Servicios
Descargas
Buscar
Idiomas
P. Completa
Aspektualität in deutschen Partikelund Präfixverben. Eine kontrastive Untersuchung zu ihrer Polyfunktionalität*
Nana-Lena Stieber
Nana-Lena Stieber
Aspektualität in deutschen Partikelund Präfixverben. Eine kontrastive Untersuchung zu ihrer Polyfunktionalität*
Linguistik online, vol. 111, núm. 6, pp. 65-88, 2021
Universität Bern
resúmenes
secciones
referencias
imágenes

Resümee: Prefix and particle verbs are part of a systematic way of expressing aspectual structures in German. This article proposes an aspectual analysis of German particle and prefixed verbs, regarding especially their polyfunctional characteristics, and will give a contrastive comparison with the Italian language. This can be useful given that Italian does not have developed a system of prefixes and particles as German has. Therefore, the Italian translations of German prefixed and particle verbs turn out to use different kinds of expressions, often of a periphrastic nature. This is seen here as an indication in favour of the strongly polyfunctional verbs in German. The aspectual comparison of both languages will be done using an onomasiological model of aspectuality, which allows the analysis of different kinds of expressions without using specific formal categories.

The first part of this article gives a short introduction and definition of the German verbs. Part two concerns the question of what aspectuality in German is, followed by part three, a quick overview of actual research in the field. Part four explains how a contrastive perspective may be helpful to discover and illuminate the polyfunctional German prefixed and particle verbs. Part five presents the empirical data used for the purpose of this work. Part six, then, contains the aspectual analysis of the German verbs in their given context. Every German example will be described and compared to its Italian translation. The article will close with a quick summary of the results, focussing especially on the usefulness of a contrastive approach.

Carátula del artículo

Artikel/Articles

Aspektualität in deutschen Partikelund Präfixverben. Eine kontrastive Untersuchung zu ihrer Polyfunktionalität*

Nana-Lena Stieber
Università degli Studi “La Sapienza” di Roma, Italia
Linguistik online, vol. 111, núm. 6, pp. 65-88, 2021
Universität Bern
1 Was sind Partikelund Präfixverben?

Partikelverben sind zunächst als komplexe Verben zu definieren. Das bedeutet, sie bestehen aus zwei Komponenten, die gemeinsam einen Verbalkomplex bilden. Dabei geht die Partikel dem Basisverb im Infinitiv immer voran. Allerdings ist dies in weiteren Satzarten und paradigmatischen Formen nicht immer der Fall. Hierin besteht eine Besonderheit der Partikelverben, sie sind sowohl syntaktisch als auch morphologisch trennbar. Syntaktische Trennbarkeit meint, dass Partikel und Basisverb in bestimmten Satztypen getrennt werden müssen. Bei der Trennung wird die Partikel an das Satzende versetzt, während das Basisverb die jeweils

reguläre Position des Verbs beibehält. Hierunter fällt beispielsweise der einfache Hauptsatz. Ein Hauptsatz mit DURCHFAHREN1 lautet dementsprechend Ich FAHRE DURCH und nicht *Ich durchfahre.2Morphologische Trennbarkeit meint, dass Partikel und Basisverb in paradigmatischen Formen getrennt werden. Hierunter fällt beispielsweise der Infinitiv mit zu oder der Imperativ, cf. FAHRE DURCH! und DURCHzuFAHREN. Bei der morphologischen Trennbarkeit werden die Partikelverben demnach durch das Hinzufügen weiterer Formen getrennt. Diese werden, anders als bei Simplizia, zwischen Partikel und Basisverb lokalisiert (cf. Schlotthauer/Zifonun 2008: 284f.).

Diese Besonderheiten haben in der Vergangenheit oftmals dazu geführt, dass kontrovers diskutiert wurde, ob es sich bei Partikelverben um Wörter oder Syntagmen handelt. Grund für diese Annahme ist die Feststellung, dass prototypische Wörter normalerweise nicht trennbar sind und auch den Einschub weiterer Formen nicht erlauben, wie hier beispielsweise zu. Das bedeutet, die Partikelverben zeigen zu Simplizia oder präfigierten Verben ein deutlich unterschiedliches Verhalten, wie beschrieben sowohl auf syntaktischer als auch paradigmatischer Ebene.3 Dennoch kann auch nicht abgestritten werden, dass Partikelverben eine semantische Einheit bilden. Dies wiederum ließe zu, sie als vollwertige Wörter zu kategorisieren (cf. ibd.: 279). Ich werde diesen Punkt hier nicht in der notwendigen Ausführlichkeit behandeln können. Dennoch möchte ich betonen, dass meiner Ansicht nach die semantische und in Teilen formale Kompaktheit dieser Art der Verben ausschlaggebend ist und betrachte sie daher als Wörter.4

Präfixverben hingegen können, wie der Name kenntlich macht, klar der Derivation zugesprochen werden. Sie sind Derivate. Es wird davon ausgegangen, dass diese Verben mittels eines Präfixes von einem Basisverb abgeleitet werden. Sie bestehen demnach aus einem Präfix, ein Affix, das vor dem Basisverb angehängt wird, und einem Basisverb. Damit zählen sie zu den Wörtern.

Partikel und Präfixe sind oftmals formal gleich. In einigen Fällen verbinden sie sich sogar mit dem gleichen Basisverb. Sie zeigen aber unterschiedliches morphosyntaktisches Benehmen, wie sich in den Beispielen zeigen wird. Aus diesen Gegebenheiten entstehen bekannte Paarungen wie beispielsweise umfahren und UMFAHREN, die wiederum folgende Beispielsätze ergeben können:

  1. 1. Ich FAHRE ihn UM.
  2. 2. Ich umfahre ihn.

In diesem Fall steht das Partikelverb in Beispiel 1, während Beispiel 2 auf einem präfigierten Verb basiert. Es wird hier deutlich, dass allein der Konstruktionsmechanismus entscheidenden Einfluss auf die Gesamtbedeutung zu haben scheint (cf. Dewell 2011 zu diesem Thema). Meine Untersuchung wird vor allen Dingen weiter beleuchten, dass die Kombination zwischen Partikel und Basisverb oder zwischen Präfix und Basisverb semantisch betrachtet durchaus vielseitig wirken kann.

2 Was ist Aspektualität im Deutschen?

Ein Sprecher kann einen Sachverhalt unter verschiedenen Gesichtspunkten perspektivieren. Wenn diese Perspektivierung dessen inneren, zeitlichen Ablauf beschreibt, dann wird von Aspektualität gesprochen. Dabei handelt es sich nach Dessì Schmid (2014) um eine abstrakte Inhaltskategorie, die sie folgendermaßen definiert:

Aspektualität ist die universale Inhaltskategorie, durch die die Sprecher die Art des Ablaufs und der Distribution eines Sachverhalts in der Zeit sprachlich strukturieren; sie beinhaltet jenen Komplex von Informationen, die sich auf die einem betrachteten Sachverhalt eigene, also vom Bezug zum Sprechzeitpunkt unabhängige, zeitliche Strukturierung beziehen.

(Dessì Schmid 2014 : 79, Definition 1)

Nun verwirklicht sich die Aspektualität nach Dessì Schmid (2014) in drei verschiedenen Perspektiven (oder Dimensionen). Einzeln aufgelistet finden sich hier: „externe Aspektualität“, „umgebungsbezogene Aspektualität“ und „interne Aspektualität“. Dennoch gehören immer alle drei Dimensionen zur aspektualen Beschaffenheit eines Sachverhaltes. Sie basieren aufeinander und hängen voneinander ab (cf. ibd.: 111f.). Zur Definition der Dimensionen schreibt Dessì Schmid Folgendes:

[…] Die Aspektualität [lässt sich] in drei Dimensionen, in drei Betrachtungsperspektiven[,] untergliedern: Die externe Aspektualität eines Sachverhalts oder aber seine absolute Abgrenzung[, das heißt ob er externe Grenzen aufweist]; die umgebungsbezogene Aspektualität eines Sachverhalts oder die Relevanz eines Sachverhalts für seine (direkte) Umgebung[, das heißt ob er das Ende oder den Anfang seiner direkten Umgebung darstellt]; die interne Aspektualität eines Sachverhalts oder aber seine weitere interne Unterteilung […][, das heißt ob er intern qualitativ unterschiedliche Momente aufweist oder nicht].

(Dessì Schmid 2014: 79)

Es ergibt sich hieraus, dass eine jede Dimension unterschiedliche Arten der zeitlichen Grenzsetzung behandelt, denn Aspektualität ist nach Dessì Schmid (ibd.: 105) nichts anderes als die zeitliche Delimitation eines Sachverhaltes. In der komplexen aspektualen Perspektivierung des Sachverhaltes fügen sich die drei Dimensionen letztendlich zusammen und ergeben so einen aspektualen Gesamtkomplex, der jede notwendige und mögliche Art der Grenzsetzung umfasst. Dabei ergeben sich folgende Untertypen der Dimensionen:

  1. 1. Externe Aspektualität: keine Abgrenzung, Abgrenzung, punktuelle Abgrenzung
  2. 2. Interne Aspektualität: interne Unterteilung, keine Unterteilung
  3. 3. Umgebungsbezogene Aspektualität: initialrelevant (der Beginn der nachfolgenden Umgebung wird strukturiert), finalrelevant (das Ende der vorhergehenden Umgebung wird strukturiert) und transformativrelevant (sowohl das Ende der vorherigen als auch der Beginn der nachfolgenden Umgebung werden strukturiert, eine Zustandsveränderung tritt ein; (rcf. ibd.: 110–115).

Aufgrund der Tatsache, dass es sich hier um rein onomasiologisch angelegte Kriterien handelt, können jegliche Formen der aspektualen Erscheinung analysiert werden. Dabei ist es nicht notwendig zu unterscheiden, ob es sich dabei um grammatischere oder lexikalischere Ausdrucksmittel handelt (cf. ibd.: 105). Daraus geht hervor, dass es sich hierbei um ein strikt monodimensionales Modell handelt. Monodimensionale Modelle nehmen zwischen den Kategorien des Aspektes und der Aktionsart keinerlei semantische Trennung vor, denn sie ist rein formal begründet (cf. ibd.: 49). Aspekt wird traditionell als die am Verb markierte morphologische Kategorie, Aktionsart als lexikalische Kategorie beschrieben. Damit sei der Aspekt grammatisch, die Aktionsart hingegen strikt lexikalisch und damit an den semantischen Gehalt des Verbs gebunden (cf. ibd.: 18–20). Wird angenommen, dass diese beiden Kategorien sich auch semantisch unterscheiden, spricht man von bidimensionalen Modellen.5 Dessì Schmid hingegen geht davon aus, dass alle sprachlichen aspektualen Formulierungen, die sich auf allen Ebenen der Darstellungen wiederfinden können, auf allein eine begriffliche Dimension zurückzuführen sind, entsprechend der Definition monodimensionaler Ansätze (cf. ibd.: 49)6. Vor allem aufgrund der Loslösung von formalen Grenzen und Kategorisierungen, eignet sich dieses Modell in höchstem Maße für den semantischen Vergleich zweier verschiedener Sprachen (cf. ibd.: 105).7 Damit eignet es sich ebenso für das hier bearbeitete Forschungsvorhaben. Insbesondere bei einer kontrastiven Analyse mit einer Sprache, die systemintern Unterschiede zeigt, wie das Italienische, ist es erforderlich mit semantischen, abstrakten Kriterien zu operieren. Sie garantieren, dass eine Entsprechung der aspektualen Strukturen der verschiedenen Formen garantiert werden kann. Darin besteht das Grundbedürfnis, die Ausdrucksmittel miteinander dann formal vergleichen zu können.

2 Der aktuelle Forschungsstand

Es soll nun geleistet werden, einen kurzen Überblick über die aktuellen Entwicklungen im behandelten Forschungsbereich zu geben. Diese Darstellungen betreffen lediglich die Aspektualität.

Die Forschung zur aspektualen Interpretation der Partikelund Präfixverben zeigt sich insgesamt durchwachsen. Das bedeutet, sowohl eine eindeutige Zuordnung von Partikel oder Präfix zu aspektualer Modellierung als auch die Annahme einer großen Kontextflexibilität gehen miteinander einher. Stiebels (1996), Lüdeling (1999) oder auch Mungan (1986) bauen in ihren Arbeiten eindeutige Verbindungen auf, die beispielsweise eine jeweilige Partikel recht eindeutig einem aspektualen Gehalt zuordnen. Dabei wird jedoch teilweise missachtet, dass Partikeln und Präfixe sich in verschiedenen Kontexten auch unterschiedlich verhalten und sich semantisch verschieden entfalten. Darauf macht beispielsweise Dewell (2011) in seiner ausführlichen Beispielbesprechung aufmerksam, ebenso betont Eichinger (2004b: 118) die Relevanz der kontextuellen Einbettung bezüglich der Partikelverben:

Zu recht, so lässt sich aus den vorgeführten Überlegungen resümieren, stellen die Partikelverben ein Beschreibungsproblem dar, das nur dann zu lösen ist, wenn man den satzund textorganisierenden Spezifika des Verbs ein hinreichendes Augenmerk gönnt. Aus ihnen erklärt sich auch die Vielfalt der Anbindungen […]

(Eichinger 2004b: 118)

Die Annahme einer direkten Korrespondenz zwischen Partikel/Präfix und semantischem Gehalt im Verbalkomplex basiert in erster Linie darauf, dass zwischen Ursprungsform und Partikel/Präfix eine sehr große Parallele, wenn nicht sogar Entsprechung, auf sowohl formaler als auch semantischer Ebene, gesehen wird: „The […] [given examples of particles and prefixes] all occur free in German, as prepositions, adverbs, or adjectives” (Lüdeling 1999: 13). In Teilen bestätigt dies auch Eichinger, wenn er auch keine direkte Entsprechung feststellt: „Auffällig bleibt aber […] die formale und semantische Analogie [der Partikel] zu bestimmten Präpositionen und Adverbien“ (Eichinger 2004a: 137). Hundsnurscher (1982) macht beispielsweise den relativen Charakter der verbalen Partikel im Deutschen deutlich:

Man kann […] nur sagen, daß die Partikel für die Verbalvorstellung einen meist lokativ bestimmten Rahmen schafft, eine feste inhaltliche Prägung vermag sie dem Verb aufgrund der Unselbstständigkeit ihrer Inhaltskomponenten nicht zu verleihen. Die Partikel ist eine synsemantische, keine autosemantische Größe.

(Hundsnurscher 1982: 7f.)

Hundsnurscher geht diesbezüglich in der Tat von einer Modellprägung aus, die er wie folgt beschreibt:

Das herrschende Prinzip in den Partikelverben der Gegenwartssprache scheint mir die Modellprägung zu sein. Wenn die freie Kombination von Partikel und Verb als zweier von Haus aus selbstständigen Größen die einzige Form der Produktivität des Systems gewesen wäre, so hätte sich nie eine solche Vielfalt von semantischen Positionen entwickeln können, wie sie heute das Bild beherrscht, denn der feste Kern der beiden Bestandteile müßte durch jedes Kompositum hindurch deutlich spürbar und verständniswirkend wirksam sein. Die Analysemuster wären an Zahl beschränkt geblieben und hätten sich nicht, wie es heute ist, durch ihr Überangebot gegenseitig als Verständnishilfen entwertet. Daß heute von synchronem Standpunkt aus eine genaue Ortsbestimmung einzelner Partikelverben oft nicht möglich ist, daß das Feststellen der lokativen Grundbedeutung so schwierig und wo es gelingt so wenig aufschlußreich für die individuelle Funktion des Partikelverbs ist, kann nach meinem Dafürhalten nur daran liegen, daß die freie Kombination von Partikel und Verb sehr früh in der Sprachgeschichte schon abgelöst wurde von der Modellprägung, die an verschiedenen Stellen des Systems und punktuell bei einzelnen Verben mit speziellen Bedeutungsnuancen und Kontexteinspannungen ansetzen konnte.

(Hundsnurscher 1982: 10f.)

Er verdeutlicht, dass die Partikelverben sicherlich auf individuellen Kombinationen zwischen Partikel und Verb basieren. Dennoch hat eine Weiterentwicklung stattgefunden, die es dem deutschen Sprachsystem erlaubt hat, eine Vielzahl an semantischen Bedeutungen im Bereich der Partikelverben zu gestalten (cf. Hundsnurscher 1982: 10f.). Das bedeutet, dass gerade keine eindeutige Zuordnung zwischen Partikel und semantischer Modellierung ausgemacht werden kann. Es kann nicht eindeutig festgelegt werden, welchen semantischen Beitrag eine Partikel im Verbalkomplex leistet. Hier muss von einer Flexibilität ausgegangen werden. Das bedeutet demnach auch, dass es der Partikel möglich sein muss, in verschiedenen Kontexten und in Kombination mit verschiedenen Basisverben, unterschiedliche Bedeutungen zu entwickeln. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass sich aus einer Ursprungsform mehrere semantische Wandel ableiten können und das Endergebnis keinesfalls von vorneherein festgelegt ist. Es ist demnach nachvollziehbar, dass Hundsnurscher (1982: 7f.) von „Synsemantika“ spricht. Diese These bestätigt sich in Teilen ebenfalls in Motsch (2004), auch für verbale Präfixe. Dort werden vorrangig verschiedene Sachverhaltstypen gegeben, unter denen wiederum die möglichen Ausdrucksmittel aufgelistet werden. Partikelverben mit DURCHbeispielsweise treten dort an mehreren Stellen auf und lassen demnach deutlich erkennen, dass eine strikte semantische Zuordnung nicht möglich zu sein scheint.8

Leiss (1992) hat ebenfalls eine ausführliche Besprechung der Partikelund Präfixverben geleistet. Auch sie bestätigt unter Bezug auf Lehmann (1988) und das Russische, dass die aspektuale Analyse der deutschen Verben flexibel bleiben muss. Die aspektuale Begrenzung, die ein Präfix oder Partikel in Kombination mit einem Basisverb bewirkt, ist nicht fest. Das bedeutet, sie kann Schwankungen unterliegen. Unterschiedliche aspektuale Schemata können entstehen (cf. Leiss 1992).

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei Dewell (2011), wie bereits angemerkt. Er gibt sowohl für die Partikelals auch die Präfixverben eine Vielzahl an Beispielen. Diese bestätigen bereits, dass das Deutsche eine verwirrende Menge an Bedeutungen bereitstellt. Dewell (2011) basiert seine Arbeit auf den kognitiven Mechanismen von Leonard Talmy (2000) und untersucht die Bedeutung der Partikeln und Präfixen von einem weitestgehend onomasiologischen Standpunkt aus. Darin ist es auch begründet, dass er zunächst recht allgemeine Definitionen der Präverben9 gibt, die weitläufigen Raum für Interpretationen zulassen. Die Definitionen sind schematisch. Er legt eine Grunddefinition der Partikel und Präfixe fest, die aus ihrer jeweiligen Ursprungsform abgeleitet werden. Diese Grunddefinition ist dann Basis für weitere semantische Umstrukturierungen. Ich möchte an dieser Stelle meiner eigenen Analyse in Teilen die möglichen Strukturierungen vorweggreifen. Das bedeutet, meine Untersuchung wird als kontrastiver Beleg für die bereits erforschten semantischen Inhalte dienen. Der Fokus soll dabei auf dem Gewinn liegen, der durch eine kontrastive Untersuchung herbeigeführt werden kann. Fokussiert werden hier nur die Formen, die auch für die eigene Analyse ausgewählt wurden.

Den Anfang macht durch-10 als Präfix. Bei Dewell findet sich exakt das präfigierte Verb, das auch hier zur Rate gezogen wurde. Es handelt sich dabei um durchschauen. Folgendes wird dargestellt:

Vision is normally construed as a kind of extending ray-like [figure] that moves in a straight line from the eye to a target. Such paths can be described as normal directed holistic durchpaths. There is a special construction with durchverbs though that seems to combine holistic directed penetration with multi-directional (or at least wave-like) permeating. For example, X-raying something (durchleuchten) means penetrating an exterior surface but then permeating and illuminating the interior space. A very similar but more abstract image describes gaining cognitive insight into something that is normally obscured. Durchschauen routinely describes “seeing through” a misleading facade to become aware of what lies beneath it, and durchblicken consistently expresses seeing through a complicated exterior and gaining understanding of a difficult matter.

(Dewell 2011: 194)

Es wird hier deutlich, dass er durchschauen in bestimmten Kontexten durchaus die Fähigkeit zuschreibt, eine sowohl direktionale als auch wellenförmige Verlaufsbewegung als innere Struktur eines Sachverhaltes zu verkörpern. Damit geht einher, dass es sich dabei um einen Sachverhalt handeln kann, der durch unterschiedliche Momente in seinem Inneren gekennzeichnet ist. Diese Art der aspektualen Struktur wird sich auch in der folgenden kontrastiven Analyse bestätigen. Ebenso zeigt sich aber auch, unter Bezugnahme auf die Sehfähigkeit des Menschen, dass eine solche durch-Konstruktion auch als ein punktuell begrenzter Sachverhalt verstanden werden kann. Dewell spricht im obigen Zitat von einem holistischen, direkten Pfad vom Auge des Betrachters zum fokussierten Gegenstand. Dieser Ablauf ist als für den Menschen selbst nicht mehr wahrnehmbar einzuschätzen11 und kann entsprechend eine punktuelle Begrenzung hervorrufen. So zeigen sich zweierlei Strukturierungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sowohl eine Durativität als auch eine punktuelle Begrenzung können sich auf Basis der Kombination zwischen dem Präfix durchund dem Basisverb schauen entwickeln, je nach kontextueller Einbettung. Dabei macht auch UMkeine Ausnahme. Bei Dewell (2011) findet sich in diesem Falle nicht das Partikelverb wieder, das hier gewählt wurde, jedoch ein damit semantisch eng verwandtes. In meiner Analyse wird SICH UMSCHAUEN behandelt werden, Dewell hingegen definiert SICH UMSEHEN näher:

The sentence with sich UMsehen in […] [„Sieh dich ruhig in meinem Zimmer um”]12 is obviously similar to the basic variants for lateral rotation insofar as it suggests that a person turns to face in new directions. Since lateral turning in place (sich UMdrehen) commonly occurs for the purpose of seeing what is behind us, it makes sense that the base verb might refer explicitly to looking rather than to turning. The construction with sich UMsehen is different however, in that it does not imply any particular single new orientation. […] [The example given above] does not mean that the person turns to look in the opposite direction; it means that the person continues to look around indefinitely in a variety of directions (typically moving from one item in the space to another).

(Dewell 2011: 100)

Es wird hier deutlich, dass SICH UMSEHEN mit einem Sachverhalt verknüpft wird, der das Betrachten verschiedener möglicher Punkte im Raum beschreibt. Damit handelt es sich um einen Sachverhalt, der intern unterschiedliche Momente aufweist. Er besteht aus unterschiedlichen Punkten in der Zeit, in denen verschiedene Handlungen ausgeführt werden. Die Gesamtheit dieser Handlungen ergibt den Sachverhalt des SICH UMSEHENs. Es ergibt sich aber ebenfalls, dass SICH UMSEHEN theoretisch auch als ein Sachverhalt perspektiviert werden kann, der eher eine punktuelle Begrenzung zulässt. Ich beziehe mich hierbei auf „[…] sich UMsehen […] is obviously similar to the basic variants for lateral rotation insofar as it suggests that a person turns to face in new directions” (Dewell 2011: 100). In diesem Fall wird ein Umwenden beschrieben. Das bedeutet, der dargestellte Sachverhalt meint den punktuellen Akt des Umdrehens, in dem keine weiteren, internen Unterteilungen ausgemacht werden können. In einem ähnlichen Zusammenhang kann auch SICH UMSCHAUEN gesehen werden. Eine solche Vermutung liegt vor allen Dingen aufgrund der Bestandteile des Partikelverbs nahe. Beide Varianten bestehen aus der gleichen Partikel und einem semantisch ähnlichen Basisverb. Schauen und Sehen beschreiben beide Sinneswahrnehmungen, dementsprechend können die oben aufgeführten Anmerkungen auch in Bezug auf SICH UMSCHAUEN angewandt werden. Das letzte Beispiel, das hier besprochen werden kann, betrifft die Partikel AUF-. Hierzu macht Dewell keine weiteren Aussagen. Hingegen finden sich bei Eichinger (2004b) Erklärungen zur Verwendung von AUF-:

Am Beispiel von [AUF-] konnte gezeigt werden, wie hier schon auf eine topologische […], eine dimensionale […] und eine andersgeartete adverbiale […] Beziehung zurückgegriffen wird, und dass sich eine Vielzahl von Verwendungen findet, die nicht einfach auf diese Basis zu beziehen ist. Vielmehr spielen hier verschiedene Variationsmöglichkeiten bei der Konstitution eines komplexen Prädikats herein, deren augenfälligste zweifellos Veränderungen der Schemakonstitution sind, die sich in eigenen Valenzverhältnissen und entsprechenden semantischen Verschiebungen niederschlagen. Davon leben [z. B.] stilistisch auffällige Verwendungen […] [,] die ja eben nicht stilistisch auffällig wären, entsprächen sie gänzlich der syntaktischen Konstruktion.

(Eichinger 2004b: 117)

Eichinger macht deutlich, dass insbesondere AUFvielschichtige semantische Entwicklungen aufzeigt. Dabei kann AUFin solchen Kombinationen auftreten, die eine Bewegung und eine Dauer implizieren, aber eben auch in solchen verbalen Konstruktionen, die eher topologischer Natur sind, beispielsweise Zustandsbeschreibungen (cf. Eichinger 2004b: 117).

Bisherige Untersuchungen haben, wie dargestellt, bereits eindrücklich gezeigt, dass Partikelund Präfixverben semantisch sehr komplex sind. Es ist nun erforderlich, diese Annahmen weiterhin auf stichhaltige Beweise zu gründen. Hierfür kann die kontrastive Linguistik Hilfestellung geben.

4 Was und wie trägt die kontrastive Linguistik dazu bei? – Zielführung

Es gab immer wieder Auseinandersetzungen mit dieser Thematik, die sich auf einen kontrastiven Vergleich stützen (cf. beispielsweise Böhm 2015 Deutsch – Französisch). Meines Wissens war dabei das ausschlaggebende Kriterium, dass es sich um eine Vergleichssprache handelt, die gerade nicht über die gleiche Systematik wie das Deutsche verfügt.13 In vielen Fällen handelt es sich dabei um die romanischen Sprachen, wie dies Böhm (2015: 19) deutlich macht. Er stützt sich auf die Fragestellung, wie das Französische die Übersetzung der deutschen Partikelverben handhabt.14 Dabei werden zahlreiche semantische Schemata ausgearbeitet und besprochen. Ich habe es mir bei meiner Ausarbeitung zum Ziel gesetzt, anhand des verwendeten Modells zunächst zu überprüfen, inwiefern sich die semantischen Schemata der Kontrastsprachen überlagern. Das Modell dient demnach als onomasiologisches Tertium Comparationis. Auf diesem Weg kann zunächst gewährleistet werden, dass aspektual der gleiche Inhalt strukturiert wird. Dann kann auf Basis der Ausdrucksformen in beiden Sprachen eine Beweisführung für die Polyfunktionalität der untersuchten Verben kontrastiv hergeleitet werden. Sie besteht dann, wenn eine Form mehrere aspektuale Schemata strukturiert, die in der Vergleichssprache unterschiedlich ausdrückt werden (cf. hierzu auch Dessì Schmid 2014: 105).

Das Ziel meiner Untersuchung besteht also darin, die Hypothese einer semantischen Bandbreite anhand des Italienischen zu überprüfen. Darunter ist nicht zu verstehen, dass das Italienische als Interpretationshilfe zur Rate gezogen werden soll. Vielmehr müsste es, sofern die deutschen Partikelund Präfixverben wirklich mehrere, aspektuale Bedeutungen verkörpern, im Übersetzungsvergleich unterschiedliche Formen anbieten. Diese Hypothese basiert auf der Beobachtung, dass das Italienische die deutschen Verben oftmals mit Hilfe von Verbalperiphrasen oder eindeutigeren syntaktischen Strukturen übersetzt. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich bereits in Böhm (2015). Es kann demnach angenommen werden, dass eine semantische Vielfalt im Deutschen dazu führt, dass das Italienische auf unterschiedliche Ausdrucksmittel und Formulierungen zurückgreift. Zwar gibt es auch im Italienischen etwas Ähnliches wie Partikelverben, die verbi con particella. Iacobini/Masini (2006) haben ausführlich zu dieser Thematik gearbeitet. Allerdings ist diese Systematik im Italienischen weit weniger ausgebaut als im Deutschen. Es ist daher davon auszugehen, dass sich in der Kontrastsprache eine heterogene Masse von Übersetzungen zeigen wird, worin ich die Hypothese als bestätigt annehme.

Ziel dieser Untersuchung kann es hier nicht sein, ein umfassendes Bild der Situation im Deutschen bereitzustellen. So soll der Fokus auf dem Vorteil der kontrastiven Untersuchung und den dafür notwendigen Mitteln liegen.

Insbesondere die formale Unsicherheit bezüglich der Partikelverben, ob sie nun Wörter oder Syntagmen sind, gestaltet die aspektuale Analyse und den Vergleich mit weiteren Sprachen schwierig, nicht zuletzt weil keine Zuordnung zu Aspekt oder Aktionsart stattfinden kann. Insbesondere Partikelverben vereinen sowohl lexikalischere als auch grammatischere Komponenten. Die Berufung auf bidimensionale Modelle, die formal und semantisch auf spezifische Kategorien begrenzt sind, führen notgedrungen sowohl bei der Analyse des Deutschen als auch beim Sprachvergleich zu Schwierigkeiten. Auf die Notwendigkeit eines Vergleichsmittels für die aspektuale Analyse, das rein semantisch arbeitet, machte bereits Dessì Schmid (2014) aufmerksam.15 Sie fasst die Vorteile einer solchen Perspektive für eine kontrastive Analyse zusammen:

Das gewählte Kriterium, das die Beschreibung, Analyse und Klassifikation der verschiedenen aspektualen Informationen ermöglicht, kreist folglich um ein Prinzip: das Delimitationsprinzip. Einerseits scheint ein solches Klassifikationskriterium semantisch allgemein und homogen genug, um den Bedürfnissen vergleichender Untersuchungen Rechnung zu tragen – also auch um als tertium comparationis auf einer vergleichenden übereinzelsprachlichen Ebene zu dienen. Andererseits ist es nicht so allgemein, dass es die Pluralität der aspektualen Inhalte – in der Pluralität der Phänomene, in der sie sich in den Einzelsprachen zeigen – nicht angemessen erfassen und beschreiben könnte.

(Dessì Schmid 2014: 105)

Das hier angewandte Modell bietet demnach den Vorteil, allgemein genug zu sein, um sprachübergreifend zu funktionieren, andererseits ist es detailliert genug, um der Vielfalt aspektualer Strukturen gerecht zu werden, die sich in den deutschen Partikelund Präfixverben wiederfinden kann. Meine Untersuchung stellt eine erste Anwendung dieses Modells im Bereich der Partikelund Präfixverben dar. Damit soll gezeigt werden, dass das Modell nach Dessì Schmid (2014) eine onomasiologische Basis bieten kann, die semantische Vielfalt der Partikelund Präfixverben zu erfassen und anhand eines kontrastiven Vergleiches zu zeigen, dass das Italienische diese Polyfunktionalität durch verschiedene Ausdrucksmittel auflöst.

Ich möchte mich hierbei insbesondere auf die Vorgehensweise fokussieren. Dabei lautet die These folgendermaßen: Wenn in den deutschen Verben unterschiedliche aspektuale Strukturen gefunden werden können, so müssen diese zunächst abstrahiert und analysiert werden. Das Gleiche muss ebenso mit den italienischen Übersetzungen geschehen. Liegen aspektual betrachtet die gleichen Strukturen vor und zeigt das Italienische heterogene Übersetzungen, kann das als weiterer Indikator für eine Polyfunktionalität der im Deutschen vorgefundenen Partikelund Präfixverben gewertet werden. Dabei kann der dafür notwendige Vergleich der aspektualen Strukturierungen nur auf einer abstrakten semantischen Ebene stattfinden. Es wird ein formunabhängiges Tertium Comparationis benötigt. In diesem Sinne ist diese Ausarbeitung als eine Beweisführung für die semantische Vielfalt der Partikelund Präfixverben zu verstehen. Außerdem kann sie dazu beitragen, zu erkennen, dass die deutschen Verben nicht zwingend eine formale Zuordnung zur Wortebene oder zur Syntax benötigen. Wie dies bereits Dessì Schmid (2014) anhand der Verbalperiphrasen zeigt und Schlotthauer/Zifonun (2008) auf Basis des widersprüchlichen Verhaltens der Partikelverben annehmen, gibt es sprachliche Ausdrucksmittel, die sich zwischen Lexikon und Syntax bewegen.16 Sie drücken Aspektualität aus, ohne einer spezifischen Kategorie zugeordnet werden zu können, die sowohl an formale als auch semantische Kriterien gekoppelt ist.

5 Die Datenbasis

Um die oben dargestellten Ziele zu erreichen, wurde mit Übersetzungen gearbeitet. Diese Wahl ist aus der kontrastiven Linguistik hinreichend bekannt und bietet gleich mehrere Vorteile.

Ausgewählt wurden Werke aus der Belletristik, in diesem spezifischen Falle Romane. Einbezogen wurden Bücher, die im Original auf Deutsch verfasst wurden. Um äußere Sprachbeeinflussungen zu minimieren, wurden nur solche Autoren eingebunden, die monolingual aufgewachsen sind und deren Muttersprache Deutsch ist. Ebenso wurden Schriftsteller aus der Schweiz oder Österreich nicht einbezogen. Obgleich sich die Standardvarietäten der genannten Länder nicht unterscheiden, können dialektale Einflüsse auch in der Schriftsprache nicht ausgeschlossen werden. Dabei ist es vor allem wichtig, die Textgattung zu beachten. Romane zeichnen sich durch eine oftmals mündlich orientierte Sprache aus, in der genannte dialektale Einflüsse durchaus einen stilistischen Wert haben. Daher wurde die Untersuchung vorerst auf Deutschland begrenzt, um diesen Effekt zu minimieren, wenn auch in diesem Fall dialektale Einflüsse nicht ausgeschlossen werden können. Die gleichen Kriterien wurden auch der Auswahl der Übersetzungen auferlegt.

Die spezifische Wahl der Romangattung ist durch die Tatsache begründet, dass in der Forschung im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass aspektreicheund aspektarme Textgattungen existieren. Aspektarm sind beispielsweise technische Fachtexte oder Gutachten. Als aspektreich hingegen gelten in erster Linie Erzählungen, die in den Romanen sicherlich eines ihrer besten Beispiele finden.

Um eine möglichst große Annäherung an die moderne Sprache zu finden, wurden lediglich Werke der letzten 15 Jahre berücksichtigt. Damit soll gewährleistet werden, dass die aktuelle sprachliche Situation begutachtet wird. Es handelt sich entsprechend um eine synchron angelegte Untersuchung.

Die Wahl moderner Werke bürgt allerdings die Gefahr, dass die meisten Romane lediglich ein Mal übersetzt wurden. Es ist daher nicht möglich, mehrere Übersetzungen miteinander zu vergleichen und so auch stilistische Einflüsse des jeweiligen Übersetzers miteinzubeziehen. Um diesen Effekt allerdings weitestgehend zu reduzieren, wurden auch bei der Wahl der Übersetzungen Begrenzungen vorgenommen. Darunter fällt in erster Linie die Verifizierung des jeweiligen Übersetzers. Dessen Qualität wurde von dessen Arbeitserfahrung, Bekanntheitsgrad und Anzahl an veröffentlichten Übersetzungen abhängig gemacht. Dazu zählt unter Anderem auch das Verlagshaus, das die entsprechenden Arbeiten herausgegeben hat. Um die Einflüsse der Stilistik, die bei Übersetzungen grundsätzlich eine Rolle spielen, bestmöglich zu umgehen, wurde mit größter Aufmerksamkeit darauf geachtet, dass kein Übersetzer doppelt oder mehrfach im verwendeten Korpus vorkommt. Lassen sich trotz dieser Begrenzungen Tendenzen und Leitlinien erkennen, nehme ich an, dass die Ergebnisse als für mein Vorhaben verwertbar eingestuft werden können. Auch die hier behandelten Beispiele, drei an der Zahl, stammen aus jeweils unterschiedlichen Werken, die von jeweils unterschiedlichen Übersetzern bearbeitet wurden.

Der gesamte Korpus wird rund 15 Werke umfassen, von denen hier allerdings nur einige wenige einbezogen werden können.

6 Die Analyse

Um die dargestellten Kriterien zu erfüllen, wird die Analyse nun folgendermaßen abgehandelt werden:

  1. 1. Es werden unterschiedliche Beispiele der gleichen Partikel und Präfixe in verschiedenen Verbalkomplexen gegeben werden;
  2. 2. die deutschen Beispiele werden aspektual auf der Basis des Modells nach Dessì Schmid (2014) analysiert; ihre Bedeutung wird entsprechend der in Dessì Schmid (ibd.) enthaltenen Schemata wiedergegeben und festgelegt;
  3. 3. die italienische Übersetzung wird bereitgestellt und ebenfalls aspektual untersucht werden, anhand der gleichen Vorgehensweise;
  4. 4. beide aspektualen Strukturierungen werden auf abstrakter, semantischer Ebene einander gegenübergestellt;
  5. 5. auf Basis der kontrastiven Ergebnisse wird begutachtet werden, ob die Arbeitshypothese bestätigt werden kann.

Dazu muss in erster Linie gegeben sein, dass sich die aspektualen Strukturen gleichen, die Ausdrucksmittel müssen sich im Italienischen jedoch unterscheiden. Ist dies nicht der Fall, kann sich das Italienische für die hier angestrebte Zielführung nicht eignen, denn dann wäre anzunehmen, dass das Italienische ebenso opake Strukturen aufweist wie das Deutsche.17 Der Sinn ist jedoch gerade eine Sprache auszuwählen, die durch den Mangel an solchen Strukturen dazu gezwungen ist, unterschiedliche Ausdrucksmittel anzuwenden, die wiederum als weiterer Indikator für die semantische Vielfalt des Deutschen gewertet werden können.

Ich möchte als erstes Beispiel18 das Präfixverb durchschauen näher unter die Lupe nehmen. Folgende zwei Beispiele aus Der amerikanische Investor von Jan Peter Bremer (2011) zeigen, dass sich hier unterschiedliche aspektuale Strukturen vorfinden lassen:

  1. 1. Mit einer List würde er das Flugzeug des amerikanischen Investors betreten, einer List von solcher Tücke, dass der amerikanische Investor sie erst durchschaute, wenn er sich längst wieder mit seinem Fallschirm verabschiedet hätte. Er durfte nämlich dem amerikanischen Investor gar keinen Brief schreiben. Der amerikanische Investor musste diesen Brief selbst schreiben. Seine Aufgabe bestand lediglich darin, den amerikanischen Investor von dem Vorhaben dieses Briefes zu überzeugen, von dem Wert, der Größe und der Schönheit dieses Vorhabens. Er musste ihn davon überzeugen, dass dieser Brief all seine bisherigen Wolkenkratzer wie Streichholzschachteln aussehen lassen würde, und zuletzt, wenn der Mut des amerikanischen Investors schon auf einen Tiefpunkt gesunken wäre, würde er verkünden, dass nur er, der amerikanische Investor selbst, diesen Brief schreiben könne. (Bremer 2011; Hervorhebungen hier und im Folgenden durch Autorin des vorliegenden Beitrags).

  2. 2. Er schüttelte den Kopf. Diese Lüge würde sie sofort durchschauen. Seine Frau war klug. Sie war klüger, als er es sich einzugestehen wagte. Alles, was sie tat, tat sie bewusst, und alles, was sie hörte, ordnete sie rasch und sorgfältig ein. Müsste er ihr darum nicht wieder etwas aus seiner Kindheit erzählen? Könnte er nicht auf sich weisen und, ohne sofort Mitleid erregen zu wollen, sagen, dass er derzeit wieder dieser kleine Junge sei, der, wie verloren, mit der juckenden Indianerperücke auf dem Kopf und dem Plastiktomahawk in der Hand, auf dieser maßlos weiten Wiese sitzt und mit seinen traurigen Augen in eine verschwommene Ferne schaut? (ibd.)

In beiden Fällen handelt es sich eindeutig um ein präfigiertes Verb mit dem Präfix durch-. Beispiel 1 gestaltet sich aspektual betrachtet folgendermaßen: Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass durchschauen hier das langsame Verstehen und schrittweise Durchdringen der angesprochenen List meint. Damit ergibt sich ebenfalls, dass hier zunächst von einem Sachverhalt auszugehen ist, der eine gewisse Dauer aufweist. Dementsprechend handelt es sich um eine Durativität. Die Vorstellung des langsamen Verstehens einer List schließt außerdem das Abwägen und Beurteilen der Geschehnisse mit ein. Diese Tatsache ergibt sich aus dem textuellen Kontext. Der gesamte Abschnitt erzählt davon, den amerikanischen Investor zum Schreiben eines Briefes zu bewegen. Es wird ebenfalls deutlich, dass gerade das Ziel dieser Tücke ist, dass er sie zu durchschauen beginnt und sie ihn so zum Nachdenken bewegt. Es kann, möchte ich annehmen, demnach davon ausgegangen werden, dass hier ein dynamischer Sachverhalt gemeint ist. Damit ist gemeint, nach dem Modell von Dessì Schmid (2014), dass sich qualitativ unterschiedliche Momente im Inneren des Sachverhaltes feststellen lassen. Diese Momente können beispielsweise darin bestehen, Gedanken aufzunehmen, sie abzuwägen, vielleicht darauf wieder fallen zu lassen und so langsam den Gesamtkomplex zu erfassen. Extern ist der Sachverhalt begrenzt. Dieses Phänomen lässt sich auf Textebene erklären, das Präteritum liefert diesbezüglich keine spezifischen Informationen. Der Erzähler spricht hier hypothetisch. Das bedeutet, er beschreibt eine Reihe an Sachverhalten, die so eintreten könnten. Dazu gehört auch, dass er zuerst in das Flugzeug steigt, der amerikanische Investor dazu bewegt wird, seine Handlung zu überdenken und er daraus resultierend letztlich diesen Brief schreiben wird. Dabei ist nicht weiter wichtig, ob das tatsächlich so eintreten wird. Es geht vorerst um die aspektuale Strukturierung, die der Erzähler der Geschichte auferlegt. Wenn der Sachverhalt extern begrenzt ist, kann er zudem umgebungsbezogen relevant sein. Das ist hier der Fall. Das Durchschauen, wenn auch hypothetisch, beeinflusst seine nachfolgende Umgebung, insofern sie deren Anfang darstellt. Dementsprechend gehe ich hier von einer Initialrelevanz aus. Es ergibt sich folgendes Schema:


Abbildung 1
DS 619(Dessì Schmid 2014: 140)

Anders gestaltet sich die Lage beim zweiten Beispiel mit durchschauen. Der konkrete Satz lautete Diese Lüge würde sie sofort durchschauen. Hier wird ein Sachverhalt perspektiviert, der ohne weitere Probleme mit ‚verstehen, kapieren‘ paraphrasiert werden könnte. Es handelt sich darum, dass die Frau, wie dies auch im Text dargestellt wird, sofort versteht, was vor sich geht. Dabei ist kein Prozess des Überlegens und Durchdenkens gemeint, sondern die sofortige Gewissheit über die Situation. Entsprechend dieser Darstellung nehme ich hier eine punktuelle Begrenzung des Sachverhaltes an, die auf Basis des lexikalischen Gehaltes des Verbs in seinem Kontext entsteht. Die morphologische Markierung ist auch hier nicht ausschlaggebend. Aus der punktuellen Begrenzung ergibt sich wiederum, dass keine interne Unterteilung im Sinne einer Dynamis verfolgt werden kann (cf. Dessì Schmid 2014: 134). Dessì Schmid (2014: 134) basiert dies auf rein logischen Gründen. Sofern keine Dauer eines Sachverhaltes nachgewiesen werden kann, können sich in ihm auch keinerlei interne Unterteilungen wiederfinden.20 Ebenso ergibt sich umgebungsbezogen keine Relevanz. Das Durchschauen der Gedanken des Ehemannes stellt in diesem Fall weder den Anfang noch das Ende seiner nachfolgenden und vorhergehenden Umgebung dar. Es ergibt sich folgendes Schema:


Abbildung 2
DS 8 (Dessì Schmid 2014: 141)

Bei zwei Beispielen für durchschauen haben sich zwei unterschiedliche aspektuale Strukturen ergeben. Wichtig ist hierbei vor allen Dingen, dass der Sachverhalt einmal eine interne Unterteilung erlaubt, während er im nächsten Fall punktuell strukturiert ist. Darin besteht der wahrscheinlich größte Unterschied der beiden Perspektivierungen.

Zu überprüfen gilt nun, wie die italienischen Übersetzungen diese Tatsache handhaben. Es konnten folgende Übersetzungen in L’investitore americano, der entsprechenden Übersetzung des deutschen Buches, gefunden werden:

  1. 3. Con uno stratagemma sarebbe salito sul suo aereo, uno stratagemma di tale astuzia che lo avrebbero scoperto solo quando lui già da tempo stava planando con il paracadute. Altro che scrivere una lettera all’investitore americano. Sarebbe stato l’investitore americano a scriverla. Lui doveva semplicemente persuaderlo del valore, dell’importanza e della bellezza di quel progetto. Lo doveva convincere che, in confronto, tutti i suoi grattacieli sarebbero sembrati scatole di fiammiferi. E alla fine, dopo avergli atterrito il cuore, avrebbe annunciato che nessun altro poteva comporre una lettera del genere. (Bremer 2013).

  2. 4. Scosse il capo. Non si sarebbe lasciata ingannare da quella menzogna. Sua moglie era intelligente. Più intelligente di quanto lui non osasse confessarsi. Tutto ciò che faceva lo faceva con grande consapevolezza, e tutto ciò che sentiva lo ripartiva rapidamente e con cura in un sistema di pensiero. Non doveva forse raccontarle ancora qualcosa della sua infanzia? Non poteva additarsi a esempio e, senza per questo voler suscitare compassione, confessare che in quel periodo lui era tornato a essere il ragazzino che un tempo sedeva sperso, con la parrucca da indiano che gli graffiava la testa e il tomahawk di plastica in mano, su quel prato smisuratamente largo e con gli occhi tristi a guardare una lontananza sfocata? Non poteva dirle che mai dal buon umore e dalla gioia strabordante gli era nata un’idea, ma sempre e solo dal loro esatto contrario? O forse non voleva saperne di tutto ciò? (ibd.)

Auch im Italienischen zeigt sich in Beispiel 3, das die Übersetzung zu Beispiel 1 liefert, dass hier zunächst rein hypothetisch erzählt wird. Wir finden hier das Verb scoprire. Es ist in diesem Zusammenhang mit einem Sachverhalt des Enthüllens zu verbinden. Das bedeutet, gemeint ist hier nicht die tendenziell übliche Übersetzung ‚entdecken‘, sondern vielmehr das Aufdecken und schrittweise Nachvollziehen der auferlegten List. Das Tempus und der damit markierte Aspekt dient zunächst dazu, neben den kontextuellen Faktoren, den Sachverhalt extern zu begrenzen. Eine Durativität wird dadurch aber nicht ausgeschlossen. Auch hier beginnt diese Abfolge mit der List, die nach und nach durchdrungen wird und letztlich den Investor dazu bewegt, den angesprochenen Brief zu schreiben. Das Durchschauen der List stellt genauer genommen den notwendigen Denkanstoß und Reifungsprozess der Idee des Briefes dar. Es folgt daraus, dass wir zum Einen auch hier eine Abgrenzung vorfinden, die, in Teilen wie oben, durch den hypothetischen Abfolgecharakter des Textabschnittes gekennzeichnet ist, sicherlich aber auch durch die morphologische Aspektmarkierung, die das Italienische zur Verfügung hat. Zum Anderen lassen sich auch hier im Inneren des Prozesses qualitativ unterschiedliche Momente erahnen, demnach eine Dynamis. Bezüglich der umgebungsbezogenen Relevanz zeigt sich die gleiche Situation wie auch im Deutschen. Diese Tatsache basiert auf dem gemeinsamen Kontext der Beispiele. Es handelt sich entsprechend um eine Initialrelevanz.

Bei Beispiel 4, die Übersetzung von Beispiel 2, steht Non si sarebbe lasciata ingannare da quella menzogna. Es wurde im Deutschen eine punktuelle Abgrenzung, keine interne Unterteilung und eine umgebungsbezogene Nicht-Relevanz angenommen. Die Tatsache, dass der Übersetzer hier non lasciarsi ingannare als Pendant zu durchschauen angesetzt hat, ist bezeichnend. Non lasciarsi ingannare beschreibt eine Entscheidung, nämlich die Entscheidung und das damit verbundene Wissen, dass das Gegenüber Lügen erzählt. Hier ist insbesondere die Negation von großer Relevanz (cf. hierzu Dessì Schmid 2014: 100). Es wird ein präziser Punkt in der Zeit beschrieben, der durch das Ablehnen der Lügen gekennzeichnet ist. Demnach nehme ich auch hier eine punktuelle, externe Begrenzung an, die zudem durch den markierten Aspekt ergänzt wird. Wie im Deutschen ergibt es sich hier auch aus dieser Abgrenzung, dass eine interne Unterteilung nicht geleistet werden kann. Nachdem der textuelle Kontext ebenfalls identisch ist, ergibt sich auch hier, dass der Sachverhalt umgebungsbezogen nicht relevant ist. Er strukturiert weder das Ende seiner vorherigen, noch den Beginn seiner nachfolgenden Umgebung zeitlich.

Es zeigt sich, dass das hier angewandte Modell, wie das bereits Dessì Schmid (2014) an mehreren Stellen deutlich macht, zunächst dazu eignet, Strukturen unterschiedlichster Art aspektual zu analysieren. Dabei ist es nicht notwendig, formale Entscheidungen zu treffen. Es handelt sich hier ausschließlich um eine nähere Betrachtung der Semantik, die alle Faktoren miteinbezieht, die aspektual relevant sind. Das zeigte sich in den behandelten Beispielen durch die Relevanz der Textebene, aber auch durch den Einfluss der Negation, die im eigentlichen Sinne keine aspektualen Informationen ausdrückt.21 Die deutschen Beispiele und die italienischen Übersetzungen haben die gleiche aspektuale Analyse ergeben. Während jedoch im Deutschen das gleiche Präfixverb verwendet wird, weist das Italienische zwei vollkommen unterschiedliche Ausdrucksformen auf. Diese sind jeweils wiederum mit unterschiedlichen aspektualen Perspektivierungen verbunden. Ein solcher Fund ist bezeichnend. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Heterogenität dadurch begründet ist, dass das Italienische auf andere aspektuale Strukturierungen zurückgreift, die seinem Sprachsystem eher entsprechen. Beide Strukturen überlagern sich, das Deutsche, im Gegensatz zum Italienischen, weist hier jedoch eine Polyfunktionalität auf. Die Tatsache, dass das Italienische diese Polyfunktionalität durch unterschiedliche Ausdrucksmittel (morphologisch und lexikalisch) löst, bestätigt dies.

Die nächsten Beispiele betreffen das Partikelverb AUFHALTEN und stammen aus Blumenberg von Sibylle Lewitscharoff (2013a). Auch hier lassen sich interessante Unterschiede feststellen. Die deutschen Beispiele lauten folgendermaßen:

  1. 1. 5. Sprach’s, und trat wieder in die Pedale. Er war alarmiert, stand wie verhext da, wußte kein Mittel, wie sie aufhalten, schon war sie zu weit weg, um im Laufen eingeholt zu werden. In der menschenleeren Stadt zeigte sich kein Taxi, das er hätte heranwinken können, um hinter ihr herzufahren. Ein Schild, auf das er zulief, weil er es von weitem für das Zeichen eines Taxistandes hielt, entpuppte sich von nahem als eine Anzeigetafel der Firma Löwenbräu. (Lewitscharoff 2013a)
  2. 2. 6. Sein Teppichlöwe war nicht aus schwarzem Eisenguß. An der Mähnenhaftigkeit seiner Mähne gab es nichts auszusetzen. Ein wirkliches Zwiegespräch zwischen ihm und dem Löwen war bisher unterblieben, obwohl sie sich stets in Hörweite voneinander aufhielten. Der Löwe öffnete nicht das Maul und sprach Königsworte in rauhtönendem Hochdeutsch. Allerdings gähnte er hin und wieder. (ibd.)

Beispiel 5 unterscheidet sich auch hier aspektual von Beispiel 6. In Beispiel 5 meint AUFHALTENeinen eher dynamischen Sachverhalt. Beschrieben wird eine Handlung, die die andere Personen daran hindert, sich zu entfernen. Entsprechend muss hier eine Dynamis angenommen werden. Es kann hingegen nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Stasis oder gar eine punktuelle Begrenzung handelt. Der Sachverhalt des Aufhaltens lässt qualitativ unterschiedliche Momente in seinem Inneren erkennen und entspricht damit der Definition eines dynamischen Sachverhaltes. Zu diesen qualitativ unterschiedlichen Momenten in der Zeit kann beispielsweise das Schreien, Sprechen oder Festhalten gehören. All diese Dinge können Teil des AUFHALTENs sein. Unterstützt wird dies auch durch die Formulierung wußte kein Mittel. Extern hingegen möchte ich annehmen, dass der hier behandelte Sachverhalt nicht abgegrenzt ist. Seine Anfangsund Endgrenze werden in diesem kontextuellen Zusammenhang nicht perspektiviert. Das Beispiel enthält keinerlei lexikalische oder morphologische Marker, die Rückschlüsse darauf zulassen würden. Das mag damit zusammenhängen, dass der Sprecher hier keine konkrete Handlung meint, sondern von seinen Gedankengängen und Vorstellungen im entsprechenden Moment erzählt. Entsprechend dieser Analyse kann der Sachverhalt auch umgebungsbezogen nicht weiter relevant sein. Auch hier kommen logische Gründe ins Spiel. Nach Dessì Schmid (2014: 132) wird angenommen, dass keine Umgebung definiert werden kann, wenn keine externe Grenze gegeben ist. Demnach ist es hier nicht möglich, eine Umgebungsrelevanz anzunehmen. Folgendes Schema fasst diese Analyse zusammen:


Abbildung 3
DS 2 (Dessì Schmid 2014: 139)

In Beispiel 6 findet sich eine reflexive Form wieder, SICH AUFHALTEN. Die aspektuale Struktur ändert sich beträchtlich. Hier wird beschrieben, dass sich Löwe und Blumenberg im gleichen Raum befinden, am gleichen Ort sind. Allerdings handelt es sich hierbei um eine einfache Zustandbeschreibung, demnach kann gerade keine Dynamis angenommen werden. Jeder Zeitmoment im Inneren des Sachverhaltes ist gleich, solange der Sachverhalt anhält. Dies spiegelt sich im Adverb stets wieder, ist aber auch durch die reflexive Struktur des Verbs begründet. Der Sachverhalt erstreckt sich über eine unspezifische Dauer, das bedeutet, er ist als durativ zu kategorisieren. Es ergibt sich ebenso, wie im vorherigen Beispiel, dass extern eine Nicht-Abgrenzung anzunehmen ist, denn Ende und Anfang des Sachverhaltes sind nicht Teil der Perspektivierung. Auch hier gilt, was bereits kurz erwähnt wurde. Das bedeutet keinesfalls, dass sich der Löwe und Blumenberg ununterbrochen nebeneinander aufhalten oder dieser Zustand niemals ein Ende findet. Fokussiert wird diese Tatsache hier jedoch nicht und ergibt sich auch nicht aus der kontextuellen Einbettung. Auch hier trifft zu, dass ohne eine externe Abgrenzung keinerlei Umgebung festgemacht werden kann. Dementsprechend kann der Sachverhalt umgebungsbezogen nicht relevant sein. Der Sachverhalt kann durch folgendes Schema dargestellt werden:


Abbildung 4
DS 1 (Dessì Schmid 2014: 139)

Der Unterschied der beiden Schemata besteht hier nur darin, dass AUFHALTEN einmal als dynamisch, einmal als statisch perspektiviert wird. Im zweiten Fall scheint sich diese Analyse in Zusammenhang mit dem Reflexivpronomen sichstabilisiert zu haben. Das kann allerdings hier nur eine Annahme bleiben. Fakt ist, dass sich bedeutende, aspektuale Unterschiede erkennen lassen.

Nach meiner Arbeitshypothese müsste sich diese Differenzierung im Italienischen deutlich niederschlagen. Es ergibt sich in der italienischen Version von Blumenberg Folgendes:

  1. 7. Disse, e spinse di nuovo sui pedali. Era preoccupato, rimase lì fermo come stregato, non gli venne in mente nessun modo per fermarla, lei era già troppo lontana per essere raggiunta correndo. Nella città deserta non si scorgeva nessun taxi a cui poter fare un cenno per inseguirla. Un segnale, verso cui era corso perché da lontano gli era sembrato un’insegna del posteggio per taxi, si rivelò da vicino essere un cartellone della ditta Löwenbräu. (Lewitscharoff 2013b)

  2. 8. Il suo leone sul tappeto non era di ferro scuro. Sulla rappresentatività della sua criniera non c’era da discutere. Un vero colloquio tra lui e il leone finora non c’era stato, anche se erano costantemente a distanza d’orecchio l’uno dall’altro. Il leone non apriva le fauci per pronunciare parole da re in alto tedesco, dal tono ruvido, ma ogni tanto sbadigliava. (ibd.)

In Beispiel 7, die Übersetzung zu Beispiel 5, wurde das Verb fermare verwendet. Interessanterweise macht das Italienische hier auch durch den Kontext deutlich, dass es sich um einen dynamischen Sachverhalt handelt. Kurz vor fermare finden wir non gli venne in mente nessun modo. Das bedeutet demzufolge, dass fermare hier als ein Sachverhalt zu verstehen ist, der auf unterschiedliche Weise, durch unterschiedliche Handlungen ausgeführt werden kann. Das bedeutet aber auch, dass diese Handlung, wie auch immer sie aussieht, durch interne, unterschiedliche Momente gekennzeichnet ist. Bezüglich der externen Abgrenzung und der Umgebungsrelevanz liefert der Kontext die gleichen Informationen, die bereits bezüglich des Deutschen diskutiert wurden. Dementsprechend werden sie hier nicht nochmals aufgeführt. Ebenso tritt hier auch keine morphologische Markierung ein, die diesbezüglich Informationen liefert.22

Beispiel 8 hingegen, die Übersetzung zu Beispiel 6, findet ein sehr deutliches Ausdrucksmittel für die statische Beschaffenheit des Sachverhaltes. Darunter fällt in erster Linie die Verwendung der Kombination essere a distanza. Essere a distanza wird eindeutig verwendet, um einen Zustand zu beschreiben. Es handelt sich nicht um einen Ablauf, der durch verschiedene Momente gekennzeichnet ist. Hingegen betrifft dies ein andauerndes Positionsverhältnis, das in jedem Punkt gleich ist. Unterstrichen wird diese Tatsache weiterhin durch die Einbindung des Adverbs costantemente. Die Betonung einer Konstanten vernachlässigt die Idee einer Dynamis. Die periphrastische Struktur im Italienischen bringt die zugrundeliegende aspektuale Struktur deutlicher an die Oberfläche, als dies im Deutschen auf den ersten Blick der Fall ist. Extern kann der Sachverhalt auch hier nicht abgegrenzt werden, begründet durch die morphologische Markierung des Imperfekts mit seinem aspektualen Gehalt der Nicht-Abgrenzung. Der Kontext gibt ebenso keine Auskunft darüber, wann und ob der Zustand zeitlich begrenzt wird. Dementsprechend kann auch hier umgebungsbezogen keine Relevanz angenommen werden.

Es zeigt sich hier noch deutlicher als im vorherigen Beispiel, dass das Deutsche eine durchaus beträchtliche Polyfunktionalität aufzuweisen scheint. Diese findet ihre Bestätigung durch die sehr heterogene Versprachlichung im Italienischen. Das Italienische hat hier nicht, wie das Deutsche, die Möglichkeit, auf ein polyfunktionales Verb zurückzugreifen. Stattdessen sind lexikalisch unterschiedliche sprachliche Mittel notwendig, um dem aspektualen Gehalt, der im Deutschen ausgedrückt wird, gerecht zu werden. Diese werden durch die entsprechenden Aspektmarkierungen ergänzt. Dem folgt, dass auch diese Beispiele zum Vorteil meiner Annahme ausfallen.

Um einen möglichst weiten Einblick in diese Untersuchung zu geben, möchte ich noch ein drittes Beispiel heranziehen. Hierbei handelt es sich um zwei Erscheinungen der Partikelverben mit UM-. Dabei wurde das Verb SICH UMSCHAUEN gewählt, das eine sehr interessante Verschiebung zeigt. Folgende Beispiele wurden herausgegriffen:

  1. 9. Süden ging in seinem Wohnzimmer auf und ab.

    “Der Hinweis, den wir bekommen haben“, sagte Birgit Hesse, machte eine Pause und senkte die Stimme. “Ich glaub nicht, dass der uns weiterbringt, aber zwei Kollegen sind jetzt trotzdem vor Ort und schauen sich um.“

    Süden schwieg, wechselte das Telefon ans linke Ohr. Aus stumpfer Gewohnheit, der er seit zwei Tagen unbemerkt verfallen war, hatte er vom Handy aus im Kommissariat 14 angerufen anstatt vom Festnetz.“ (Ani 2012)

  2. 10. “Hab mich nämlich gefreut, meine Schwester wiederzusehen“, sagte Paula und lächelte immer noch. “Sie hat mich ja nie besucht in all den Jahren, kein einziges Mal. Am Anfang war mir das egal, ich wollte bloß raus aus München und weg und mich nie mehr umschauen. Haben Sie so was schon mal erlebt? Sie wollen sämtliche Brücken abbrechen und sogar bestimmte Erinnerungen auslöschen, innerlich werfen Sie Ihr altes Leben weg wie einen von Motten zerfressenen Mantel. […]“ (ibd.)23

Zunächst finden wir hier ein recht typisches Auftreten der Partikelverben. Beispiel 9 zeigt die klassische syntaktische Trennbarkeit. Darunter wird im Allgemeinen verstanden, dass Partikel und Verb in bestimmten Satztypen getrennt werden. Dabei kehrt sich die Reihenfolge um. Das Verb wird als erstes gesetzt, während die Partikel an das Ende des Satzes gerückt wird.24

Aspektual lassen sich auch hier deutliche Unterschiede erkennen. In Beispiel 9 ist meiner Ansicht nach zunächst anzunehmen, dass es sich um einen durativen Sachverhalt handelt. Auch hier tritt die reflexive Form des Partikelverbs auf. SICH UMSCHAUEN bedeutet hier konkret das Durchsuchen und Inspizieren eines Raumes. Damit ist aspektual betrachtet nicht nur eine gewisse Dauer verbunden, sondern gleichermaßen eine Dynamis. Das bedeutet, es lassen sich im Inneren des Sachverhaltes qualitativ unterschiedliche Momente feststellen, die einander nicht gleichen. In diesem Fall kann darunter beispielsweise das Verrücken von Gegenständen, das Herumlaufen oder Anheben von Gegenständen verstanden werden.25 All diese unterschiedlichen Teilhandlungen sind Teil des großen Ganzen SICH UMSCHAUENs. Extern ist der Sachverhalt nicht abgegrenzt. Es wird weder seine Anfangsnoch seine Endbegrenzung fokussiert. Aus der sprachlichen Äußerung kann nicht abgelesen werden, ob und wann der Sachverhalt beendet wird oder angefangen hat.26 Daher gilt auch hier, wie in den Beispielen vorher, dass ohne externe Grenzen auch keine Umgebung festgemacht werden kann, für die der Sachverhalt zeitlich relevant wäre. Es ergibt sich daher folgendes Schema:


Abbildung 5
DS 2 (Dessì Schmid 2014: 139)

Anders gestaltet sich die Situation in Beispiel 10. Auch hier tritt die reflexive Form SICH UMSCHAUEN auf. Allerdings gehe ich hier von einer externen punktuellen Begrenzung aus. Sie entsteht jedoch lexikalisch. Das ergibt sich folgendermaßen: SICH UMSCHAUEN meint hier keinen Prozess, der eine Dauer aufweist. SICH UMSCHAUEN beschreibt hier vielmehr eine Konfrontation mit der Vergangenheit, die der Betroffene hier vermeiden will. Ich möchte annehmen, dass dieser semantische Inhalt wiederum aus der Tatsache abgeleitet wird, dass SICH UMSCHAUEN auch im Sinne von SICH UMDREHEN verstanden und verwendet werden kann.27 Ein Umdrehen wiederum steht in direkter Verbindung mit dem Gedanken, dem, was sich hinter dem eigenen Rücken befindet, ins Gesicht zu sehen, sich mit ihm auseinanderzusetzen.28Dabei ist die Konfrontation, die hier vermieden wird, punktuell begrenzt. Es wird der Moment perspektiviert, der diese Auseinandersetzung hervorrufen soll, jedoch nicht ausgeführt wird. Perspektiviert wird die Entscheidung, sich dem Vergangenen gegenüberzustellen, oder dies, wie hier, eben nicht zu tun. In diesem Falle hat die Negation ebenfalls Einfluss auf die aspektuale Struktur. Wie dies bereits besprochen wurde, ergibt sich aus einer punktuellen Begrenzung automatisch, im hier verwendeten Modell, dass keine internen Unterteilungen stattfinden können. Es ist hier allerdings gegeben, dass ich eine umgebungsbezogene Transformativrelevanz annehmen möchte. Das bedeutet, der perspektivierte Sachverhalt strukturiert die ihm nachfolgende Umgebung, indem er ihren Anfang darstellt, und die ihm vorhergehende, indem er ihr Ende strukturiert. Dessì Schmid (2014: 130)29 spricht in diesem Zusammenhang von einem zustandsverändernden Sachverhalt. Das trifft im ausgewählten Beispiel zu. Die Entscheidung einer Konfrontationsvermeidung strukturiert das Ende des alten Lebens und gleichermaßen den Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Es ergibt sich demnach folgendes Schema:


Abbildung 6
DS 11 (Dessì Schmid 2014: 141)

Das Italienische kommt diesen unterschiedlichen Strukturen nach. In der Übersetzung finden sich folgende Ausdrucksmittel:

  1. 11. “Süden camminava avanti e indietro per il soggiorno di casa. L’indicazione che abbiamo ricevuto,” rivelò Birgit Hesse, per poi fare una pausa e abbassare la voce, “non credo ci porti a nulla, ma due colleghi sono comunque sul posto per dare un’occhiata”. Il detective tacque e si passò il telefono all’orecchio sinistro. Per un’ottusa abitudine di cui senza accorgersene da due giorni era diventato schiavo, aveva chiamato il commissariato 14 dal cellulare invece che dalla rete fissa. (Ani 2016)

  2. 12. “Cioè, ero contenta di rivedere mia sorella,” spiegò Paula ancora con il sorriso sulle labbra. “Non mi è mai venuta a trovare in tutti quegli anni, neppure una volta. All’inizio non mi importava, volevo semplicemente andar via da Monaco e non farmi più vedere. Le è mai capitato? Voler rompere tutti i ponti e addirittura cancellare certi ricordi, buttarsi alle spalle la vecchia vita come un cappotto bucato dalle tarme. Voler solo guardare avanti e tapparsi le orecchie quando si coglie una qualche eco del passato. Capisce cosa intendo?“ (ibd.) In beiden Kontext können periphrastische Mittel ausgemacht werden. Beispiel 11, das Pendant zu Beispiel 9, verwendet dare un’occhiata, während Beispiel 12, die Übersetzung zu Beispiel 10, auf non farsi vedere zurückgreift.

Dare un’occhiata beschreibt einen Prozess. Auch hier treffen die semantischen Merkmale zu, dass dieser Sachverhalt sich über eine gewisse Dauer erstreckt und aus unterschiedlichen Momenten besteht. Hier trifft die gleiche Beschreibung der internen Momente zu, die bereits bezüglich des deutschen Beispiels besprochen wurde. Dare un’occhiata beschreibt ein Umherschauen, ein Betrachten aller möglichen Winkel und Verstecke. Ebenfalls stehen Anfangsund Endgrenze nicht im Fokus der Perspektivierung. Gleiches gilt für die umgebungsbezogene Aspektualität. Interessant ist, dass die italienische Periphrase die interne Unterteilung noch deutlicher zum Ausdruck bringt. Durch die Kombination zwischen Nomen (occhiata) und unbestimmtem Artikel (una) wird deutlich, dass der Gesamtkomplex des Suchens und Durchschauens hier aus zahlreichen aufeinanderfolgenden Sachverhalten besteht, die gemeinsam wiederum einen komplexen Sachverhalt bilden. Spezifische morphologische Markierungen, die den aspektualen Gehalt steuern, treten hier nicht auf.

Non farsi vedere in Beispiel 12 hingegen betont meiner Ansicht recht deutlich die angenommene punktuelle Strukturierung. Würde man die italienische Übersetzung paraphrasieren, würde man in etwa ‚sich nicht zeigen, nicht auftauchen‘ erhalten. Die Tatsache, dass hier eher eine Konfrontation als das physische Erscheinen gemeint ist, beruht auch hier auf der direkten Verbindung zwischen der Tatsache, sich zu zeigen und dem damit verbundenen Konzept, sich damit gleichermaßen der Umgebung zu stellen. Deutlicher als im deutschen Beispiel kann hier festgestellt werden, dass der Sachverhalt punktuell ist. Sich zu zeigen betrifft genau den Punkt in der Zeit, indem die Entscheidung getroffen wird, präsent zu sein. Es kann sich daher nicht um eine Zeitdauer handeln. Gleichermaßen bedeutet dies, wie bekannt, dass interne Unterteilungen perspektivisch nicht möglich sind. Bezüglich der Umgebungsrelevanz ergibt sich auch hier aus dem textuellen Kontext eine Transformativrelevanz. Es ist auch hier gegeben, dass der Sachverhalt zustandsändernd wirkt, indem er seine vorherige Umgebung beendet und den Anfang der neuen Umgebung strukturiert. Dass hier das Imperfekt steht, das eigentlich einen spezifischen aspektualen Gehalt der Nicht-Abgrenzung ausdrückt, ist durch das vorhergehende Modalverb begründet.

Die sechs besprochenen Beispiele zeigten, dass die gleiche Partikel mit identischem Basisverb je nach Kontext eine unterschiedliche aspektuale Struktur ergeben kann. Dass dies durchaus der Fall ist, haben vorherige Studien bereits bestätigt30. Die hier angewandte Methode erlaubt allerdings, im Sinne Dessì Schmids (2014), die im Deutschen vorgefundene Polyfunktionalität der Verben im Italienischen durch unterschiedliche Ausdrucksmittel zu spiegeln. Das Italienische, so wurde gezeigt, greift auf unterschiedliche Ausdrucksmittel zurück, um das Fehlen entsprechender polyfunktionaler Verben zu kompensieren. Ebenso zeigte sich, dass an einigen Stellen die erwarteten Paraphrasen auftreten, die insbesondere durch eine klarere Darstellung der semantischen Verhältnisse gekennzeichnet sind. Daraus geht ebenso hervor, dass die hier angenommene Hypothese in einer ersten Anwendung bestätigt werden konnte. Die Kriterien, die vorweg für meine Analyse festgelegt wurden, konnten Schritt für Schritt erfüllt werden. In allen hier behandelten Beispielen zeigte sich, dass sich das Deutsche und Italienische auf aspektual-semantischer Ebene überlagern. Es kann demnach gesagt werden, dass das ausschlaggebende Kriterium für die Gültigkeit dieses Vergleiches gewährleistet werden konnte. Ebenso konnte das Modell nach Dessì Schmid (2014) als Tertium Comparationis bestätigt werden. Durch die Anwendung konnten systematische Verhaltensmuster der jeweiligen Sprachen, deren Gewinn das Ziel der vorliegenden Untersuchung war, gegenübergestellt werden.

7 Konklusion

Das Modell nach Dessì Schmid (2014) hat es erlaubt, formale Mittel unterschiedlicher Art in ihrem jeweiligen semantischen Gehalt zu untersuchen und sie einander gegenüberzustellen. Das Modell unterliegt keinerlei Einschränkung formaler Grenzen. Darauf macht auch die Autorin immer wieder eindringlich aufmerksam (cf. ibd.: 105). Insbesondere bei den Partikelverben erweist sich ein solches Vorgehen als durchaus nützlich. Bis heute wird sehr kontrovers diskutiert, was Partikelverben genau sind: Wörter oder Syntagmen? Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, diese Entscheidung zu fällen. Im Gegenteil: Es bietet sich sogar die Möglichkeit sie als Zwischenstadium zwischen Lexikon und Grammatik anzunehmen (cf. hierzu Schlotthauer/Zifonun 2008).

Anhand des so aufgebauten kontrastiven Vergleiches zwischen Deutsch und Italienisch konnte die angenommene Polyfunktionalität der Präfixund Partikelverben exemplifiziert werden. Die unterschiedlichen Übersetzungen im Italienischen konnten ebenso aspektual analysiert und damit als Verbildlichungsmechanismus für die facettenreiche Semantik im Deutschen herangezogen werden, indem sich die zeitlichen Schemata überlagerten. Durch die Anwendung eines onomasiologischen Modells zur Aspektualität konnte der Vergleich auf rein semantischen Kriterien basiert werden. Nur so konnte stichhaltig überprüft werden, ob sich die semantischen Strukturen wirklich entsprechen. Das wiederum wurde als Kriterium für die Beweisführung gewertet. Es zeigt sich der Vorteil einer kontrastiv basierten Untersuchung. Im Deutschen finden wir eine Tendenz zur Polyfunktionalität der Partikelund Präfixverben, die hier nur exemplifiziert werden konnte. Durch die systembasierten Unterschiede, bietet sich diese Möglichkeit im Italienischen nicht gleichermaßen. Dementsprechend konnte das hier fokussierte Ziel erreicht werden, im Italienischen deutlich verschiedene Übersetzungen der deutschen Verben zu erhalten.

Ich möchte annehmen, dass eine solche Analyse absolut notwendig ist, um der angenommenen semantischen Vielfalt im Deutschen eine breitere Beweislage zu geben. In naher Zukunft besteht das Ziel darin, weitere semantische Besonderheiten der deutschen Verben aufzudecken. Auf Basis dieser Erkenntnisse kann eine Erweiterung der bestehenden Analysen geleistet werden. Zudem kann darauf aufbauend genauer beleuchtet werden, welche Mechanismen den polyfunktionalen Entwicklungen im Deutschen zugrundeliegen. Das Italienische konnte für dieses Vorhaben als geeignete Verifizierungsreferenz bestätigt werden.

Material suplementario
Literaturverzeichnis
Ani, Friedrich (2012): Süden und das heimliche Leben. München: Knaur. hugendubel.de/de/ebook/friedrich_ani-sueden_und_das_heimliche_leben-19869396-produkt-details.html?searchId=1306108079 [07.07.2019].
Ani, Friedrich (2016): Süden e la vita segreta. Rom: Emons. hugendubel.de/de/ebook/friedrich_ani-sueden_e_la_vita_segreta-25847661-produkt-details.html?searchId=1306109188 [07.07.2019]
Bertinetto, Pier Marco (2001): „Il verbo“. In: Renzi, Lorenzo/Salvi, Giampaolo/Cardinaletti, Anna (eds.): Grande grammatica italiana di consultazione. Bd 2. Bologna, il Mulino: 13– 163.
Bremer, Jan Peter (2011): Der amerikanische Investor. Berlin: Bloomsbury. hugendubel.de/de/ebook/jan_peter_bremer-der_amerikanische_investor-15621563-produkt-details.html?searchId=1306105736 [29.07.2019].
Bremer, Jan Peter (2013): L’investitore americano. Rom: L’Orma. ibs.it/investitore-americanoebook-jan-p-bremer/e/9788898038329 [29.07.2019].
Böhm, Holger (2015): Separable Partikelverben im Deutschen und die Ausdrucksformen ihrer Entsprechungen im Französischen. Grundlagen und Anwendungen der bilingualen Lexikografie. Hamburg: Dr. Kovač.
Dessì Schmid, Sarah (2014): Aspektualität: ein onomasiologisches Modell am Beispiel der romanischen Sprachen. Berlin: de Gruyter. degruyter.com/viewbooktoc/product/211197 [11.10.2019]
Detges, Ulrich (1999): „Wie entsteht Grammatik? Kognitive und pragmatische Determinanten der Grammatikalisierung von Tempusmarkern“. In: Lang, Jürgen/Neumann-Holzschuh, Ingrid (eds.): Reanalyse und Grammatikalisierung in den romanischen Sprachen. Tübingen:Niemeyer: 31–52. academia.edu/people/search?utf8=✓&q=wie+entsteht+Grammatik [31.08.2018].
Dewell, Robert (2011): The Meaning of Particle/Prefix Constructions in German. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins. web.b.ebscohost.com/ehost/detail/detail?vid=0&sid=3aee5c69-4a8b-4af0-ab4a-40c79361a7c7%40pdc-v-sessmgr04&bdata=JnNpdGU9ZWhvc3QtbGl2ZQ%3d%3d#AN=394205&db=nlebk [10.10.2019].
Eichinger, Ludwig M. (2004a): „Funktion und Bedeutung von Verbpartikel“. In: Gautier, Laurent/Haberkorn, Didier (eds.): Aspekt und Aktionsarten im heutigen Deutsch. Tübingen: Narr: 135–150.
Eichinger, Ludwig M. (2004b): „Trennbare Verben und Grammatikalisierung – feindliche Brüder?“. In: Lindemann, Beate (ed.): Diathese, Modalität, Deutsch als Fremdsprache: Festschrift für Oddleif Leirbukt zum 65. Geburtstag. Tübingen: Stauffenburg: 103–121. idspub.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/1725/file/Eichinger_Trennbare_Verben_und_ Grammatikalisierung_2004.pdf [25.07.19].
Hundsnurscher, Franz (1982): „Das System der Partikelverben mit AUS“. In: Eichinger, Ludwig M. (ed.): Tendenzen verbaler Wortbildung in der deutschen Gegenwartssprache. Hamburg: Buske: 1–33.
Iacobini, Claudio/Masini, Francesca (2006): „The emergence of verb-particle constructions in Italian: locative and actional meanings”. Morphology 16: 155–188. DOI 10.1007/s11525006-9101-7.
Lehmann , Volkmar (1988): „Der russische Aspekt und die lexikalische Bedeutung des Verbs“. Zeitschrift für slavische Philologie 48: 170–181.
Leiss, Elisabeth (1992): Die Verbalketgorien des Deutschen. Ein Beitrag zur Theorie der sprachlichen Kategorisierung. Berlin/New York: de Gruyter.
Lewitscharoff, Sibylle (2013a): Blumenberg. Berlin: Suhrkamp. hugendubel.de/de/ebook/sibylle_lewitscharoff-blumenberg-16359428-produkt-details.html?searchId=1306110454 [15.10.2018].
Lewitscharoff, Sibylle (2013b): Blumenberg. Rom: Del Vecchio Editore. delvecchioeditore.com/libro/ebook/89/blumenberg [14.10.2018].
Lüdeling, Anke (1999): On particle verbs and similar constructions in German. Stuttgart/Tübingen: IBM.
Motsch, Wolfgang (2004): Deutsche Wortbildung in Grundzügen. 2. Aufl. Berlin: De Gruyter.
Mungan, Güler (1986): Die semantische Interaktion zwischen dem präfigierenden Verbzusatz und dem Simplex bei deutschen Partikelund Präfixverben. Frankfurt am Main: Lang.
Schlotthauer, Susan/Zifonun, Gisela (2008): „Zwischen Wortbildung und Syntax: die ‚Wortigkeit‘ von Partikelverben/Präverbfügungen in sprachvergleichender Perspektive“. In: Eichinger, Ludwig M./Meliss, Meike/Domínguez Vázquez, María José (eds.): Wortbildung heute. Tendenzen und Kontraste in der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen, Narr: 271–310.
Stiebels, Barbara (1996): Lexikalische Argumente und Adjunkte. Zum semantischen Beitrag von verbalen Präfixen und Partikeln. Berlin: Akademie Verlag.
Talmy, Leonard (2000): Toward a Cognitive Semantics I: Concept structuring systems. Cambridge/London: MIT Press.
Verkuyl, Henk J. (1972): On the compositional nature of the Aspects. Dordrecht: Reidel. Verkuyl, Henk J. (1993): A Theory of Aspectuality. The Interaction between Temporal and Atemporal Structure. Cambridge: Cambridge University Press.
Notas
Fußnote
* Ich bedanke mich vor allem bei meinen Promotionsbetreuerinnen, Prof. Dr. Sabine Elisabeth Koesters Gensini der Universität Sapienza Rom und Prof. Dr. Sarah Dessì Schmid der Eberhard Karls Universität Tübingen, die mir bei der Erarbeitung dieses Artikels zahlreiche wertvolle Hinweise gegeben haben.
1 Partikelverben werden hier zur Kennzeichnung in Großbuchstaben geschrieben. Das Gleiche gilt für die Schreibweise der Partikel. Präfixe und präfigierte Verben hingegen werden klein geschrieben. Diese formale Konvention wurde von Dewell (2011) übernommen.
2 Hierin besteht eine wichtige Unterscheidung zwischen Partikelund Präfixverben. In einem regulären Hauptsatz mit Verbzweitstellung muss ein Partikelverb getrennt werden, das präfigierte Verb bleibt formal eine Einheit. In diesem Fall müsste dem präfigierten Verb eine Ergänzung folgen, daher das Asterisk. Es könnte beispielsweise heißen Ich durchfahre den Wald.
3 In diese Richtung tendiert beispielsweise Stiebels (1996).
4 Mit teilweiser Kompaktheit wird auf die Kontaktstellung der Partikelverben Bezug genommen. Diese ist sowohl im Infinitiv als auch in Verbletztsätzen gegeben, beispielsweise Ich möchte hier DURCHFAHREN.
5 Vertreter in der Germanistik sind beispielsweise Leiss (1992), in den 6 romanischen Sprachen vor allem Bertinetto (2001).
6 Dessì Schmid (2014) nennt hier als weiterführende Lektüre Verkuyl (1972, 1993).
7 Das wird vor allem durch die Tatsache deutlich, dass die Autorin selbst in ihrem gesamten Werk auf mehrere verschiedene Sprachen zurückgreift. Das zeigt, dass eine einheitliche aspektuale Analyse trotz heterogener Ausdrucksmittel möglich ist (cf. Dessì Schmid 2014). Mit verschiedenen Sprachen sei hier gemeint, dass Deutsch und Italienisch auf unterschiedliche systematische Züge zurückgreifen, um die gleichen aspektualen Inhalte sprachlich auszudrücken.
8 Ebenso kann hier gut abgelesen werden, wie außerordentlich produktiv insbesondere einige Partikelmodelle in der heutigen Sprache sind. Diese Tatsache macht sie zu einem festen Bestandteil des deutschen Sprachsystems.
9 Der Begriff „Präverb“ hat sich in der Forschung als Mengenbezeichnung für Partikeln und Präfixe etabliert.
10 Die Schreibung mit Bindestrich am Ende verweist auf Präverben. Wird das Präverb in Großbuchstaben geschrieben, handelt es sich um eine Partikel, in Kleinbuchstaben um ein Präfix. Diese graphische Unterscheidung wurde von Dewell (2011) unverändert übernommen.
11 Dessì Schmid (2014: 134) macht darauf aufmerksam, dass für die aspektuale Strukturierung nicht relevant ist, ob rein physisch einzelne Momente im Inneren eines Sachverhaltes bestehen. Es handelt sich um die Perspektivierung, die der Sprecher einem Sachverhalt auferlegt. Dementsprechend ist auch die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen die einzig relevante Basis für die Konstruktion aspektualer Schemata.
12 Ergänzung durch die Autorin.
13 Schlotthauer/Zifonun (2008) bilden hierbei eine Ausnahme. Allerdings geht es hier auch nicht um eine Gegenüberstellung sondern um die Frage, ob Erkenntnisse aus dem Deutschen ähnlichen Sprachsystemen auf das Deutsche anwendbar sind. Sie beziehen das Englische und Ungarische in ihre Betrachtungen mit ein, die dem Deutschen in vielerlei Hinsicht ähneln, auch und insbesondere in der Verwendung der Partikelverben.
14 Böhm (2015) behandelt in seiner Arbeit lediglich die separablen Partikelverben. Allerdings kann seine Untersuchung als Beispiel einer kontrastiven Vorgehensweise gelten.
15 Dessì Schmid (2014) gibt in ihrer Arbeit kontrastive Beispiele und zeigt somit, dass ihr Modell abstrakt genug ist, unterschiedliche Sprachtypen und -formen zu behandeln.
16 Mit „widersprüchlichem Verhalten“ nehme ich Bezug auf die Trennbarkeit der Partikelverben, obwohl sie beispielsweise im Infinitiv auch formal eine Einheit bilden.
17 Mit „opaken Strukturen“ sind beispielsweise die deutschen Partikelund Präfixverben gemeint. Sie sind in dem Sinne opak, dass sie polyfunktional sind und unterschiedliche aspektuale Strukturen ausdrücken können, je nach Kontexteinbettung und Auswahl des Basisverbs. Es kann keine kategorische Zuordnung von Partikel/Präfix zu einem bestimmten semantischen Beitrag, den sie im Verbalkomplex leisten, hergestellt werden (s. o.).
18 Ich unterstreiche nochmals, dass die hier vorgefundenen aspektualen Strukturen auf den einleitenden Bemerkungen nach Dewell (2011) und Eichinger (2004b) basieren.
19 Die hier verwendeten Schemata wurden direkt aus Dessì Schmid (2014) übernommen und gleich bezeichnet. DS steht dabei für „Delimitationsschema“.
20 Es geht hier um die Wahrnehmung des Menschen. Sie sagt: „[Das betrachtete Zeitintervall] wird als so klein wahrgenommen, dass wir von einem einzigen Punkt (ohne zeitliche Extension) sprechen können. Und was ohne zeitliche Extension dargestellt wird, kann logischerweise nicht in weitere zeitliche Delimitationen oder Abschnitte unterteilt werden.“ (Dessì Schmid 2014: 134).
21 Hierauf machte Dessì Schmid (2014: 100) aufmerksam.
22 Das verwendete passato remoto bezieht sich auf den Moment, in dem dem Subjekt eine Idee kommt, wie es die anderen Personen aufhalten könnte.
23 Die Anführungszeichen wurden der Darstellung entsprechend in diesem Text von der Autorin angepasst.
24 Cf. hierzu die einführenden Darstellungen zur formalen Charakterisierung der Partikelverben.
25 Cf. hierzu die Darstellungen nach Dewell (2011), der diesen Aspekt unter dem Begriff der „wellenförmigen Bewegung“ eines Pfades auffasst.
26 Im Grunde handelt es sich hier um eine Progressivität, herbeigeführt durch das Adverb jetzt. Nachdem dies aber im Modell von Dessì Schmid (2014) die zweite Ebene des Modells betrifft, möchte ich mich hier vorerst mit einem dynamischen Sachverhalt begnügen. Die Dynamis stellt im aspektualen Modell Dessì Schmids das Grundprinzip dar, das erfüllt sein muss, um eine progressive Perspektivierung auf der zweiten Ebene zu erlauben. Das würde hier allerdings zu weit greifen.
27 Auch darauf wurde unter Dewell (2011) explizit hingewiesen.
28 Eine solche semantische Verschiebung wird im Allgemeinen mit dem Begriff des „metonymischen Bedeutungswandels“ beschrieben (cf. hierzu beispielsweise Detges 1999 über die Entwicklung der romanischen Tempora).
29 Dessì Schmid (2014: 130) verweist hier in einer Fußnote auf die deutsche Präfigierung mit um-, die dazu dienen kann, transformativrelevante Sachverhalte auszudrücken.
30 Cf. angeführten Forschungsüberblick.

Abbildung 1
DS 619(Dessì Schmid 2014: 140)

Abbildung 2
DS 8 (Dessì Schmid 2014: 141)

Abbildung 3
DS 2 (Dessì Schmid 2014: 139)

Abbildung 4
DS 1 (Dessì Schmid 2014: 139)

Abbildung 5
DS 2 (Dessì Schmid 2014: 139)

Abbildung 6
DS 11 (Dessì Schmid 2014: 141)
Buscar:
Contexto
Descargar
Todas
Imágenes
Visor de artículos científicos generados a partir de XML-JATS4R por Redalyc