auch der Chi-Quadrat-Test ergibt keine statistisch signifikanten Unterschiede im Vergleich der Erhebungssituationen innerhalb dieses Clusters (X. (df = 3; N = 1142) = 22,3; p = ,056 (Cramer’s V = ,140)). In diesem Cluster sind elf der 14 jungen, zwei der 14 alten und sechs der 28 mittelalten Sprecher enthalten, i. e., es gibt eine klare Dominanz junger Sprecher. Cluster 2a zeigt eine niedrige Häufigkeit der [χ]-Variante bei der Dialektkompetenzerhebung (Mittelwert: 10,1%) und eine ebenfalls niedrige Häufigkeit im Freundesgespräch (13,9%). Mit Mittelwerten von 69,4% und 61,4% wird die [χ]-Variante in den Interviews und bei den Standardkompetenzerhebungen dieser Sprecher deutlich häufiger verwendet. Die Unterschiede zwischen den Aufnahmesituationen sind innerhalb dieses Clusters wieder statistisch hoch signifikant (X. (df = 3; N = 1222) = 109,42; p < ,001 (Cramer’s V = ,299)). Die genannte Verteilung der [χ]-Variante auf die Situationen weist eine Ähnlichkeit zu den Boxplots der älteren Generation auf, wobei die Streuung in Cluster 2a wesentlich geringer ist als bei den älteren Sprechern. Entsprechend sind in diesem Cluster acht der 14 alten Sprecher vertreten, die um fünf der 28 mittelalten und zwei der 14 jungen Sprecher ergänzt werden. Schließlich zeigt Cluster 2b mit relativ niedrigen Frequenzen der [χ]-Variante bei der Dialektkompetenzerhebung (15,8%), wobei dieser Wert der höchste aller Cluster ist, und hohen Frequenzen in allen anderen Aufnahmesituationen (Mittelwerte von 70,1%–80,3%) Ähnlichkeiten mit der Häufigkeitsverteilungen in der mittleren Sprechergeneration. Die Sprecher dieser Generation bilden entsprechend mit 17 von 28 auch den Hauptanteil in diesem Cluster, dem nur vier alte und ein junger Sprecher gegenüberstehen. Auch für dieses Cluster sind die Unterschiede zwischen den Aufnahmesituationen statistisch hoch signifikant (X. (df = 3; N = 2226) = 91,02; p < ,001 (Cramer’s V = ,202)).

Was zeichnet nun das Sprachverhalten der Sprecher aus, die jeweils in einem Cluster zusammengefasst werden? Am deutlichsten erkennbar sind die Gemeinsamkeiten anhand von Cluster 2a. Hier sind Sprecher zusammengefasst, welche die [χ]-Variante in erster Linie im Interview und bei der Standardkompetenzerhebung verwenden, sehr selten dagegen bei dialektorientierten Sprachverwendung. In Abbildung 8 ist die variative Verwendung der [χ]Variante durch die einzelnen Sprecher in Form von gestapelten und auf 100% skalierten Balken dargestellt, was deren relative Häufigkeit in den Aufnahmesituationen am Gesamtauftreten wiedergibt. Das Verhältnis der Frequenz der [χ]-Variante im Vergleich zu den standardund dialektkonformen Varianten wird hier bewusst ausgeblendet.


Abbildung 8
Verwendung der [χ]-Variante in den vier Aufnahmesituationen durch die Sprecher in Cluster 2a (gestapelt und auf 100% skaliert)

Bei zehn der 15 Sprecher dieses Clusters handelt es sich um Sprecher, die von sich selbst sagen, dass sie eine (fast) perfekte aktive Dialektkompetenz haben. Sie gehören vor allem der alten, teilweise aber auch der mittleren Generation an. Entsprechend verwenden sie bei der Dialektkompetenzerhebung (roter Anteil der Balken) bis auf wenige Ausnahmen auch nicht die [χ]-Variante, sondern eine dialektkonforme Form. Die Sprecher, die einen größeren roten Anteil in ihrem Balken haben (TRSW3, COCJUNG1 und DNJUNG1), sind dagegen nicht dialektkompetent. Diese sind vermutlich in dieses Cluster einsortiert worden, da sie die [χ]Variante in den anderen Situationen mit ähnlich hohen relativen Anteilen verwenden wie die übrigen, dialektkompetenten Sprecher dieses Clusters (selten oder gar nicht im Freundesgespräch, deutlich häufiger im Interview und bei der Standardkompetenzerhebung). Mit Ausnahme der zuletzt genannten Informanten können die Sprecher dieses Clusters als Sprechertyp „traditionelle Verwender“ der [χ]-Variante klassifiziert werden. Ihr Sprachverhalten stimmt mit den Beobachtungen der vorliegenden Studien überein (siehe Kapitel 2).

In Cluster 2b sind Sprecher vereinigt, welche die [χ]-Variante in allen Aufnahmesituationen außer der Dialektkompetenzerhebung häufig verwenden. In der Regel beträgt der Anteil über 90% am Gesamtvorkommen der [χ]-Variante bei den einzelnen Sprechern. Aus diesem Grund werden die Sprecher als „Universal-Verwender“ typisiert. Unter ihnen sind sowohl dialektkompetente als auch nicht-dialektkompetente Sprecher zu finden, wobei die letzteren Sprecher die [χ]-Variante mitunter auch bei der Dialektkompetenzerhebung produzieren.


Abbildung 9
Verwendung der [χ]-Variante in den vier Aufnahmesituationen durch die Sprecher in Cluster 2b (gestapelt und auf 100% skaliert)

Bei den beiden Sprechern der mittleren Generation aus Mönchengladbach (MG2, MG6) liegt die Verwendungshäufigkeit der [χ]-Variante in allen Situationen außer bei der Standardkompetenzerhebung bei über 75%, meist sogar über 90%. Bei der Übertragung der Wenkersätze in ihr individuell bestes „Hochdeutsch“ verwenden sie die [χ]-Variante jeweils in etwa der Hälfte der Fälle. Obwohl die [χ]-Variante auch in den standardorientierten Aufnahmen häufig auftritt, scheint die feste Bindung der Form an das beste „Hochdeutsch“ nicht mehr zu bestehen, was sich auch daran zeigt, dass sie von Sprechern dieses Clusters wortintern mit anderen standardabweichenden Varianten kombiniert wird, z. B. in [ja̠χtən] für Garten (AC4, GLALT1, BM2) bzw. in Gartenarbeit (K16) oder auch in [ʃtʊtja̠ χtʰ] für Stuttgart (K16). Diese Beobachtung deckt sich mit Möller (2013), der feststellt, dass die [χ]-Variante nur mit solchen Dialektvarianten kombinierbar ist, die auch in standardnäheren Sprechlagen erhalten bleiben (cf. Möller 2013: 171–174). Die Form [ja̠χtən] für Garten kommt auch in den Erhebungen von Kreymann (1994) vor, und zwar wird sie von der nicht dialektkompetenten Informantin bei ihrer Dialektkompetenzerhebung realisiert, was darauf hindeutet, dass für sie die Varianten [j] und [χ] standarddifferente Realisierungen der Phoneme /ɡ/ und /r/ darstellen.

In Cluster 1 sind schließlich elf der 14 jungen, sechs der 28 mittelalten und zwei der 14 alten Sprecher enthalten, das Cluster ist also hauptsächlich durch junge Sprecher geprägt. Wie bereits aus den Boxplots hervorgegangen ist, wird die [χ]-Variante von diesen Sprechern in allen Situationen am seltensten verwendet. Aus dem Diagramm in Abbildung 10 geht darüber hinaus hervor, dass zehn Sprecher die [χ]-Variante nie produzieren.


Abbildung 10
Verwendung der [χ]-Variante in den vier Aufnahmesituationen durch die Sprecher in Cluster 1 (gestapelt und auf 100% skaliert)

Diese zehn Sprecher werden als Sprechertyp „Nichtverwender“ klassifiziert. Sie werden aus der späteren Diskussion ausgeschlossen und werden daher hier etwas ausführlicher behandelt: Bei den Nichtverwendern können zwei Subtypen differenziert werden: Zum Ersten handelt es sich um dialektkompetente Sprecher aus Altenkirchen und Klotten (jeweils aus der alten und mittleren Generation). Diese beiden Orte liegen im östlichen Randgebiet des Moselfränkischen und in beiden Orten scheint die [χ]-Variante historisch in der standardorientierten Kommunikation nicht vorhanden gewesen zu sein. Dass in beiden Orten die jüngeren Sprecher die Variante verwenden, könnte ein Indiz dafür sein, dass sich die [χ]-Variante innerhalb des Moselfränkischen nach Osten ausbreitet. Dies stimmt mit der Beobachtung für die Sprecherin aus Koblenz in Königs Atlas zur Aussprache des Schriftdeutschen in der Bundesrepublik Deutschland überein, die im Vorlesetext vereinzelt die [χ]-Variante verwendet (siehe oben, Kapitel 2.2). Für ein ursprüngliches Fehlen der Variante in Altenkirchen gibt es einen weiteren möglichen Grund: Zwei der drei dialektkompetenten Sprecher (AKALT1, AK2) verwenden im Dialekt – auch im lautlichen Kontext der [χ]-Variante – regelmäßig ein konsonantisches apikales [r], sodass bei standardorientierter Sprechweise gar keine Notwendigkeit einer „Überprofilierung“ des konsonantischen /r/ (cf. Macha 1991: 149) bzw. einer „Restituierung“ des /r/ (cf. Mihm 2000: 2115) besteht. Der entscheidende Faktor für die Nichtverwendung ist im Fall dieser Sprecher also die dialektgeographische Herkunft. Zum Zweiten wird die [χ]Variante von einer Reihe von jungen Sprechern aus Orten im Ripuarischen (Troisdorf, Köln, Bergheim, Aachen) und im ripuarisch-moselfränkischen Übergangsgebiet (Linz) nicht verwendet. Diese Sprecher, die aus Orten bzw. Regionen kommen, in denen die [χ]-Variante weit verbreitet und im kommunikativen Alltag omnipräsent ist, haben sich die Variante im Spracherwerb vermutlich nicht angeeignet oder sie wurde ihnen nicht vermittelt. Es scheint sich um individuelle Präferenzen dieser Informanten zu handeln.

Interessanter sind in Cluster 1 aber die Sprecher, welche die [χ]-Variante ausschließlich bei der Dialektkompetenzerhebung bzw. (fast) ausschließlich bei der Dialektkompetenzerhebung und im Freundesgespräch verwenden, da es diese beiden Aufnahmesituationen sind, in denen die [χ]-Variante ursprünglich und bei den dialektkompetenten älteren Sprechern, den traditionellen Verwendern, in dieser Untersuchung (fast) nicht vorkommt. Diese Sprecher werden daher als „Neubewerter“ klassifiziert.

Im abschließenden Kapitel wird für die Sprechertypen „tradionelle Verwender“, „UniversalVerwender“ und „Neubewerter“ beleuchtet, wie ihre jeweils spezifische Verwendung der [χ]Variante mit ihrer individuellen Varietätenund Sprechlagenwahl in den einzelnen Aufnahmesituationen zusammenhängt und was dies über die potenzielle soziopragmatische Relevanz der [χ]-Variante aussagt.

4 Diskussion und Interpretation – die [χ]-Variante und die Varietätenund Sprechlagenwahl

Für eine Reihe von Sprechern, die in der vorliegenden Studie untersucht wurden, liegen weitere, umfassendere Analysen zu ihrem variativen Sprachverhalten vor. Die Sprecher aus Wittlich sind beispielsweise in Kehrein (2012) behandelt worden und für je einen Sprecher pro Generation aus den Orten Krefeld, Mönchengladbach, Bergisch Gladbach und Troisdorf sind Spektrumsdarstellungen auf der Basis von Dialektalitätsmessungen im sprachgeographischen Informationssystem des Projekts Regionalsprache.de, dem REDE SprachGIS, publiziert worden (cf. Kehrein et al. 2012–). Für diese Sprecher können Vergleiche ihrer Varietätenund Sprechlagenwahl und der Verwendung der [χ]-Variante angestellt werden.

1. Traditionelle Verwender

Bei den Sprechern, die als die traditionellen Verwender klassifiziert wurden, liegen Spektrumsanalysen für die alten Informanten aus Wittlich (WITALT1), Troisdorf (SUALT1), Krefeld (KRALT3) und Mönchengladbach (MGALT1) vor. Für alle vier Sprecher gilt, dass sie über eine bivarietäre Sprachkompetenz (i. e. Dialekt und Regiolekt) verfügen und dass sie bei der Dialektkompetenzerhebung und im Freundesgespräch den Dialekt verwenden und im Interview und bei der Standardkompetenzerhebung den Regiolekt. Innerhalb der Varietäten sind darüber hinaus Sprechlagenwechsel möglich. So ergeben die Analysen für WITALT1, dass er bei der Dialektkompetenzerhebung den Basisdialekt und im Freundesgespräch den Regionaldialekt verwendet, während sein Interview und seine Übertragung der Wenkersätze in sein individuell bestes „Hochdeutsch“ dem unteren bzw. dem mittleren Regiolekt zugeordnet werden können (Abbildung 11 gibt das Wittlicher Spektrum für die Sprecher WITALT1, WIT5, WIT10 und WITJUNG2 wieder).


Abbildung 11
Regionalsprachliches Spektrum der Sprecher aus Wittlich (Dialektalitätswerte; cf. Kehrein 2012: 94)

Wie aus dem Diagramm in Abbildung 8 hervorgeht, verwendet WITALT1 die [χ]-Variante bei der Dialektkompetenzerhebung und im Freundesgespräch nicht, sondern ausschließlich im Interview und bei der Standardkompetenzerhebung. Das bedeutet, dass sich die Häufigkeit der [χ]-Variante antiproportional zur Gesamtdialektalität seiner Sprachverwendung in den betreffenden Aufnahmesituationen verhält (siehe Abbildung 11). Dieser objektsprachliche Befund wirkt zunächst einmal kontraintuitiv, da es sich ja bei der [χ]-Variante um eine standarddifferente Form handelt, die bei der Ermittlung der Dialektalität berücksichtigt wird. Die klare intersituative Verteilung der [χ]-Variante spiegelt aber die subjektive Perspektive wider, denn dieses /r/-Allophon wird, wie auch die älteren Studien bereits herausgearbeitet haben, als normgerechte Realisierung der Standardsprache wahrgenommen. Daher kann für die traditionellen Verwender die häufige Verwendung der [χ]-Variante als konstitutiv für den Wechsel vom „Dialekt“ in ihr „Hochdeutsch“ gelten, dem objektsprachlich das Switchen vom Dialekt zum (standardnahen) Regiolekt entspricht. Gleichzeitig werden bei diesem Varietätenwechsel andere, genuin dialektale Varianten abgebaut, was zu einer Abnahme der Dialektalität führt (cf. für Wittlich Lenz 2003; Kehrein 2012). Nur vereinzelt sind bei den traditionellen Verwendern Belege für die [χ]-Variante auch im Freundesgespräch und bei der Dialektkompetenzerhebung zu finden (z. B. SUALT1 und KRALT3). Diese Beobachtung steht im Widerspruch zur Dialektkompetenzerhebung, die Kreymann (1994) durchgeführt hat, und zu den Kartenbildern im Mittelrheinischen Sprachatlas, in denen die [χ]-Variante vollständig fehlt (siehe auch oben, Kapitel 2.2). Die in den REDE-Aufnahmen enthaltenen vereinzelten Belege bei der Dialektkompetenzerhebung und auch im Freundesgespräch können als Indizien dafür bewertet werden, dass die [χ]-Variante über die (niedrigfrequente) Verwendung in privaten Kommunikationskonstellationen mit anderen Dialektsprechern nach und nach auch in die standardferneren Sprechweisen eindringt.

2. Universal-Verwender

Bei den Universal-Verwendern titt die [χ]-Variante mit hoher Frequenz obligatorisch auch in den Freundesgesprächen sowie teilweise bei der Dialektkompetenzerhebung auf. Dies gilt sowohl für den dialektkompetenten, bivarietären Sprecher GLALT1 als auch für die nicht dialektkompetenten Sprecher der mittleren Generation, WIT5, GL3, GL5, KR5, MG2, MG6, für die jeweils Spektrumsanalysen vorliegen. Im Fall von GLALT1 sind die Frequenzen der [χ]-Variante in allen Situationen außer der Dialektkompetenzerhebung, in der sie nicht vorkommt, hoch: 84% im Interview (n = 19), 75% bei der Standardkompetenzerhebung (n = 12) und 84% im Freundesgespräch (n = 15), das er im Dialekt führt (insgesamt verteilen sich bei diesem Sprecher die Aufnahmesituationen hinsichtlich ihrer Dialektalität ähnlich wie bei WITALT1). Diese fast identische Verteilung der [χ]-Variante auf dialektale und regiolektale Sprechweisen bei variierender Gesamtdialektalität bedeutet, dass die Häufigkeit ihrer Verwendung für diesen Sprecher – anders als bei den traditionellen Verwendern – nicht mehr konstitutiv für den Varietätenwechsel vom Dialekt zum Regiolekt bzw. vom „Dialekt“ zum „Hochdeutsch“ ist. Ähnliche Häufigkeitswerte in den einzelnen Aufnahmesituationen sind für die Sprecher der mittleren Generation zu beobachten, wobei für MG2 und MG6 darüber hinaus auch bei der Dialektkompetenzerhebung Werte von 75% (n = 12) bzw. 92% (n = 12) festgestellt werden können.

Ein exemplarischer Vergleich zwischen den Frequenzen der [χ]-Variante und der Varietätenund Sprechlagenwahl bei einem nicht dialektkompetenten Universal-Verwender kann anhand des Sprechers WIT5 (siehe Abbildung 11) gezogen werden. Bei WIT5 handelt es sich um einen monovarietären Regiolektsprecher, der in den beiden freien Gesprächen zwischen den Sprechlagen unterer Regiolekt (im Freundesgespräch) und mittlerer Regiolekt (im Interview) wechselt, während seine Standardkompetenzerhebung dem Regionalakzent zugeordnet werden kann (cf. Kehrein 2012). Dieser Sprechlagenzuordnung der Aufnahmen entsprechen Verwendungshäufigkeiten der [χ]-Variante von 86% (Freundesgespräch; n = 7), 76% (Interview; n = 21) und 45% (Standardkompetenzerhebung; n = 11). Zwischen dem Freundesgespräch und dem Interview liegt also ein relativ geringer Unterschied vor, der erst zur Übertragung der Wenkersätze in das individuell beste „Hochdeutsch“ hin deutlicher wird. Bei den anderen Sprechern der mittleren Generation ist die Häufigkeit der [χ]-Variante im Interview teilweise um einen ähnlichen Betrag höher als in deren Freundesgespräch. Das bedeutet, dass die [χ]-Variante von diesen Sprechern offensichtlich undifferenziert in allen Kommunikationssituationen des Alltags verwendet wird. Sie scheint lediglich bedingt konstitutiv für Sprechlagenwechsel zu sein. Bei vielen Universal-Verwendern reduziert sich die Häufigkeit allerdings bei der Standardkompetenzerhebung.

Für die Universal-Verwender kann also hinsichtlich des Verhältnisses der Verwendungshäufigkeit der [χ]-Variante und der Varietätenund Sprechlagenwahl festgehalten werden, dass die Häufigkeit der [χ]-Variante zum einen nicht mehr konstitutiv für den Wechsel vom „Dialekt“ zum „Hochdeutsch“ der Sprecher (Varietät Regiolekt) ist. Sie wird in allen freien Gesprächen ungefähr gleich häufig verwendet, unabhängig davon, in welcher Varietät oder Sprechlage die Gespräche dabei jeweils geführt werden. Darüber hinaus zeigt die häufig beobachtbare Abnahme der Frequenz der [χ]-Variante bei der Standardkompetenzerhebung, dass diese Form der /r/-Realisierung für die betreffenden Sprecher im Gegensatz zu den traditionellen Verwendern offenbar nicht mehr die Eigenschaft der normgerechten Aussprache hat.

3. Neubewerter

Zu den Neubewertern gehören unter anderem die jungen Sprecher aus den Orten Wittlich, Mönchengladbach, Krefeld und Bergisch Gladbach, für die Spektrumsanalysen vorliegen. Auch für diesen Sprechertyp können die Vergleiche zwischen Sprechlagenwahl und Verwendungshäufigkeiten der [χ]-Variante am Beispiel des Sprechers aus Wittlich präsentiert werden. WITJUNG2 trifft in den Aufnahmesituationen die gleiche Sprechlagenwahl wie der Sprecher der mittleren Generation (WIT5): unterer Regiolekt im Freundesgespräch, mittlerer Regiolekt im Interview, Regionalakzent bei der Standardkompetenzerhebung. Bei der Dialektkompetenzerhebung erreicht er einen Dialektalitätswert von 1,8 8 und liegt damit hinsichtlich des phonetischen Abstands auf einem Niveau mit dem Sprecher der älteren Generation. Allerdings kann anhand von hyperdialektalen Formen nachgewiesen werden, dass WITJUNG2 nicht dialektkompetent ist (cf. Kehrein 2012: 97f.), weshalb das Symbol für die Dialektkompetenzerhebung in Abbildung 11 abgetönt ist. Diese Erkenntnis ist insofern besonders aufschlussreich, als WITJUNG2 die [χ]-Variante jeweils ein Mal nur im Freundesgespräch und bei der Dialektkompetenzerhebung verwendet. Aus dieser Beobachtung wird in Kehrein (2012) abgeleitet, dass der Sprecher diese Variante, die ja für die traditionellen Verwender eine normgerechte Realisierung der Standardsprache darstellt, als regionalsprachliche Variante beurteilt, nämlich als Variante seines individuell „besten Dialekts“. Deutlichere Evidenz für eine solche Neubewertung ergibt sich aus den Aufnahmen des jungen Sprechers aus Trier (TRJUNG1). Er verwendet die [χ]-Variante im Freundesgespräch (35%; n = 17) und bei der Dialektkompetenzerhebung (45%; n = 11), und zwar mit deutlich höheren relativen Anteilen als WITJUNG2. Die Bewertung der [χ]-Variante als standardabweichende Variante und damit als Bestandteil seiner „dialektalen“ Sprechweise zeigt sich im Verlauf seiner Dialektkompetenzerhebung: TRJUNG1, der seine aktive Dialektkompetenz als mittelgradig ausgeprägt einschätzt (mittlerer Skalenpunkt auf einer siebenstufigen Skala) ruft dabei mehr oder weniger stockend durchaus dialektale Formen ab, wirkt aber entsprechend seiner Selbsteinschätzung sehr unsicher. Die erste Hälfte aller möglichen Belege für die [χ]-Variante wird von ihm mit vokalisierten /r/-Formen realisiert. Bei dem Wort warten in Wenkersatz 27, setzt er diese Praxis zunächst fort, nimmt aber unmittelbar nach der ersten Realisierung des Wortes mit /r/-Vokalisierung eine Selbstreparatur vor und korrigiert die Übertragung zu [va̠χtən]. Alle darauf folgenden Belege für die [χ]-Variante werden dann ebenfalls ausschließlich mit dem stimmlosen uvularen Frikativ realisiert. Was auch immer die Selbstkorrektur ausgelöst haben mag, sie zeigt, dass der Sprecher die [χ]Variante für die adäquate Variante hält, wenn es darum geht, seinen individuell besten

„Dialekt“ zu produzieren. Bei den vorangehenden Belegen könnte die Konzentration darauf, möglichst viele andere dialektale Varianten zu produzieren, gelegen und dazu geführt haben, dass die [χ]-Variante bis Wenkersatz 27 nicht im Bewusstsein des Sprechers war. Dafür, dass TRJUNG1 die [χ]-Variante als auffällige regionalsprachliche Variante bekannt ist, gibt es weitere Evidenz. In seinem Interview wird er unter anderem gefragt, ob er Merkmale seiner moselfränkisch geprägten Sprechweise benennen kann. Daraufhin nennt er spontan als Erstes die [χ]-Variante: Er werde von seinen Kommilitonen (er studiert in Bonn) oft darauf aufmerksam gemacht, dass er bestimmte Wörter (z. B. Garten) und Namen (z. B. Martin) mit dem Frikativ anstelle des /r/ ausspreche. Diese Rückmeldungen zeigen ihm, dass es sich bei dem Merkmal in der Fremdwahrnehmung um eine auffällige und regionaltypische Variante handelt.

Für die Neubewerter kann festgehalten werden, dass die traditionelle Zuordnung der [χ]Variante zu standardorientierten Sprechweisen bzw. ihre Beurteilung als normgerechte Artikulation vollständig verloren gegangen ist und eine entgegengesetzte Bewertung vorzuherrschen scheint. Aus diesem Grund und weil es sich um ein salientes Merkmal handelt, das den Sprechern bewusst ist, kann die [χ]-Variante von diesen Sprechern auch bewusst eingesetzt werden, um eine standardfernere Sprechweise zu erreichen. Ihre Verwendung ist somit nicht nur für den Wechsel von standardnäheren zu standardferneren Sprechlagen konstitutiv, sondern kann auch gezielt eingesetzt werden, um – wie in Kapitel 2 ausführlich beschrieben – interpersonell-soziale Nähe/Vertrautheit zu markieren.

5 Fazit und Ausblick

Nach Ausweis der vorliegenden Untersuchung wandelt sich die subjektive Wahrnehmung der [χ]-Variante von den traditionellen Verwendern (Dialektsprecher hauptsächlich der älteren Generation), über die Universal-Verwender (dialektkompetente und nicht dialektkompetente Sprecher hauptsächlich der mittleren Generation) bis zu den Neubewertern (nicht dialektkompetente Sprecher hauptsächlich der jüngeren Generation) von einer Variante einer standardorientierten, normgerechten Realisierung von /r/ über eine Variante der Alltagssprache hin zu einer Variante der normgerechten Realisierung der Regionalsprache bzw. des individuell besten „Dialekts“. Da für die Typisierung der Sprecher neben der Dialektkompetenz vor allem Altersunterschiede eine Rolle spielen, können die Bewertungsunterschiede im Sinne der apparent-time-Hypothese als Bewertungswandel interpretiert werden. Die [χ]-Variante scheint somit tatsächlich einen Enregistermentprozess zu durchlaufen bzw. durchlaufen zu haben, durch den sie zu einem indexikalischen Merkmal wird, mit dem die Zugehörigkeit zu einer regional verortbaren Sprechergemeinschaft – als „imagined community“ – ausgedrückt werden kann. Solche soziale Zugehörigkeit im Sinne von interpersonell-sozialer Nähe/Vertrautheit kann, wie in Kapitel 2 ausführlich dargestellt wurde, in Deutschland vor allem durch die Verwendung der Varietät Dialekt oder die Verwendung von standardferneren Sprechlagen des Regiolekts markiert werden. Wie die internationale Forschung zeigt, kann diese soziopragmatische Funktion aber auch durch einzelne, indexikalische Merkmale erfüllt werden, und um ein solches Merkmal scheint es sich nach den Ergebnissen der vorliegenden Studie bei der [χ]-Variante zu handeln.

Um die auf Basis meiner Untersuchung gezogenen Schlussfolgerungen zu überprüfen, sollte in ergänzenden Studien einerseits die Verwendung der [χ]-Variante und andererseits ihre Bewertung durch die jüngere Generation gezielt in den Blick genommen werden. Bei der Erhebung des variativen Sprachverhaltens ist dabei zu beachten, dass die Gewährspersonen außer mit Fremden nicht nur mit Freunden ihrer Altersgruppe, die in der Regel über eine vergleichbare Systemund Registerkompetenz verfügen, aufgezeichnet werden, sondern auch mit Personen älterer Generationen, die möglichst sogar dialektkompetent sind. Damit könnten die Gewährspersonen animiert werden, eine noch standardfernere Sprechweise anzustreben als mit Gleichaltrigen. Hinsichtlich der Bewertung der [χ]-Variante wären – ähnlich wie im SiNProjekt – Salienzund Normativitätstests durchzuführen, wobei sich nach den Erkenntnissen aus der vorliegenden Studie, Fragen nach der Normativität sowohl auf die „hochsprachliche“ als auch auf die „dialektale“ Norm beziehen sollten.

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Fußnote

1 Im vorliegenden Text wird mit Derivationsformen wie „Sprech+er“ auf Personen jeglichen biologischen und/oder sozialen Geschlechts verwiesen, welche die betreffende Handlung ausführen könnten.
2 Die Sprechlage „Gesprochenes Schriftdeutsch“ kommt mit einer interindividuell extrem hohen Übereinstimmung dadurch zustande, dass Dialektsprecher beispielsweise schriftliche Texte laut vorlesen (müssen). Dabei können bestimmte Dialektvarianten zuverlässig durch ihre standardsprachlichen Pendants ersetzt werden, während andere Dialektvarianten erhalten bleiben (cf. dazu ausführlich Kehrein 2012). Diese Sprechlage ist zudem diachron stabil und ihre frühe Form wird auch als „Landschaftliches Hochdeutsch“ bezeichnet (cf. Schmidt 2010; Ganswindt 2017).
3 Um objektsprachliche Varietäten und subjektive Konzepte, für die teilweise identische Termini verwendet werden, unterscheiden zu können, werden die subjektiven Konzepte „Dialekt“, „Hochdeutsch“ etc. in doppelte Anführungszeichen gesetzt.
4 Im SiN-Projekt wurden Erhebungen nur mit weiblichen Gewährspersonen durchgeführt.
5 Im REDE-Projekt wurden Erhebungen nur mit männlichen Gewährspersonen durchgeführt.
6 Im Dialekt bleibt bei dialektkompetenten Sprechern in Krefeld und Mönchengladbach, i. e. nördlich der Benrather Linie, im Wort Kirche germ. . erhalten (Realisierung z. B. als [keːɐk]). Im größeren Teil des Verbreitungsgebiets der [χ]-Variante herrschen für das standardsprachliche [ç]-Allophon allerdings auch in den Dialekten die koronalisierten Varianten [ɕ, ʃ] vor.
7 Chi-Quadrat-Tests ergeben auch hier statistisch hoch signifikante Unterschiede, und zwar sowohl im Vergleich der Generationen (X. (df = 2; N = 4590) = 155,7; p < ,001 (Cramer’s V = ,184)) als auch im intragenerationellen Vergleich der Aufnahmesituationen (ALT: X. (df = 3; N = 1171) = 92,8; p < ,001 (Cramer’s V = ,281); MITTEL: X. (df = 3; N = 2563) = 89,56; p < ,001 (Cramer’s V = ,187); JUNG:X. (df = 3; N = 856) = 0,1; p < ,001 (Cramer’s V = ,012)).
8 Ein solcher Wert bedeutet, dass fast in jedem Wort ein lautliches Segment hinsichtlich zweier artikulatorischer Merkmale von der Aussprachenorm abweicht. Für eine ausführliche Darstellung der Methode „Dialektalitätsmessung“ cf. Kehrein (2012).


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