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Deutsch im Vergleich Sprachliche Strukturen im Kontrast zum Italienischen. Einführung in das Themenheft*
Linguistik online, vol. 111, núm. 6, pp. 3-10, 2021
Universität Bern

Vorwort/Editorial


DOI: https://doi.org/10.13092/lo.111.8249

Abstract: This thematic issue of Linguistik online is dedicated to Contrastive linguistics for the language pair Italian-German. The contributions collected here deal with Italian-German language comparison from different points of view. The common feature of all of them is a corpus-oriented approach. Using authentic attestations from different linguistic sources, the linguistic structures of both languages are analysed and compared with each other. The granular and fine-grained comparison enabled the authors to work out interesting results not only in the fields of morphology and syntax, but also for pragmatics, and text and discourse linguistics for both languages, which can be profitably used in foreign language didactics, theoretical linguistics and translation studies.

1 Einleitung

Sprachen miteinander zu vergleichen, führt immer zu neuen Erkenntnissen. Denn die Besonderheiten der eigenen Sprache werden oft erst dann erkennbar, wenn man sie mit anderen Sprachen vergleicht. Diese neuen Erkenntnisse können auf vielfältigste Weise und in den verschiedensten Bereichen der Sprachwissenschaft aber auch in verwandten Disziplinen genutzt werden. Dieses Themenheft der Zeitschrift Linguistik online ist dem Deutsch-italienischen Sprachvergleich gewidmet. Der Titel Deutsch im Vergleich wurde bewusst gewählt, um auf die beiden anderen Publikationen (Brambilla/Flinz/Luppi 2020 und Brambilla/Crestani/Calpestrati 2021 zu verweisen, die innerhalb unseres Mailänder Projektes zur Kontrastiven Linguistik1 entstanden sind. In enger Zusammenarbeit mit Valentina Crestani, Fabio Mollica und Carolina Flinz konnte dieses Projekt zur Kontrastiven Linguistik realisiert werden. Ziel war es, zum einen die neuen Entwicklungen im Bereich der Kontrastiven Linguistik aufzuzeigen und zum anderen den Fokus auf die deutsche Sprache als Kontrastsprache zu lenken.

1.1 Sprachvergleich und Kontrastive Linguistik

Der Sprachvergleich ist die konstitutive Methode der Kontrastiven Linguistik, die einen relativ jungen Zweig der Sprachwissenschaft darstellt. Sie entwickelte sich Ende der 50er Jahre des letzten Jahrtausends in Amerika und hatte zunächst das Ziel, den Fremdsprachenunterricht zu verbessern, da man von der Annahme ausging, dass ein detaillierter Vergleich der sprachlichen Strukturen von Mutterund Fremdsprache die Kontraste der beiden Sprachen aufzeige und somit die typischen Fehler, die Fremdsprachenlerner:innen machen, vermeiden lasse. Durch Weiterentwicklungen in verwandten Disziplinen, so u. a. die Intentitätshypothese, die in den 70er Jahren davon ausging, das Mutterund Fremdsprrachenerwerb identisch abliefen, führte zu einer vorläufigen Abkehr von der Kontrastiven Linguistik. Nachfolgende Kritiken an der Aussagekraft kontrastiver Gegenüberstellungen hatten eine die erstmalige theoretische Grundlegung innerhalb der Richtung der Konfrontativen Linguistik zufolge , die sich ab den 70er Jahren verbreitete und zu einer Neubewertung der Relevanz von Divergenzen und Äquivalenzen in bilateralen Sprachvergleichen führte. Seit Ende des letzten Jahrtausends kann man eine erneute Konsolidierung der Komntrastiven Linguistik feststellen. Sie versteht sich nun als eigenständige theoretische Disziplin der Sprachwissenschaft, deren Ergebnisse sowohl anwendungsbezogen (Zweitund Fremdsprachenunterricht, Übersetzungswissenschaft, Lexikografie) als auch theoretisch (Sprachtypologie, Areallinguistik) genutzt werden können (cf. Tekin 2012). Die technischen Neuerungen der letzten Jahrzehne erlaubten zudem eine rasante Entwicklung im Bereich der Korpuslinguistik, die nun umfangreiche sprachliche, digital aufbereitete Datengrundlagen zu den verschiedensten Sprachen, sprachlichen Varietäten und Textsorten zur Verfügung stellen kann. Das Vorhandensein dieser authentischen Sprachdaten in annotierter Form bewirkten eine Objektivierung der durch kontrastive Untersuchungen vorgelegten Ergebnisse (cf. Flinz/Katelhön 2019). In den letzten Jahren ist zudem ein deutlicher Aufschwung kontrastiver Untersuchungen aufgrund der gesellschaftlichen und individuellen Plurilingualität unserer globalisierten Lebenswirklichkeit (cf. Council of Europe 2020) festzustellen, der inbsbesondere im Zweitund Fremdsprachenunterricht durch die Beachtung von Herkunftssprachen (cf. Bremer/Mehlhorn 2018) wird.

1.2 Der deutsch-italienische Sprachvergleich

Der deutsch-italienische Sprachvergleich kann eine lange Geschichte aufweisen und es würde den Rahmen des Beitrags sprengen, alle Richtungen und einzelnen Arbeiten innerhalb der Kontrastiven Linguistik für das deutsch-italienische Sprachenpaar zu nennen.2 Das besondere Interesse für die Kontrastierung der italienischen und deutschen Sprache kann darauf zurückgeführt werden, dass beide Sprachen sowohl geographisch3 als auch gesellschaftlich in engem Kontakt stehen, aber auch sprachtypologisch einige Gemeinsamkeiten aufweisen.4

Im hochschulpolitischen Rahmen ist außerdem zu erwähnen, dass die Neuordnung der wissenschaftlichen Fachbereiche im Zuge der Bologna-Reform in Italien im Bereich der Germanistik zu einer disziplinären Trennung von Sprachund Literaturwissenschaften und somit zu einer Neuetablierung der Disziplin Sprache und Übersetzung – Deutsche Sprache geführt hat. Nicht zuletzt aufgrund der Berufsorientiertheit italienischer Studiengänge (cf. Katelhön et al. 2013; Katelhön/Morlichio 2015) werden im Bereich der Germanistischen Linguistik verstärkt Lehrveranstaltungen mit kontrastiven Inhalten angeboten, was sich wiederum auf die Forschungsinteressen der in Italien tätigen Germanist:innen im Bereich von Sprachwissenschaft und Translatologie auswirkt.

Die hier versammelten Beiträge zeigen wichtige Tendenzen im aktuellen deutsch-italienischen Sprachvergleich, die die Entwicklungen innerhalb der Kontrastiven Linguistik im Allgemeinen sehr gut widerspiegeln. Zum einen zeigt sich, dass die Mehrheit der Beiträge datenbasiert vorhgeht, indem authentische Sprachbelege aus Korpora zu Rate gezogen werden aber zum anderen immer auch eine theortische Reflexion zur Wahl von Vergleichsverfahren und des Vergleichskriteriums (Tertium Compartationis, cf. Schweickard1995) erfolgt.

2 Überblick zu den Beiträgen

Vahram Atayan untersucht Adverbien der unmittelbaren Nachzeitigkeit des Deutschen und des Italienischen unter sprachvergleichenden und übersetzungsrelevanten Gesichtspunkten. Die unmittelbare Nachzeitigkeit kann in verschiedenen Sprachen durch unterschiedliche sprachliche Mittel ausgedrückt werden, wie Tempora, Verbalperiphrasen und vergleichbare Konstruktionen, Adverbien und Adverbialkonstruktionen, Adjektive etc. Die Wahl dieser verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten der Bezugnahme auf die unmittelbare Nachzeitigkeit hängt von syntaktischen, semantischen und pragmatischen Faktoren ab, die einzelsprachlich kodiert sind. Daraus ergeben sich komplexe Teiläquivalenzstrukturen, die Atayan in seinem Beitrag aufzeigt und für Kontrastive Linguistik und Translationswissenschaft nutzbar macht. Dabei stützt sich der Autor auf Korpora, die mithilfe statistischer Verfahren und manueller Annotationen untersucht wurden. Die Analyse typischer Verwendungskontexte der analysierten Adverbien gleich/subito und sofort/immediatamente in den zu Grunde liegenden Originalkorpora zeigt, dass zumindest partiell statistisch signifikante Zusammenhänge zu den Parametern Illokution und Handlungsträger bestehen. Atayan weist dabei ein Kontinuum von deutlicher Kommissivität bei gleich über relative Neutralität von subito hinsichtlich der Analyseparameter zu einer ausgeprägten Nicht-Kommissiviät bei immediatamente und sofort nach, Für weitere Marker der Nachzeitigkeit wie jetzt, umgehend, unverzüglich, unmittelbar im Deutschen sowie adesso/ora und fra/tra +X im Italienischen konnten z. T. typische Kontexte in der Verwendung aufgezeigt werden.

Anne-Kathrin Gärting-Bressan kontrastiert die italienische und deutsche Sprache, wie sie – mithilfe von Verben – auf konkrete, beobachtbare Aktionen referieren. Die Autorin stellt ein mehrsprachiges Onlinewörterbuch der Aktionsverben mit dem Titel IMAGACT vor, das im Internet frei zugänglich ist. IMAGACT ist korpusbasiert und wurde ausgehend vom Englischen und Italienischen erstellt. Die Autorin kontrastiert in ihrem Beitrag die im Wörterbuch durch kurze Videos dargestellten prototypischen Situationen der Verwendung von Aktionsverben der italienischen und deutschen Sprache und erläutert den Aufbau des vorgestellten Wörterbuchs. Erklärtes Ziel des Beitrages ist es, Lernenden und Übersetzer:innen, Hilfestellung zu bieten aber auch eine Datenquelle für weitere linguistische Forschungen zu bieten. Ihr Beitrag hat gezeigt, dass Aktionsverben für das Sprachenpaar Italienisch.Deutsch eine Herausforderung im L2-Erwerb, in der Übersetzung und für die Lexikographie darstellen können, da die Sprachen Italienisch und Deutsch in der Lexikalisierung von Aktionen typologisch differieren. Als exozentrische Sprache versprachlicht das Italienische Bewegungsereignisse bevorzugt ohne die MANNER-Komponente zu berücksichtigen in verbi generali, wohingegen das Deutsche als endozentrische Sprache die MANNER-Komponente nicht nur in Bewegungsverben, sondern auch in anderen Aktionsverben nahezu obligatorisch verbalisiert.

Nana-Lenna Stieber befasst sich mit der Aspektualität deutscher Partikelund Präfixverben. Die Polysemie dieser komplexen Verben im Deutschen wurde anhand eines kontrastiven Vergleichs zum Italienischen exemplifiziert. Die Autorin verwendet für ihre Analyse überwiegend Übersetzungsbelege, die hinsichtlich ihrer Aspektualität untersucht wurden, um als Verbildlichungsmechanismus für die facettenreiche Semantik im Deutschen herangezogen werden zu können. Dabei verwendet die Autorin ein onomasiologisches Modell zur Aspektualität und begründet ihre Überlegungen auf semantischen Kriterien. Ziel ist es, genauer zu beleuchten, welche Mechanismen den polysemen Entwicklungen im Deutschen zugrunde liegen. Stieber konnte nachweisen, dass im Deutschen eine deutliche Tendenz zur Polysemie der Partikelund Präfixverben besteht, die im Italienischen nicht vorhanden ist.

Federica Cognola und Manuela Caterina Moroni widmen sich einer syntaktischen Thematik. In ihrem Beitrag stellen sie Topiks im Italienischen und Deutschen dar und kontrastieren die syntaktischen Positionen des linken Randes des Mittelfeldes im Deutschen und die linke Satzperipherie im Italienischen. Dabei gehen sie der Frage nach, ob sich der in der Literatur häufig angenommene Parallelismus zwischen den beiden syntaktischen Positionen anhand von authentischen schriftlichen und mündlichen Daten aufrechterhalten lässt. Die sprachlichen Daten, die die Autorinnen in ihrer Untersuchung verwenden, sind sowohl schriftlicher als auch mündlicher Natur und wurden aus dem deutschen Referenzkorpus (DeReKo) und aus Gesprächen der Datenbank Gesprochenes Deutsch (DGD, FOLK) extrahiert. Die dergestalt extrahierten Eigenschaften der Topikpositionen im Deutschen wurden mit den aus der Literatur entnommenen Eigenschaften der italienischen linken Satzperipherie verglichen. Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede in den Verwendungsmöglichkeiten beider Sprachen: Während die linke Satzperipherie des Italienischen durch ihre äußerungsinitiale Lage und ihre mehrfache Besetzbarkeit dem geringeren Planungsaufwand der Spontansprache entgegenkommt und ihre Besetzung mit Topikkonstituenten somit der Natur nähesprachlicher Texte entspricht, stellt der linke Rand des Mittelfeldes der deutschen Sprache eine für die spontane Formulierung im Gespräch schlecht zugängliche Position dar. Die nachgewiesenen Unterschiede der Topikpositionen im Deutschen und Italienischen sind auf dies Phänomen zurückzuführen.

Gudrun Bukies unterzieht die lexikalisch-semantische Einheit ‚Gewicht‘ einer kontrastiven Analyse. Ziel des Beitrags ist es, die sprachliche Vielfalt in Verbindung mit dem Wortfeld ‚Gewicht‘ im Deutschen darzustellen und ihre italienischen Entsprechungen zu individualisieren. Diese Untersuchung stellt somit einen deutsch-italienischen Sprachvergleich auf lexikalischsemantischer Ebene im Zusammenhang mit der Größe ‚Gewicht‘ dar, die verwendete empirische Basis besteht aus Auszügen aus einsprachigen deutschen und italienischen Wörterbüchern, Nachschlagewerken und Textkorpora sowie aus zweisprachigen deutsch-italienischen Wörterbüchern. Anhand der extrahierten Belege weist die Autorin unterschiedliche Bedeutungskomponenten einiger Gewichtsbezeichnungen und ihrer Verwendung in den beiden Sprachen nach. Im Zusammenhang mit der Basisgröße ,Gewicht’ gibt es im Deutschen und im Italienischen eine Vielzahl von Bezeichnungen, die den unterschiedlichen Bedeutungen dieser Messgröße entsprechen. Unterschiede ergeben sich aus der Tatsache, dass im Deutschen allgemeinsprachlich nicht zwischen Gewicht und Gewichtskraft unterschieden wird, wohingegen im Italienischen eine Unterscheidung nachweisbar ist, je nachdem ob es sich um die Masse eines Körpers oder um die Gewichtskraft handelt.

Doris Höhmann widmet sich einer morphologischen Erscheinung. Ihr Beitrag versteht sich als korpuslinguistische Pilotstudie zur Verwendung von Komparativund Superlativformen besser.am besten.das Beste als Varianten in modalen Vergleichskonstruktionen. Die Autorin fasst diese sprachlichen Identitäten als pragmatische Marker in einer sprachübergreifenden Perspektive auf. Im Zentrum ihrer Analyse stehen ausgewählte Superlativund Komparativkonstruktionen an der linken Peripherie, die für den Ausdruck von Ratschlägen verwendet werden. Die Datenbasis besteht hauptsächlich aus vergleichbaren deutschen und italienischen Webkorpora als auch aus Parallelkorpora. Die Untersuchung der genannten Steigerungsformen und ihrer italienischen Entsprechungen auf der Grundlage authentischer Sprachvorkommen weist im innerund zwischensprachlichen Vergleich zahlreiche Ausdrucksvarianten nach. Die Analyse der Webkorpora, deren Zusammensetzung sich nicht nur auf schriftsprachliche Textbestände beschränkte, erlauben es der Autorin, in nähesprachlichen Konstrukten feinmaschige Gebrauchstendenzen herauszuarbeiten, die im Italienischen und Deutschen deutliche Unterschiede aufzeigen. Formal vergleichbare Konstrukte können im sprachlichen Handeln sowohl in Hinblick auf ihre lexikalische Füllung als auch hinsichtlich ihrer Frequenz starke Differenzen aufweisen.

Peter Paschke stellt hingegen unbestimmte Subjekte in seinem Beitrag heraus. Der Autor hinterfragt die in kontrastiven Grammatiken angenommenen Äquivalenzen zwischen deutschen Sätzen mit man und italienischen Sätzen mit si impersonale oder si passivante. Er weist nach, dass sich diese funktionale Gleichsetzung der Grammatiken als problematisch darstellt. Das von Paschke untersuchte Korpus setzt sich Examensarbeiten italienischer Studierender zusammen. Die von ihm herausgefunden Unterschiede betreffen die Darstellung der eigenen Rolle als Autor:in. Im Deutschen scheint es nicht möglich, mit man -auf die Sprecher:innenrolle zu referieren, während im gleichen Kontext das italienische si gut geeignet ist. Systematische Divergenzen zwischen dem Deutschen und Italienischen konnten bei der sprachlichen Bezugnahme auf einzelne, nicht näher bezeichnete Subjekte nachgewiesen werden. Während das deutsche man das Subjekt als anonym charakterisiert und niemals Hörer:in oder Sprecher:in inkludiert, kann das italienische si je nach Verbklasse als sprecher:innenausschließend oder als sprecher:innenreinschließend interpretiert werden. Neben man und si werden in diesem Beitrag weitere Formen unbestimmter Subjekte untersucht, so die nicht-anaphorischen Verwendungen des deutschen Personalpronomens der dritten Person Plural und des italienischen Nullsubjekts der dritten Person Plural als auch das unpersönliche Passiv im Deutschen.

Manuela Caterina Moroni und Ermenegildo Bidese stellen die deutsche Partikel auch und ihr italienisches Pendant anchein den Mittelpunkt ihres Beitrags. Aus semantischer Sicht vermitteln auch und anche in beiden Sprachen dieselbe additive Bedeutung: Durch sie wird ein Element, das als "Assoziationsbereich" bezeichnet wird, zu einer Liste weiterer Elemente hinzugefügt, für die der auch/anche-Satz gilt. Aus syntaktischer Sicht können auchund anche verschiedene Positionen im Satz einnehmen, indem sie die Art und den Umfang des Assoziationsbereichs modifizieren. Moroni und und Bidese gehen funktionsgeleitet vor. In der relevanten Literatur zu den beiden Partikeln konnten sie vier gemeinsame Funktionen bestimmen, die sie mit „Additivität“, „Satzverknüpfung“, „Fokusdomäne“ und „Modalität“ bezeichnet haben. In ihrer sprachvergleichenden Untersuchung weisen sie nach, dass diese sich in ihren Realisierungsformen im Deutschen und Italienischen unterscheiden und auf einem Kontinuum zunehmender Abstraktion angeordnet werden können. Die Ergebnisse ihrer empirischen Validierung für auch und anche auch im Bereich gesprochensprachlicher Phänomene zeigen Unterschiede sowohl in den syntaktischen Positionen als auch in textsortenspezifischen Verwendungen. Obwohl alle vier Funktionen für beide Partikeln vertreten sind, ist bei anche die additive Funktion eindeutig vorherrschend, da die italienische Partikel syntaktisch linksadjazent ist. Für auch zeigte die Untersuchung dagegen, dass die deutsche Partikel präferiert im Mittelfeld auftritt und somit nicht nur auf syntagmatischer, sondern auch auf textueller, pragmatischer und modaler Ebene operiert.

Lucia Cinato widmet sich einem translationswissenschaftlichen Thema. In ihrem Beitrag wird das Forschungsprojekt TRADIVARIO, „Soziogeographische Variation und Übersetzung: Strategien und Tendenzen beim Sprachpaar Deutsch-Italienisch“ vorgestellt. Ziel des Projektes ist es, Strategien und Tendenzen bei der Übersetzung belletristischer Texte zu untersuchen, die durch eine ausgeprägte soziolinguistische Schichtung gekennzeichnet sind. Für diesen Beitrag wählt Cinato exemplarisch den Roman Happy Birthday, Türke! von Jakob Arjouni (1985) mit seiner Übersetzung ins Italienische durch Maneri (1993) aus dem Korpus von TRADIVARIO aus. Die in der italienischen Übersetzung von Happy birthday, Türke benutzten Übersetzungsstrategien bestätigen laut Cinato beobachtbare Tendenzen in der aktuellen Übersetzungspraxis zur Übersetzung soziogeografischer Variation. Folgende Strategien konnten von der Autorin nachgewiesen werden: die Tendenz zur Standardisierung bzw. Einebnung der Sprachvariation, die Tendenz zur Verlagerung der diatopischen Markierung auf die diaphasische und diastratische Dimension als auch die Tendenz zur Reduzierung der funktionalen Phänomene zur Nachahmung des Gesprochenen bzw. deren Konzentration auf die lexikalische Ebene. Ziel des vorgestellten Projektes ist eine Erweiterung der Datengrundlage und anhand der im Korpus von TRADIVARIO versammelten Texte zu schaffen, um die Bandbreite der Strategien zur Wiedergabe von soziogeografischer Variation für die universitäre Übersetzungsdidaktik zu vergrößern und zu systematisieren.

Literaturverzeichnis

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Fußnote

* Wie bedanken uns herzlich bei Elke Hentschel für die Aufnahme des Themenheftes in die Zeitschrift. Ein besonderer Dank geht an Irene Acas für die gründliche Durchsicht und Formatierung der einzelnen Beiträge. Gedankt sei auch den Autor:innen dieses Themenheftes, denn ohne ihre interessanten Beiträge wäre diese Publikation nie zustande gekommen. Und nicht zuletzt möchten wir uns auch bei den zahlreichen Gutachter:innen bedanken, die durch ihre Anmerkungen erheblich zur Qualitätssicherung beigetragen haben.
1 Vom 25. bis 26. Oktober 2018 fand an der Università degli Studi di Milano die internationale Tagung „Kontrastiven Linguistik: Deutsch als Kontrastsprache“ statt. Die hier versammelten Beiträge sind im Rahmen der Mailänder Tagung entstanden.
2 Als wichtige Reihen zur Kontrastiven Linguistik Italienisch Deutsch (wir können hier jeweils nur den ersten Band der Reihe angeben) wären chronologisch gesehen die Bände aus der Parallela-Reihe zu nennen, die regelmäßige Treffen österreichischer und italienischer Sprachwissenschaftler:innen dokumentierten (cf. Dardano/Dressler/Held 1983), die Bände Perspektiven (Di Meola/Hornung/Rega 2005), die Bände aus den Reihen Deutsch international (Thüne/Ortu 2007) und Kontrastive Linguistik/Linguistica contrastiva (Giacoma 2012) Synthetische Überblicksdarstellungen finden sich u. a. in Auer (2001), Blasco Ferrer (1999), Bosco Coletsos/Costa (2013), Costa (2010), Nied Cucio (2008).
3 Hier sei nur exemplarisch Arbeiten zum italienisch-deutschen Sprachkontakt im Südtirol (Riehl 2004/2013; Dal Negro/Guerini 2007) und in der Schweiz (Berruto 1991) verwiesen. Besonders erwähnenswert sind die erste Kontrastive Grammatik des Italienischen von Schwarze (1988) und das im Südtirol konzipierte Projekt einer dreisprachigen Grammatik Deutsch-Ladinisch-Italienisch mit dem Titel Sprachen im Vergleich, das zum Ziel hatte, die drei Schulsprachen der autonomenen italienischen Region zu dokumentieren (Gallman/Siller-Runggaldier/Sitta 2007).
4 Verschiedene Untersuchungsprojekte zu ethnolektalen Varietäten des Deutschen führten zu wichtigen Publikationen in diesem Bereich. Stellvertretend für alle sei hier der umfassende Sprachvergleich von Figge/De Matteis (1982) genannt, der speziell dafür gedacht war, den Kindern der italienischsprachigen Gastarbeiter:innen die schulische Ausbildung zu erleichtern und den Lehrkräften das nötige Werkzeug dafür zur Verfügung zu stellen. In jüngster Zeit nehmen Arbeiten zu Herkunftssprachen diesen schulischen Aspekt unter erneuerten Vorzeichen wieder auf (cf. Bremer/Mehlhorn 2018).


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