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Der Konjunktiv II in den ruralen Basisdialekten Österreichs. Quantitative und qualitative Befunde
Philip C. Vergeiner; Lars Bülow
Philip C. Vergeiner; Lars Bülow
Der Konjunktiv II in den ruralen Basisdialekten Österreichs. Quantitative und qualitative Befunde
Linguistik online, vol. 114, núm. 2, pp. 3-42, 2022
Universität Bern
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Abstract: Until today, variation and change in the use of subjunctive II variants in the dialects of Austria have been poorly studied. Largely neglected by traditional dialectology, even more recent stud- ies neither consider all dialect regions of Austria, nor do they go into detail about intra-linguistic factors. Furthermore, an integration into morpho-syntactic theories of language change is miss- ing.

This paper addresses the above-mentioned desiderata. Using an apparent-time design, it intends to uncover linguistic, geographical, and sociolinguistic factors of variation and change in the use of subjunctive II variants in Austria’s dialects. In order to achieve these goals, a compre- hensive corpus of direct dialect recordings is analysed by means of various quantitative methods (cluster analyses, factor analyses, mixed variance analyses). Data are based on the dialect trans- lations of 21 verb forms by 163 speakers from 40 locations (3,430 tokens).

Overall, results show that periphrastic variants spread in the Austrian dialects, in particular periphrastic forms with the täte-auxiliary. Meanwhile, synthetic forms lose importance (both strong and weak synthetic forms). Moreover, results reveal significant verb-related differences which cannot be explained by their belonging to inflectional classes, as previous studies sug- gested. Instead, the 21 verbs studied can be divided into six clusters reflecting different stages in the spread of periphrastic forms. In terms of linguistic geography, Austria is divided into three parts with regard to subjunctive II variation: an Alemannic region in the west, a north- western Bavarian area, and a south-eastern Bavarian area. With respect to sociolinguistic fac- tors, gender is hardly a relevant factor, whereas age turns out to be decisive. Younger speakers use periphrastic forms more often and synthetic variants less often. Finally, these empirical findings will be discussed against the background of the theory of Natural Morphology.

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Artikel

Der Konjunktiv II in den ruralen Basisdialekten Österreichs. Quantitative und qualitative Befunde

Philip C. Vergeiner
Universität Salzburg, Austria
Lars Bülow
Universität Wien, Austria
Linguistik online, vol. 114, núm. 2, pp. 3-42, 2022
Universität Bern

Publicación: 08 Marzo 2022

1 Einleitung

Bekanntermaßen fokussierte sich die klassische Dialektologie im 19. und 20. Jahrhundert stark auf die lautliche Ebene, während morphologische und vor allem syntaktische Variation oft nur stiefmütterlich behandelt wurden. Dementsprechend beschränkten sich dialektologische Aus- führungen zur Konjunktiv II-Variation in den ruralen Basisdialekten Österreichs lange auf we- nige Quellen: Zu nennen sind hier vor allem verbmorphologische Überblicksdarstellungen – etwa jene zum Gesamtbairischen von Wiesinger (1989: 56–61) oder zum Lungau von Mauser (1998: 334, 342f.). Hinzu kommen vereinzelte Angaben in Ortsmonographien (cf. beispiels- weise Schatz 1897: 175; Roitinger 1933: 319f.; Larcher 1963: 85; Lessiak 1963: 205f.) sowie Karten in dialektgeographischen Kleinraumatlanten (cf. beispielsweise Klein/Kühebacher 1969: Kt. 98, VALTS 2000).

Durch das verstärkte Interesse der Dialektologie an syntaktischer Variation seit dem 21. Jahr- hundert (cf. Scheutz 2005; Fleischer/Kasper/Lenz 2012; Kallenborn 2019) wurde auch die For- schung zur Konjunktiv II-Variation in Österreich intensiviert: Neben regional beschränkten Einzelstudien (cf. beispielsweise Glauninger 2008, 2011; Lenzhofer 2017; Breuer 2021), liegen mittlerweile auch breiter angelegte Untersuchungen zu den bairischen Dialekten Österreichs vor (Breuer/Wittibschlager 2020; Stöckle 2020). Trotz dieser verbesserten Forschungslage ergibt sich aus den bisherigen Studien noch kein umfassendes und kohärentes Bild der Kon- junktiv II-Variation und ihrer Faktoren. Vielmehr zeichnen sich vier Desiderate ab (siehe dazu ausführlich Kapitel 2):

  1. 1) Es gibt keine variationslinguistische Untersuchung, die rezente Daten zur Konjunktiv II- Verwendung flächendeckend aus allen Dialektregionen Österreichs in den Blick nimmt.1 Besonders die alemannischen Dialekte in Österreich wurden bisher stark vernachlässigt.

  2. 2) Bislang ist nur unzureichend geklärt, mit welchen innersprachlichen, soziolinguistischen und sprachgeografischen Faktoren die Wahl zwischen einzelnen Konjunktiv II-Varianten in den österreichischen Dialekten zusammenhängt. Besonders wenig ist über die inner- sprachlichen Bedingungen bekannt. Auch die Wechselwirkung zwischen unterschiedlichen Faktoren wurde bis dato kaum untersucht.

  3. 3) Bisher lässt sich nur sehr wenig über die gegenwärtigen Wandeltendenzen in Bezug auf die Konjunktiv II-Variation aussagen.

  4. 4) Bisherige empirische Befunde zur Konjunktiv II-Variation wurden kaum vor dem Hinter- grund morpho-syntaktischer Sprachwandeltheorien diskutiert. Umgekehrt stützen sich diese Theorien – wenn sie sich überhaupt dialektaler Variation annehmen – auf wenig ver- lässliche und/oder veraltete Quellen.

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, sich der genannten Desiderate anzunehmen und die Vari- ation und den Wandel bei der Verwendung verschiedener Konjunktiv II-Formen in den ruralen Basisdialekten Österreichs genauer zu beleuchten. Folgende Forschungsfragen (FF) sollen da- bei geklärt werden:

  1. FF1: Welche Konjunktiv II-Varianten kommen aktuell in welchen Regionen Österreichs in den ruralen Basisdialekten vor? Gibt es eine areale Verteilung und wenn ja, in welcher Be- ziehung steht diese zur traditionell lautorientierten Einteilung der bairischen und alemanni- schen Dialekte (cf. Wiesinger 1983)?

  2. FF2: Inwiefern wird die Konjunktiv II-Variation in den Basisdialekten Österreichs nicht nur von soziolinguistischen und sprachgeografischen, sondern auch von innersprachlichen Fak- toren bestimmt? Welche Rolle spielen beispielsweise die Verbfrequenz oder die

  3. FF3: Zeigen sich gegenwärtig Wandeltendenzen beim Konjunktiv II in den ruralen Basis- dialekten Österreichs? Wenn ja, inwiefern beeinflussen innersprachliche, soziolinguistische und sprachgeografische Faktoren diesen Wandel? Spielt Sprachkontakt eine Rolle (cf. Stöckle 2020)?

  4. FF4: Wie lassen sich die empirischen Ergebnisse im Hinblick auf morpho-syntaktische Sprachwandeltheorien wie etwa jene der Morphologischen Natürlichkeitstheorie interpre- tieren? Wie sind die Ergebnisse vor dem Hintergrund eines generell attestierten Wandels zum analytischen Sprachbau (cf. Simon 2015; Nübling et al. 2017) einzuordnen?

Um die genannten Fragestellungen zu beantworten, wird das umfangreiche Korpus des Teil- projekts „Variation und Wandel dialektaler Varietäten in Österreich (in realund apparent time)“ (F 6002-G23) des vom FWF geförderten SFBs „Deutsch in Österreich (DiÖ)“ (FWF F060) herangezogen, in dessen Rahmen eine Dialektbefragung mit Fragebuch durchgeführt wurde. Auf Basis der Dialektübersetzungen von 163 Gewährspersonen aus 40 Orten, die zu gleichen Teilen aus einer älteren und einer jüngeren Generation stammen, wird im Beitrag eine umfassende apparent-time-Studie präsentiert. Neben einer qualitativen Beschreibung werden verschiedene statistische Verfahren (Clusteranalysen, Faktorenanalysen, gemischte Vari- anzanalysen) zur Datenanalyse herangezogen. Diese sollen helfen, die zentralen räumlichen, soziolinguistischen und innersprachlichen Faktoren der Variation und des Wandels des Kon- junktiv II-Gebrauchs in den Basisdialekten Österreichs aufzuzeigen.

In weiterer Folge wird in Kapitel 2 zunächst kurz auf bisherige Befunde zur Konjunktiv II- Variation in den Dialekten Österreichs eingegangen. Daneben wird mit der Morphologischen Natürlichkeitstheorie eine zentrale Sprachwandeltheorie präsentiert, deren Erklärungspotential für die Konjunktiv II-Entwicklung in dieser Studie überprüft wird. Anschließend werden in Kapitel 3 die Daten und Methoden der vorliegenden Untersuchung genauer beschrieben. Nach der Darstellung der zentralen Ergebnisse in Kapitel 4 folgt eine ausführlichere Diskussion der Ergebnisse in Kapitel 5. Die Studie schließt mit einem kurzen Fazit in Kapitel 6.

2 Ausgangslage: Empirie und Theorie

Mit dem „Syntax-Boom“ (Scheutz 2005: 291) in der Dialektologie um die Jahrtausendwende erstarkte auch die Forschung zur Konjunktiv II-Variation in den Dialekten Österreichs. Wäh- rend für die Nonstandard-Varietäten in den dialektal bairischen Gebieten Österreichs mittler- weile einige variationslinguistisch orientierte Studien vorliegen bzw. sich in Vorbereitung be- finden (Auer 2007; Glauninger 2008, 2010, 2011; Bercko 2018; Breuer/Wittibschlager 2020; Stöckle 2020; Breuer 2021; Wittibschlager i. V.), stellen Untersuchungen zur Konjunktiv II- Verwendung in den alemannischen Dialekten Österreichs nach wie vor ein erhebliches For- schungsdesiderat dar. Auch eine Interpretation von breiten empirischen Befunden vor der Folie der Morphologischen Natürlichkeitstheorie steht noch aus.

Im Folgenden wird zunächst ausführlich der Forschungsstand zum Konjunktiv II in den bairi- schen Dialekten dargestellt (Kapitel 2.1), bevor wir etwas kürzer auf die alemannischen Dia- lekte eingehen (Kapitel 2.2). Anschließend werden die zentralen Prämissen der Morphologischen Natulichkeitstheorie erlautert (Kapitelm 2.3.1), au denen wir im Ruckgriff auf weitere Forschungsliteratur Hypothesen fur den Konjuntiv ll-Wandek ableiten

2.1 Der Konjunktiv II in den bairischen Dialekten Österreichs

Trotz des ausgeprägten Präteritumschwunds in den oberdeutschen Dialekten (cf. Fischer 2018), welcher der Konjunktiv II-Bildung die präteritale Basis entzieht (cf. Nübling 1997; Bitt- ner/Köpcke 2010), zeichnen sich die bairischen Dialekte gegenüber anderen deutschen Dialek- ten durch einen besonderen Variantenreichtum bei der Konjunktiv II-Bildung aus (cf. Saltveit 1983; Donhauser 1992; Stöckle 2020).2 Dabei sind zunächst synthetische Formen (1) von peri- phrastischen bzw. analytischen (2) zu trennen.

Die synthetischen Formen werden entweder stark, schwach oder gemischt gebildet (cf. Merkle 1993: 71–72): stark durch Ablaut im Präteritumstamm (1a), schwach mithilfe des Suffix -at am Präsensstamm (1b) und gemischt mit -at-Suffix am (ggf. umgelauteten) Präteritumstamm (1c).

  1. (1) a. Wonn’s des ned do olle wieder tatn! ‚Wenn sie das nicht doch alle wieder täten‘ (DiÖ, PP02-Korpus, AB-alt-m)3

  2. b. Wonn i’s do ned so oft brauchat! ‚Wenn ich es doch nicht so oft bräuchte‘ (DiÖ, PP02-Korpus, DB-jung-m)

  3. c. Wonn a’s moi nahmat. ‚Wenn er es mal nähme‘ (DiÖ, PP02-Korpus, BD-jung-m)

Sprachhistorisch hat sich der für die bairischen Dialekte typische Konjunktiv II-Marker -at aus dem ahd. Präteritumsuffix -ôt(a) der II. Klasse der schwachen Verben entwickelt (cf. Schön- bach 1899: 236). Erst später wurde er dann – sehr wahrscheinlich durch Analogie – auf die schwachen Verben der I. und III. Klasse sowie auf die starken und unregelmäßigen Verben übertragen (Schönbach 1899: 237; Stöckle 2020; Pickl 2022). Wiesinger (1989: 60) beschreibt diese morphologische Markierung als Infix {AT-}, das sich mit der jeweiligen Personalendung verbindet. Tabelle 1 zeigt – sowohl anhand eines schwachen Verbs (sagen) als auch anhand eines starken Verbs (kommen) – die prototypischen Flexionsparadigmen für die synthetischen Konjunktiv II-Formen im Bairischen.

Tabelle 1:
Flexionsparadigmen für die synthetischen Konjunktiv II-Formen in den bairischen Dialekten Österreichs (nach Stöckle 2020: 151; cf. auch Wiesinger 1989: 61)

Bei den periphrastischen bzw. analytischen Formen muss zwischen solchen mit dem täte- (2a, b) und solchen mit dem würde-Auxiliar (2c, d) unterschieden werden, wobei sich beide Auxiliare auch mit dem -at-Suffix bilden lassen (2b, d):

  1. (2) a. Wenn a wos eftas sogn tat! ‚Wenn er etwas öfter sagen täte‘ (DiÖ, PP02-Korpus, PU-jung-w)

  2. b. Wonn a ma’s amoi glaum tatat! ‚Wenn er mir es einmal glauben täte‘ (DiÖ, PP02-Korpus, AD-jung-m)

  3. c. Wenn i des net so gonz oft brauchen wiad! ‚Wenn ich das nicht so ganz oft brauchen würde‘ (DiÖ, PP02-Korpus, PU-jung-w)

  4. d. Ja, da wuata[t] i scho d’Lehrering a weng segieren. ‚Ja, da würde ich schon die Lehrerin ein wenig sekkieren‘

    (TK_0443_OF_L, zitiert nach Breuer/Wittibschlager 2020: 145)

Auch wenn die oben beschriebenen Varianten der Konjunktiv II-Bildung in den bairischen Di- alekten Österreichs grundsätzlich gut dokumentiert sind (cf. Wiesinger 1989; Breuer/Wittib- schlager 2020;Stöckle 2020), wurden die innersprachlichen, soziolinguistischen und sprachge- ografischen Steuerungsfaktoren ihrer Variation bisher nur unzureichend erforscht. Das gilt auch für allfällige Wandeltendenzen.

Im Hinblick auf die innersprachlichen Faktoren zeigt Stöckle (2020: 157–161) für die histo- rischen Daten des „Wörterbuchs der bairischen Mundarten in Österreich“ (WBÖ) aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dass synthetische Formen (90% von 1.987 Belegen) im Dialekt überwiegen, wobei je nach Verbklasse größere Unterschiede bestehen: So dominiert das -at- Suffix v. a. bei schwachen Verben (97% von 820 Belegen), kommt bei starken Verben aber auch oft vor (61% von 472 Belegen); bei unregelmäßigen Verben (zum Beispiel sein, haben, gehen, stehen) tritt es hingegen nur in etwa einem Viertel (23% von 689 Belegen) der Fälle auf.4 Bei den 198 Belegen für die analytische bzw. periphrastische Bildung überwiegt klar das täte-Auxiliar mit 77% (153 Belege), während das würde-Auxiliar nur in 19% der Fälle (38 Belege) verwendet wird.

Auch wenn die Daten hinsichtlich ihres Erhebungskontextes nur bedingt vergleichbar sind, deu- tet die Untersuchung von Breuer/Wittibschlager (2020) aus der aktuellen DiÖ-Erhebung des Teilprojekts „Sprachrepertoires und Varietätenspektren“ einen tiefgreifenden Wandel an (cf. auch Stöckle/Wittibschlager 2022): Die periphrastischen Varianten überwiegen hier im „Dia- lektdurchgang“ (1.124 Belege) der durchgeführten „Sprachproduktionsexperimente“ mit 68% (768 Belege). Die synthetischen Formen werden hingegen nur in 32% (356 Belege) der Fälle verwendet. Dabei liegt der Anteil der Variante mit -at-Suffix nur bei 37% (133 Belege), wäh- rend die starke Bildung 63% der Fälle (223 Belege) ausmacht. Eine genauere Aufteilung dieser Bildungsweisen auf die Verbklassen erfolgt bei Breuer/Wittibschlager (2020) nicht. Auffällig ist allerdings im Dialektkontext der hohe Anteil von periphrastischen Konjunktiven mit dem würde-Auxiliar (367 von 768 Belegen), der immerhin bei 48% liegt. Die Variante mit dem täte- Auxiliar macht dementsprechend 52% (401 Belege) der periphrastischen Konstruktionen aus. Im diachronen Vergleich der Studien zeichnet sich demnach eine Zunahme der periphrastischen Varianten zulasten der synthetischen ab. Innerhalb des synthetischen Bildungstyps scheint die Variante mit -at-Suffix an Bedeutung zu verlieren, während bei den periphrastischen Konstruk- tionen eine Zunahme der Form mit der würde-Periphrase sichtbar wird.

Der Anstieg der Konstruktionen mit würde-Auxiliar wird gemeinhin auf Standardisierungsten- denzen zurückgeführt (Lenz 2017; Stöckle 2020). So weist Auer (2007) eine zunehmende Ver- wendung von Konstruktionen mit würde-Auxiliar bereits für schriftliche Quellen aus dem bai- rischen Sprachraum zwischen 1740 und 1775 nach, was er auf die verstärkten Standardisie- rungsbestrebungen unter Maria Theresia zurückführt, „die sich jedoch stark an nord- und mit- teldeutschen Vorbildern (z. B. Johann C. Gottsched) orientierten“ (Stöckle 2020: 152). Die Gründe für die Ausbreitung der würde-Konstruktion sind allerdings vielfältig und teilweise umstritten (cf. Smirnova 2006; Wilde 2015): Ebenso wenig wie sich die Frage nach der Ver- breitung dieser Konstruktion im Standard pauschal beantworten lässt (cf. überblicksartig Wilde 2015: 201–206), kann sie hinreichend für die Dialekte in Österreich beantwortet werden.

Zumindest im urbanen Bereich dürfte die periphrastische Bildung mit dem würde-Auxiliar mitt- lerweile aber im Nonstandard etabliert sein (cf. dazu auch Edler/Oberdorfer 2022). Breuer/Wit- tibschlager (2020) weisen in ihren Daten zum Nonstandard in Wien bei 75% aller periphrasti- schen Konstruktionen die würde-Periphrase nach (bei allerdings nur 20 Belegen). In diesem Zusammenhang ist kaum verwunderlich, dass Glauninger (2008) in einer Studie mit 27 Wiener Jugendlichen herausarbeitet, dass die periphrastische Bildung mit dem würde-Auxiliar die ,,, erste Walh'unter den eninschlagigen Optionen darstellt" (Glauninger 2008:41). Im Ver - gleich dazu bereitet den Jugendlihen die bildung und Dekodierung starker synthetischer For - men zum Teil erhebliche Probleme Glauninger (2008:242) folgert daraus einen,, masive, Einbruch' des synthetischen K2 - Typs".

Trotz der Arbeiten zur Funktion und Pragmatik des Konjunktivgebrauchs im Wiener Dialekt (Glauninger 2010, 2011) ist insgesamt wenig über den Einfluss soziolinguistischer Steue- rungsfaktoren bekannt. Breuer/Wittibschlager (2020: 159–160) zeigen jedoch anhand einer apparent-time-Analyse, dass sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten jüngere Sprecher/innen dazu neigen, mehr periphrastische als synthetische Konjunktiv II-Formen im Dialekt zu verwenden. Damit geht die Beobachtung einher, dass die würde-Periphrase bei der jüngeren Generation signifikant häufiger vorkommt als bei der älteren Generation (anders als die tate-Periphrase). Diese befunde die Tendenz zum Ruckgang der synthetichen Formen zugusteb der periphrastischen, v.a. der Variante mit wurde-Auxiliar

Sowohl Breuer/Wittibschlager (2020) als auch Stöckle (2020) untersuchen zudem die vertikale Achse der Konjunktiv II-Variation. Beide Untersuchungen bestätigen eine Präferenz für würde- Periphrasen in standardnahen Registern. Das ist nicht verwunderlich, tritt doch die würde-Pe- riphrase in diesen Registern im gesamten deutschen Sprachraum mittlerweile so häufig auf,

„dass man […] [sie] als die normale Realisierungsform des ‚Gegenwartstempus‘ im Konjunktiv II bei Vollverben betrachten kann“ (Duden 2016: 553).

Mit Blick auf die areale bzw. sprachgeografische Verteilung der Konjunktiv II-Varianten können auf Basis der bisherigen Forschungsarbeiten kaum konkrete Aussagen getroffen wer- den. Stöckle (2020: 161) postuliert ein „‚Kerngebiet‘ der starken Konjunktivmarkierung“ für das (West-)Mittelbairische, „während die nach regelmäßigem Muster gebildeten Formen mit -at – möglicherweise aufgrund des Einflusses durch Sprachkontakt – besonders an den Rändern des Bairischen und damit auch des geschlossenen deutschen Sprachraums verbreitet sind“. Diese Sprachkontakthypothese wird in der Diskussion (siehe Kapitel 5) ausführlicher behandelt.

Breuer/Wittibschlager (2020) verorten die Variante mit -at-Suffix vorrangig im Mittelbairi- schen. Außerdem stellen sie Besonderheiten im alemannisch-bairischen Übergangsgebiet in Ti- rol fest, wo in ihren Daten die starke synthetische Bildung und die periphrastische Bildung mit dem täte-Auxiliar dominieren. Des Weiteren finden sie keine empirischen Anhaltspunkte für die Hypothese, dass Wien einen besonderen Einfluss auf die Verbreitung einer bestimmten Konjunktivvariante nimmt. Diese Befunde zur sprachgeografischen Verteilung von Varianten innerhalb der bairischen Dialektlandschaft Österreichs sind allerdings mit Vorsicht zu bewer- ten. Neben Wien haben Breuer/Wittibschlager (2020) lediglich Daten aus 11 ruralen Orten in ihre Untersuchung einbezogen. Die Aussagen für das alemannisch-bairische Übergangsgebiet basieren überhaupt nur auf Belegen von Sprechern/innen aus einem Ort (Tarrenz in Tirol).

Für die Situation in den bairischen Dialekten Österreichs besteht also nach wie vor erheblicher Forschungsbedarf, was die innersprachlichen, soziolinguistischen und sprachgeografischen Steuerungsfaktoren betrifft. Das gilt im Wesentlichen auch für die Faktoren des Konjunktiv II- Gebrauchs in den alemannischen Dialekten Österreichs. Im Folgenden wird dazu der For- schungsstand zusammengefasst.

2.2 Der Konjunktiv II in den alemannischen Dialekten Österreichs

Wie bereits angedeutet wurde, gibt es bisher nur wenige Untersuchungen zur Konjunktiv II- Variation in den alemannischen Dialekten Österreichs. In der Beschreibung des Forschungs- standes werden wir daher auch auf Arbeiten zum Alemannischen in der Schweiz und in Deutschland eingehen, auch wenn klar ist, dass sich diese Befunde nicht vollständig auf Vor- arlberg und die alemannischen Teile Tirols übertragen lassen.

Obgleich sowohl „die Bildung als auch die Verwendung des Konj. II […] innerhalb des Ale- mannischen z. T. beträchtlich“ (Nübling 1997: 108) schwankt, können wir für das Alemanni- sche wie für das Bairische zunächst von einer Opposition zwischen synthetischen und peri- phrastischen Varianten ausgehen (cf. zum Beispiel Graf 1977; Nübling 1997; Wilde 2015). Beiden periphrastischen Varianten besteht wiederum die Unterscheidung zwischen täte- (3a) und würde-Periphrase (3b).

  1. (3) a. Wenn a doch nit allwil so viel kaufe tät! ‚Wenn er doch nicht allerweil so viel kaufen täte‘ (DiÖ, PP02-Korpus, FO-alt-w)

    b. I würds suacha, wenn i künnt. ‚Ich würde es suchen, wenn ich könnte‘ (DiÖ, PP02 YR, persönliche Mitteilung)

Etwas komplizierter ist die Situation für die synthetischen Formen. Analog zu den bairischen Dialekten kennen die alemannischen Dialekte prinzipiell eine schwache und eine starke Kon- junktiv II-Bildung (cf. Nübling 1997): Für die schwache Bildung, die sowohl die schwachen als auch die starken Verben erfassen kann, dient in Teilen des Alemannischen das Suffix -ti bzw. -te. Allerdings lässt sich diese Form in den österreichischen Dialekten – im Unterschied zur angrenzenden Schweiz – nicht belegen (cf. dazu beispielsweise die Karten in VALTS, 2000; Graf 1977: 286–297). Das Fehlen von -ti bzw. -te scheinen die alemannischen Dialekte in Vor- arlberg und Tirol mit denen in Baden-Württemberg, Bayerisch-Schwaben und Liechtenstein zu teilen (cf. Graf 1977: 286–297). Allerdings existiert laut Gabriel (1963: 258) zumindest in Tei- len Vorarlbergs eine schwache Endung -tat, die vor allem bei schwachen Verben erscheint, aber auch auf die starken Verben übergreift. Eindeutig als -tat identifizierbare Formen sind im vor- liegenden Korpus jedoch auch nicht belegt (siehe auch die Karten im VALTS 2000, wo die Form nur sehr vereinzelt vorkommt).

Als weiteres schwaches Konjunktiv II-Suffix des Alemannischen wird von Nübling (1997: 109) die „Kurzendung“ -t aufgeführt. Konjunktivformen mit wortfinalem -t sind für Vorarlberg durchaus dokumentiert (cf. wiederum VALTS 2000;Graf 1977: 286–297), allerdings nur bei gewissen Verben, insbesondere tun und haben sowie den Modalverben (Nübling 1997: 109).5 Bemerkenswerterweise kommt -t bei schwachen Verben nicht und bei starken Verben kaum vor. Dass schwaches -t ausgerechnet bei schwachen Verben fehlt, erklärt Nübling (1997: 109) durch die Vermeidung von Homophonie zu den entsprechenden Indikativformen – nicht zuletzt dadurch sei in den alemannischen Dialekten „wie in sonst keiner germanischen Sprache die Grenze zwischen starker und schwacher Flexion“ überschritten worden (Nübling 2000: 221).

Unserer Ansicht nach ist allerdings fraglich, ob -t synchron wirklich als schwache Konjunktiv- endung anzusehen ist. Dagegen spricht nicht nur, dass -t (anders als -ti/-te in der Schweiz oder

-at im Bairischen) bei schwachen Verben gänzlich fehlt, sondern auch, dass im Bairischen ana- loge Bildungen auf -t ebenfalls gut belegt sind (siehe dazu (4), (5), (6), wo alemannische (a) und bairische Bildungen (b) gegenübergestellt sind).

  1. (4) a. Wenn a ma ou schöne blume brät! ‚Wenn er mir schöne Blumen brächte‘ (DiÖ, PP02-Korpus, LI-alt-w)

    b. Wenn a ma do a […] wöche bracht! ‚Wenn er mir doch auch welche brächte‘ (DiÖ, PP02-Korpus, AB-alt-m)

  2. (5) a. Wenn a nit so viel wett! ‚Wenn er nicht so viel wollte‘ (DiÖ, PP02-Korpus, LI-alt-w)

  3. Wonn a ned oiwai vo mia wos woit! ‚Wenn er nicht allerweil von mir etwas wollte‘ (DiÖ, PP02-Korpus, LS-alt-w)

    b. Wonn a ned oiwai vo mia wos woit! ‚Wenn er nicht allerweil von mir etwas wollte‘ (DiÖ, PP02-Korpus, LS-alt-w)

    (6) a. Wenn i‘s decht tua dürft! ‚Wenn ich es doch tun dürfte‘ (DiÖ, PP02-Korpus, TS-jung-w)

    b. Woma des tuan diaftn! ‚Wenn wir das tun dürfen‘ (DiÖ, PP02-Korpus, WE-alt-w)

Nach der Interpretation von Nübling (1997) müssten auch die bairischen Bildungen konsequen- terweise als schwach angesehen werden. Im Bairischen würden demnach zwei schwache Kon- junktivsuffixe konkurrieren, ohne dass die einschlägige Forschung dies bislang bemerkt hätte (bzw. drei, da auch die Kombination von -t und -at als -tat möglich ist, siehe Beleg (2b)). Plau- sibler erscheint es, das finale -t im Bairischen wie auch im Alemannischen als Teil des Präteri- tumstammes anzusehen und nicht als Konjunktivendung (wie es offensichtlich auch Gabriel (1963: 256) tut). Dafür spricht, dass -t auf Verben mit dentalhaltigen Präteritumstämmen be- schränkt ist – bei den wenigen Verben, bei denen sprachhistorisch kein solcher Stamm vorliegt, aber -t im Konjunktiv trotzdem auftritt (z. B. geben, lassen), kann das -t ohne Weiteres auf einen Wechsel von der starken zur schwachen Präteritumstamm-Bildung zurückgeführt werden (cf. zu analogen Flexionsklassenwechseln im Partizip II Vergeiner i. Dr.). Bei geben deutet auf einen solchen Wechsel zur schwachen Stammbildung auch das Fehlen des Ablauts hin (9).

  1. (7) Wenn a ma no endli amol en solz gebt! ‚Wenn er mir doch endlich einmal das Salz gäbe‘ (DiÖ, PP02-Korpus, FO-alt-w)

Da in Vorarlberg die Suffixe -ti bzw. -te6 und -tat nicht belegbar sind und bei Fällen mit -t der Status als Konjunktivsuffix fraglich ist, ist für den alemannischen Teil des Untersuchungsraums vor allem die starke synthetische Konjunktivbildung relevant. Gemäß Nübling (1997: 108) sind -Ø und -i als starke Konjunktivendungen im Alemannischen verbreitet. Für Vorarlberg ist insbesondere die Bildung -Ø (8) dokumentiert (cf. wiederum VALTS 2000;Graf 1977: 286– 297; Gabriel 1963: 256–257), die Form mit -Ø liegt unserer Ansicht nach auch bei den obigen Belegen (4a), (5a), (6a), (7) vor.

  1. (8) Und wenn a doch endlich amal do wär! ‚Und wenn er doch endlich einmal da wäre‘ (DiÖ, PP02-Korpus, LA-alt-m)

2.3 Morphologische Natürlichkeit und Wandeltendenzen des Konjunktivs II in bairi- schen und alemannischen Dialekten

Wandeltendenzen des Konjunktiv II in den bairischen und alemannischen Dialekten wurden in der Forschung schon häufiger mit Strukturbildungsprinzipien der Morphologischen Natürlich- keitstheorie in Verbindung gebracht (cf. zum Beispiel Nübling 1997; Bittner/Köpcke 2010; Wilde 2015). Dazu zählen Ikonizität, Uniformität, Transparenz, Wortlänge, Tokenfrequenz und Systemangemessenheit. In weiterer Folge wird genauer auf die Prämissen der Morphologischen Natürlichkeitstheorie eingegangen, bevor spezifischer Mutmaßungen zur Konjunktiv II-Ent- wicklung im Rahmen der Theorie angestellt werden.

2.3.1 Prämissen der Morphologischen Natürlichkeitstheorie

Die Morphologische Natürlichkeitstheorie erklärt und prognostiziert die Entwicklung sprachli- cher Struktur anhand fundamentaler Einsichten in die Sprecher- und Hörerpsychologie (cf. Ma- yerthaler 1981;Wurzel 1984; Dressler 1987). Demnach sind bestimmte sprachliche Strukturen für die Sprecher/innen und Hörer/innen einfacher zu produzieren und zu dekodieren als andere. Grade der Einfachheit werden dabei mit Graden der Unmarkiertheit und Natürlichkeit gleich- gesetzt (Elsen 2011: 17). Folglich ist ein morphologisches Phänomen „umso weniger markiert, je natürlicher es ist, und um so [sic!] mehr markiert, je weniger natürlich es ist. Markiertheit/Na- türlichkeit bilden eine Skala von maximal markiert/minimal natürlich bis zu minimal mar- kiert/maximal natürlich“ (Wurzel 1984: 21). Maximal natürlich sind morphologische Struktu- ren der universalen Fassung der Morphologischen Natürlichkeitstheorie zufolge dann, „wenn sie konstruktionell ikonisch, uniform und transparent“ sind, andernfalls sind sie „mehr oder wenig unnatürlich“ (Mayerthaler 1981: 22). Sprachliche Strukturen sind transparent, wenn sie sich durch monofunktionale Operationen konstituieren (Mayerthaler 1981: 35), einem Mor- phem also eine Funktion entspricht. Uniform sind sie, wenn einer Funktion genau eine Form zugeordnet werden kann, Paradigmen folglich frei von Allomorphie sind (Mayerthaler 1981: 34–35). Konstruktionell ikonisch sind sprachliche Strukturen, wenn das, was semantisch kom- plexer ist, auch ausdrucksseitig merkmalhafter kodiert wird. Um ein Beispiel zu geben: Die grammatischen Kategorien Plural, Präteritum und Konjunktiv II erweisen sich gegenüber den Kategorien Singular, Präsens und Indikativ als semantisch komplexer, weshalb sie nach Ansicht der Morphologischen Natürlichkeitstheorie ausdrucksseitig durch entsprechende mor- phologische Markierungen auch aufwendiger kodiert sind.

Obwohl morphologischer Sprachwandel laut der Morphologischen Natürlichkeitstheorie mit dem Abbau von Markiertheit und der Herstellung optimaler – i. e. maximal ikonischer, unifor- mer und transparenter – Symbolisierung einhergehen sollte, liegen oftmals auch markierte Strukturen vor. Das wird damit erklärt, dass sich die Prinzipien der Morphologischen Natür- lichkeit und der Phonologischen Natürlichkeit als Kräfte des Sprachwandels diametral entge- genstehen. Natürlichkeit in der Phonologie wird häufig mit Artikulationserleichterung und dem damit einhergehenden Abbau von morphologischem Material gleichgesetzt. Phonologische Na- türlichkeit sei dabei in erster Linie den Sprecherbedürfnissen geschuldet, wohingegen Natür- lichkeit in der Morphologie durch die Bedürfnisse der Hörer/innen nach Transparenz und damit Perzeptionserleichterung bedingt sei (Wurzel 1984: 33).

Des Weiteren werden markierte Formen durch Präferenzen bzw. häufige Typen innerhalb eines Sprachsystems erklärt. Wurzel (1984: 72) arbeitet im Sinne einer systemangemessenen Mor- phologischen Natürlichkeitstheorie heraus, dass Flexionsklassen innerhalb von Einzelsprachen für Sprecher/innen einen unterschiedlichen Status haben (können). Eine Flexionsklasse wird als Klasse von Wörtern definiert, die morphologische Kategorien und Kategorienbündel in for- mal einheitlicher Weise symbolisiert, also über einheitliche, von der Einzelsprache abhängige Marker verfügt (Wurzel 1984: 79). Dabei kann der Normalitätsgrad von Flexionsklassen – ge- messen an der Type-Frequenz – unterschiedlich ausfallen. „Miteinander konkurrierende Flexi- onsklassen unterscheiden sich in der Regel in ihrem Normalitätsgrad.“ (Wurzel 1984: 73) In der systemangemessenen Morphologischen Natürlichkeitstheorie nach Wurzel (1984) wird da- mit Normalität zum Kriterium erhoben, um morphologischen Wandel zu erklären. Ihr zufolge wird eine Flexionsklasse FKi im Sprachwandel gegenüber einer Flexionsklasse FKj bevorzugt, wenn sie im Sprachsystem einen höheren Normalitätsgrad hat. Bezogen auf die Type-Frequenz scheinen sich somit größere Flexionsklassen auf Kosten kleinerer auszudehnen. Auf diese Weise wird beispielsweise der Übergang vieler starker Verben in die Flexionsklasse der schwa- chen Verben erklärt. Beharrlich gegenüber solchen Wandeltendenzen sind allerdings hochfre- quente Verben, die in der Regel auch ausdrucksseitig kürzer sind. Anhand der Token-Frequenz lassen sich somit auch morphologische Entwicklungen erklären, die zu mehr Irregularität oder Suppletion führen (Werner 1987; Ronneberger-Sibold 1988; Nübling 1997, 2000).

Neben der Kritik, dass sich die systemangemessene Morphologische Natürlichkeitstheorie zu sehr an der Type-Frequenz von morphologischen Mustern sowie dem Abbau von Markiertheit orientiere (cf. Werner 1987; Ronneberger-Sibold 1988; Nübling 1997, 1999, 2000), wurde auch betont, dass Wandelprozesse vernachlässigt würden, die syntaktische Kodierungen befördern. Für die typologische Entwicklung deutscher Varietäten ist etwa ein Abbau morphologischer Markierung zugunsten eines syntaktisch-organisierten analytischen Sprachbautyps zu beobach- ten (cf. Simon 2015; Nübling et al. 2017). Das zeigt sich beispielsweise im Nominalbereich im Abbau der Kasusmarkierung am Substantiv, im Verbalbereich im sogenannten Präteritum- schwund (cf. Fischer 2018), der insbesondere für die oberdeutschen Dialekte besonders weit vorangeschritten ist und der Konjunktiv II-Bildung potenziell die Ableitungsbasis entzieht (siehe Kapitel 2.1). Wir werden im Folgenden darauf eingehen, wie sich die morphologischen Strukturbauprinzipien Ikonizität, Uniformität, Transparenz, Wortlänge, Tokenfrequenz und Systemangemessenheit auf die Konjunktiv II-Entwicklung in den bairischen und alemanni- schen Dialekten auswirken könnten.

2.3.2 Mutmaßungen zur Konjunktiv II-Entwicklung

Wie in den Kapiteln 2.1 und 2.2 dargelegt wurde, gilt es, sowohl für die bairischen als auch die alemannischen Dialekte, drei zentrale Wandeltendenzen hinsichtlich der Konjunktiv II-Bildung in den Blick zu nehmen und empirisch zu überprüfen:

  1. 1. Welche Verben und Verbklassen bevorzugen welches synthetische Muster (schwach, stark, gemischt)?

  2. 2. Verdrängt die analytische bzw. periphrastische Bildung die synthetische?

  3. 3. Setzt sich das würde- oder das täte-Auxiliar für die analytische bzw. periphrastische Bil- dung durch?

Gesucht werden damit unter anderem Antworten auf Fragen nach den Bedingungen und der Stabilität der synthetischen Konjunktiv II-Bildung und ihrem Verhältnis zum analytischen Bil- dungsmuster (cf. Bittner/Köpcke 2010).

Ungeachtet des Präteritumschwunds in den oberdeutschen Dialekten und der Tatsache, dass die synthetischen Konjunktivformen zumindest im Standard ein prototypischer Übergangskandidat vom synthetischen zum analytischen Sprachbauprinzip sind, haben sich grundsätzlich sowohl in den bairischen als auch den alemannischen Dialekten distinkte Bildungsweisen synthetischer Konjunktiv II-Formen etabliert (siehe Kapitel 2.1 und 2.2). Weil wir jedoch für die alemanni- schen Dialekte in Österreich im Vergleich zu den Bairischen kein schwaches synthetisches Muster nachweisen können (siehe Kapitel 2.2), sind die beiden Dialekte hinsichtlich der oben aufgeworfenen Fragen allerdings unterschiedlich zu beurteilen

In den bairischen Dialekten Österreichs kommen schwache, starke und gemischte Bildungs- muster zum Einsatz (siehe Tabelle 1), die miteinander konkurrieren (cf. Stöckle 2020). Auffäl- lig ist dabei, dass sich das schwache Bildungsmuster mit dem Suffix -at auch auf starke und irreguläre Verben auszudehnen scheint.7

Die synthetische Konjunktivbildung folgt somit konkreten Distinktivitätsmustern, die sich außer- dem zunehmend von einer Differenzierung ihrer Verwendung hinsichtlich starker oder schwacher bzw. regelmäßiger oder unregelmäßiger Verben lösen. Das bedeutet, dass die Sprecher miteinan- der konkurrierende Strategien zu Optimierung der (synthetischen) Konjunktivkodierung benut- zen.

(Bittner/Köpcke 2010: 40)

Basierend auf der empirisch kaum gestützten Behauptung, dass die Anzahl der stark und ge- mischt gebildeten Konjunktivformen abnehme, gehen Bittner/Köpcke (2010: 41) davon aus, dass die schwachen Formen mit -at-Suffix am Präsensstamm „klar favorisiert“ seien.

Ihre Bildung ist transparent (ohne Stammveränderung) und uniform (es konkurrieren keine un- terschiedlichen Marker). Sie sind ikonisch, da die komplexere(n) Kategorie(n) formal additiv ge- kennzeichnet ist (sind) und sie sind systemangemessen, weil sie mit Abstand die größte Typefre- quenz aufweisen.

(Bittner/Köpcke 2010: 41)

Damit, so Bittner/Köpcke (2010: 41) weiter, seien „die schwachen Formen den starken und gemischten hinsichtlich dieser morphologischen Struktureigenschaften deutlich überlegen“. Die synthetische Konjunktiv II-Form im Bairischen mit dem Suffix -at bildet damit aus Sicht der Morphologischen Natürlichkeitstheorie die optimale Symbolisierungsstrategie für schwa- che und starke Verben: Dieses Bildungsmuster vermeide nicht nur Synkretismen, sondern sei außerdem maximal ikonisch, uniform und transparent. Zudem sei das Bildungsmuster mit -at- Suffix leicht zu erwerben und zu speichern und zeichne sich gegenüber dem periphrastischen Bildungsmuster durch den Vorteil der Kürze aus.

Insbesondere in der dialektalen Konjunktiv II-Morphologie ließe sich demnach ein Sprachwan- delprozess der synthetischen Musterverfestigung annehmen (Bittner/Köpcke 2010: 42), den Bittner/Köpcke (2010) allerdings nur für die alemannischen Dialekte in der Deutschschweiz empirisch untermauern. Für das Bairische ist die Behauptung jedoch empirisch kaum abgesi- chert. Das trifft auch für die (scheinbare) Bestätigung ihrer Hypothese zu, dass Sprecher/innen dann an der synthetischen Bildung festhielten, wenn die strukturellen Voraussetzungen im Sinne der oben genannten Strukturbauprinzipien dafür gegeben seien (cf. Bittner/Köpcke 2010: 42).

Mit Blick auf die alemannischen Dialekte existiert, wie in Abschnitt 2.2 festgestellt, eine schwache Bildung zwar für die Dialekte in der Schweiz (Nübling 1997; Bittner/Köpcke 2010;Wilde 2015), kaum aber in Österreich (cf. Kapitel 2.2 sowie Graf 1977). Hier konkurriert vor- rangig die starke synthetische Bildung mit den periphrastischen Formen, wobei Letztere die schwachen Verben schon völlig vereinnahmt haben dürfte. Es ist davon auszugehen, dass das periphrastische Prinzip im alemannischen Teil Österreichs einen hohen Normalitätsgrad erreicht hat und damit unabhängig von Dialekt-zu-Standard- bzw. Dialekt-zu-Regiolekt-Adver- genzen auch im dialektalen Bereich als systemangemessen gelten kann. In diesen Dialekten haben die periphrastischen Formen den Vorteil der leichteren Lern- und Memorierbarkeit bei weniger frequenten Verben (cf. Wilde 2015: 199). Die periphrastische Bildung ist zudem synkretismenfrei, transparent, einigermaßen uniform (es konkurrieren nur das würde- und das täte-Auxiliar) und ikonisch (Konj. II wird formal aufwendig ausgedrückt). Dieser Bildungstyp dürfte sich also weiter auf die starken Verben ausbreiten. Die analytische Konjunktiv II-Bildung ist nach Nübling (1997: 117) „die typologische Fortsetzung“ des schwachen Bildungsmusters in den oberdeutschen Dialekten. Zwar erfolge dabei „der ‚große Sprung‘ von der Morphologie in die Syntax […]. Doch besteht hier auch eine kontinuierliche Fortsetzung insofern, als die additive Kombinatorik der Morpheme lediglich gesteigert wird und deren Distributionsregeln nicht mehr morphologisch von der Wortart Verb gesteuert werden, sondern syntaktischer Natur sind“ (Nübling 1997: 117).

3 Daten und Methoden

Die vorliegende Untersuchung beruht auf einem Korpus, das im Rahmen des Teilprojekts 02 „Variation und Wandel dialektaler Varietäten in Österreich (in real und apparent time)“ (FWF Projekt Nr. F06002; Projektleiter Stephan Elspaß) des SFB-Projekts „Deutsch in Österreich (DiÖ)“ (SFB F060) erstellt wurde. In Kapitel 3.1 wird die Zusammensetzung dieses Korpus näher beschrieben. Daran anschließend werden in Kapitel 3.2 die Items, die für diese Untersu- chung ausgewertet wurden, genauer vorgestellt. Hierauf folgen Angaben zur Kodierung des Datenmaterials in Kapitel 3.3 und zu den statistischen Verfahren, mit denen das Datenmaterial analysiert wurde, in Kapitel 3.4.

3.1 Datenkorpus

Das vorliegende Korpus beruht auf einer Dialektbefragung mit Fragebuch, welche mit 163 Ge- währspersonen (GP) an 40 Orten in Österreich durchgeführt wurde. Alle Untersuchungsorte sind stark rural geprägt und verkehrsfern gelegen. In Abbildung 1 ist die Lage der Untersu- chungsorte dargestellt, wobei die Nummerierung auf Tabelle 2 verweist, in welcher die Namen der Orte und die korrespondierenden Bundesländer aufgelistet werden. Wie Abbildung 1 zeigt, werden mit der vorliegenden Untersuchung alle relevanten Dialektareale Österreichs abgedeckt (siehe dazu die Dialekteinteilung nach Wiesinger 1983, die Abbildung 1 zugrunde liegt).


Abbildung 1:
Untersuchungsorte und ihre Lage in den österreichischen Dialektregionen (nach Wiesinger 1983)

Tabelle 2:
Untersuchungsorte (die Nummern verweisen auf Abbildung 1)

In jedem Untersuchungsort wurden vier GP befragt – nur in einem Ort, Ulrichsberg, waren es sieben –, wobei jeweils die Hälfte der GP der jüngeren und die andere Hälfte der älteren Gene- ration angehört (mit ausgeglichener Geschlechterverteilung). Die Wahl der GP folgte klassi- schen dialektologischen Einteilungskriterien (Chambers/Trudgill 1998: 29–30): Alle GP sind im jeweiligen Untersuchungsort geboren und aufgewachsen, wobei auch zumindest ein Eltern- teil aus dem Untersuchungsort stammt. Nicht nur die räumliche, auch die soziale Mobilität der GP ist gering – so weisen die GP allesamt einen niedrigeren formalen Ausbildungsgrad auf und gehen bzw. gingen einer manuellen beruflichen Tätigkeit nach, zumeist im Bereich der Land- wirtschaft. Nicht zuletzt durch die Anwendung dieser soziolinguistischen Kriterien bei der Wahl der Orte und GP ist gewährleistet, dass tatsächlich ein relevanter Ausschnitt des „tiefs- ten“, i. e. des kleinräumigsten und standardfernsten Dialekts in Österreich analysiert werden kann.

3.2 Items

Das der Dialektbefragung zugrundeliegende Fragebuch beinhaltet verschiedene Aufgabenty- pen, u. a. Übersetzungsaufgaben, Bildbenennungsaufgaben und Ergänzungsaufgaben. Bei Letzteren mussten die GP zum Beispiel Verbalparadigmen vervollständigen, wobei nach dem Infinitiv, dem Partizip II, den Personalformen des Indikativ Präsens sowie der 3. Person des Konjunktiv II gefragt wurde. Für die vorliegende Untersuchung wird analysiert, wie die GP den Konjunktiv II bei 21 Verben realisierten. Tabelle 3 zeigt, um welche Verben es sich dabei han- delt. Deutlich wird, dass Verben unterschiedlicher Klassen in die vorliegende Untersuchung einfließen: Das sind einerseits schwache Verben (Nr. 1–6), andererseits starke Verben (Nr. 8– 13). Beim Verb bringen (Nr. 7) ist die Zuordnung problematischer – sprachhistorisch handelt es sich um ein starkes Verb mit Ablaut, das allerdings früh seine Präteritum- und Partizipformen mit Dentalsuffix bildet. Zu den genannten Verbklassen kommen Modalverben (Nr. 14–18)8 sowie die „besonderen“ Verben tun (Nr. 19), haben (Nr. 20) und sein (Nr. 21), die neben ihrer Funktion als Vollverben auch als Auxiliarverben gebräuchlich sind (bei sein zusätzlich zur Funktion als Kopulaverb). Diese Vielzahl unterschiedlicher Verben und Verbklassen erlaubt es, im Rahmen der vorliegenden Untersuchung auch innersprachliche Faktoren bei der Kon- junktiv II-Variation aufzudecken.

Tabelle 3:
Stimuli, Anzahl der GP mit gültigen Antworten pro Stimulus sowie Anzahl der Belege pro Stimulus (mit Mehrfachantworten)

In Tabelle 3 wird auch angegeben, wie viele GP eine (gültige) Konjunktiv II-Form bei den 21 gewählten Verben realisiert haben – schließlich produzierten manche GP keinen Konjunktiv II oder sie nutzten andere Verben, welche hier nicht gezählt wurden (beispielsweise flicken statt nähen). Andererseits äußerten manchen GP mehr als eine Konjunktiv II-Variante beim selben Lexem; da diese intraindividuelle Varianz hier nicht ausgeblendet werden soll (cf. zur Diskus- sion beispielsweise Bülow/Scheutz/Wallner 2019), fließen auch diese Belege in die Untersu- chung ein. Mitsamt den Mehrfachantworten liegen der vorliegenden Studie insgesamt 3.430 Belege zugrunde, wobei jede der 163 GP durchschnittlich 21 Belege realisiert hat.

3.3 Kodierung

Im Rahmen der Datenauswertung wurden alle 3.430 Konjunktiv II-Realisierungen annotiert. In Anlehnung an die bisherige Forschung (siehe Kapitel 2.1 sowie Kapitel 2.2) wurden dabei fünf Varianten unterschieden, die nachfolgend durch Beispiele aus dem Untersuchungskorpus illus- triert werden:

  1. 1) Synthetische Konjunktiv II-Formen mit starker Flexion: Im Bairischen sind das Formen mit Präteritumstamm ohne -at, siehe beispielsweise wenn a des nit woit (‚wenn er das nicht wollte‘; DiÖ, PP02-Korpus, KS-jung-m); zum Teil kommt es dabei auch zur Modifikation des Präteritumstammes durch Umlautbildung, siehe beispielsweise wenn ea‘s braicht (‚wenn er es bräuchte‘; DiÖ, PP02-Korpus, HB-jung-m). Auch starke alemannische Bil- dungen werden hierzu gerechnet, so etwa die Formen mit Präteritumstamm auf -t (siehe Kapitel 2.2), siehe beispielsweise wenn a nit allig so viel vo mir wet (‚wenn er nicht immer so viel von mir wollte‘; DiÖ, PP02-Korpus, TS-alt-m).

  2. 2) Synthetische Konjunktiv II-Formen mit schwacher oder gemischter Flexion: Da das schwa- che alemannische Suffix -ti bzw. -te im Korpus nicht belegt ist, fasst die Kategorie die mit bairischem -at gebildeten Formen zusammen; siehe für eine Form mit schwacher Bildung: wonn a do etwas kafat (‚wenn er doch etwas kaufte+at‘; DiÖ, PP02-Korpus, AB-alt-w); siehe für eine Form mit gemischter Bildung: wonn a do glei a weng mea zeit hedat (‚wenn er doch gleich ein wenig mehr Zeit hätte+at‘; DiÖ, PP02-Korpus, DB-jung-m). Zu erwäh- nen ist, dass auf eine weitergehende Differenzierung zwischen schwachen und gemischten Formen verzichtet wurde, da die gemischte Bildung von vornherein lexikalisch auf die um- bzw. ablautfähigen Verben beschränkt ist und auch dort nur bei fünf Verben – haben, sein, tun, nehmen, geben – häufiger vorkommt (dort allerdings fast immer).

  3. 3) Periphrastische Konjunktiv II-Formen, gebildet mit würde und Infinitiv, siehe beispiels- weise wonn a‘s ma do endlich geben würde (‚wenn er es mir doch endlich geben würde‘; DiÖ, PP02-Korpus, DB-jung-w).9

  4. 4) Periphrastische Konjunktiv II-Formen, gebildet mit täte und Infinitiv, wobei der Konjunktiv in täte synthetisch ohne Suffix gebildet wird, siehe beispielsweise wonn a liegn tat (‚wenn er liegen täte‘; DiÖ, PP02-Korpus, GP-jung-w).

  5. 5) Periphrastische Konjunktiv II-Formen, gebildet mit täte und Infinitiv, wobei der Konjunktiv in täte synthetisch mit -at gebildet wird, siehe beispielsweise wonn a liegn darat (‚wenn er liegen täte+at‘; DiÖ, PP02-Korpus, AD-jung-m).

3.4 Statistische Verfahren

Die annotierten Daten wurden in weiterer Folge unterschiedlichen Analysen unterzogen. Neben qualitativen Analysen kamen dabei verschiedene quantitative Verfahren zum Einsatz. So wur- den zur Aufdeckung von Strukturen in den Daten unter anderem explorativ-statistische Verfah- ren verwendet – einerseits in Form einer Faktorenanalyse, andererseits in Form einer Cluster- analyse (cf. zu beiden Verfahrensweisen etwa Pickl/Pröll 2019):

  1. · Die Clusteranalyse (CA) wird hier zur Aufdeckung innersprachlicher Faktoren bei der Kon- junktiv II-Variation gebraucht. Eine CA dient dazu, Untersuchungsobjekte – im vorliegen- den Fall die 21 gewählten Verben (siehe Kapitel 3.2) – in natürliche Gruppen, i. e. Cluster, einzuteilen. Dies geschieht induktiv, i. e. auf Basis von wiederkehrenden Mustern in den Daten. In unserer Studie wird die Realisierungsfrequenz der einzelnen Konjunktiv II-Vari- anten in den 40 Untersuchungsorten als Datengrundlage zur Berechnung der CA verwendet. Die in einem Cluster zusammengefassten Objekte sollten intern durch eine möglichst hohe Ähnlichkeit, im Hinblick auf Objekte außerhalb des Clusters durch eine möglichst große Unähnlichkeit gekennzeichnet sein. Wir nutzen eine hierarchische CA auf Basis der Ward- Methode und quadrierter euklidischer Distanz: Bei diesem häufig eingesetzten Verfahren werden die Untersuchungsobjekte sukzessive zu immer größeren Clustern zusammenge- fasst, wobei mit jeder Clusterfusion die Varianz innerhalb des Clusters größer wird (was sich mithilfe eines sogenannten Dendrogramms auch illustrieren lässt). Unter anderem auf Basis inhaltlicher Überlegungen ist zu entscheiden, welche Clusterzahl die optimale Lösung darstellt.

  2. · Zur Aufdeckung räumlicher Strukturen wird eine Faktorenanalyse (FA) genutzt. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren der explorativen Statistik, welches Korrelationen zwi- schen beobachteten Objekten zu latenten, unbeobachteten Strukturen – sogenannten Fakto- ren – zusammenfasst. Diese Datenaggregation führt zu einer Komplexitätsreduktion im Da- tenmaterial bei einem gleichzeitig möglichst umfassenden Erhalt von Informationen. Fak- torenanalysen werden im Rahmen geolinguistischer Untersuchungen inzwischen öfter ein- gesetzt – etwa, um Dialektareale zu identifizieren (cf. beispielsweise Pickl 2013). Ein Vor- teil dieses Vorgehens ist, dass die FA nicht nur den Untersuchungsraum aufteilt, sondern gleichzeitig auch über die sprachlichen Merkmale Aufschluss gibt, die die Aufteilung be- dingen. In unserer Studie wird auf Basis der Realisierungsfrequenz der einzelnen Konjunk- tiv II-Varianten in den Lexemen eine Hauptachsen-FA mit Varimax Rotation genutzt.

Neben solchen explorativ-statistischen Verfahren werden im Beitrag auch strukturprüfende univariate Verfahren in Form von gemischten Varianzanalysen (mixed ANOVA) eingesetzt. Diese erlauben es, gleichzeitig Inner- und Zwischensubjektfaktoren zu testen – i. e. zu prüfen, welchen Effekt bestimmte Faktoren auf die Varianz innerhalb einer Person haben (innersprach- liche Faktoren wie beispielsweise die Realisierung unterschiedlicher Lexeme) und welchen Ef- fekt Faktoren haben, die zwischen Personen variieren (außersprachliche Faktoren wie beispiels- weise die regionale Herkunft). Ein großer Vorteil ist dabei, dass neben solchen einfachen Haupteffekten auch Interaktionseffekte zwischen den jeweiligen Einflussfaktoren eruiert und auf ihre Signifikanz geprüft werden können. Wichtig für die vorliegende Analyse ist nicht zu- letzt, dass sich über ANOVAs außerdem die Stärke der einzelnen Effekte bestimmen und ver- gleichen lässt. Aus diesem Grund finden sich die ANOVAs am Ende des folgenden Kapitels zur abschließenden Beurteilung der Effektstärken der zuvor diskutierten Einflussfaktoren. Ebenso wie die FA und die CA wurden auch die ANOVAs mit der IBM-Software SPSS be- rechnet.

4 Ergebnisse

In diesem Abschnitt werden die zentralen Ergebnisse der Studie präsentiert. Dazu wird am Be- ginn, in Kapitel 4.1, ein Überblick über die allgemeinen Ergebnisse der Untersuchung gegeben. Daran anschließend werden diese Ergebnisse vertieft: Zunächst wird detaillierter auf die inner- sprachlichen Faktoren bei der Konjunktiv II-Variation in Form von verbspezifischen Unter- schieden eingegangen (Kapitel 4.2). Hierauf folgt eine genauere Analyse der regionalen Vari- ation (Kapitel 4.3), dann werden die altersspezifischen Unterschiede und die damit verbunde- nen Sprachwandeltendenzen näher beleuchtet (Kapitel 4.4). Zuletzt werden die einzelnen Be- funde in einem Zwischenfazit zusammengefasst, wobei auch die Signifikanz und die Effekt- stärken der zuvor eruierten inner- und außersprachlichen Faktoren bestimmt werden (Kapitel 4.5).

4.1 Allgemeine Ergebnisse

Wie in Kapitel 3.3 beschrieben, wurden im Rahmen der vorliegenden Studie fünf unterschied- liche Konjunktiv II-Varianten unterschieden: 1) synthetische Konjunktive ohne Suffix, 2) syn- thetische Konjunktive mit -at, 3) periphrastische Konjunktive mit würde, 4) periphrastische Konjunktive mit täte-Auxiliar ohne -at sowie 5) periphrastische Konjunktive mit täte-Auxiliar und -at-Suffix. Abbildung 2 zeigt, wie oft diese Varianten im Korpus insgesamt erscheinen.


Abbildung 2:
Realisierung der Konjunktiv II-Varianten im Untersuchungskorpus

Wie deutlich wird, überwiegen täte-Periphrasen – diese werden in mehr als der Hälfte aller Fälle realisiert (n = 1.689,310; das entspricht 51%). Dabei wird täte allerdings nur sehr selten mit -at suffigiert (n = 88,3; das entspricht 3%); die Variante ohne -at dominiert klar (n = 1.601; das entspricht 48%). Synthetische Konjunktiv II-Varianten sind im Korpus ebenfalls oft belegt (n = 1.572,6; das entspricht 47%), wobei hier die Form mit -at überwiegt (n = 1.006,6; das entspricht 30%). Der synthetische Konjunktiv ohne -at tritt allerdings auch häufiger auf (n = 566; das entspricht 17%). Kaum hingegen erscheint die periphrastische Form mit würde (n = 52; das entspricht 2%).

Die Varianz zwischen diesen einzelnen Formen hängt mit unterschiedlichen inner- und außer- sprachlichen Faktoren zusammen. In weiterer Folge soll ein Überblick über diese Faktoren ge- geben werden, bevor die jeweiligen Befunde in den folgenden Abschnitten vertieft werden. Zunächst wird auf innersprachliche Faktoren eingegangen. Abbildung 3 zeigt zunächst, inwie- fern sich die Frequenz der einzelnen Konjunktiv II-Varianten nach Verbklasse unterscheidet.11



Abbildung 3:

Konjunktiv II-Variation nach Verbklasse

Deutlich wird, dass zwischen schwachen und starken Verben im Durchschnitt nur geringfügige Unterschiede bestehen – von diesen Verben unterscheiden sich jedoch die Modalverben und vor allem die unter anderem als Auxiliarverben gebräuchlichen Verben sein, haben und tun stark. Bei den Modalverben wie auch bei sein, haben und tun werden im Vergleich zu den starken und schwachen Verben viel seltener täte-Periphrasen gebraucht, dafür kommen synthe- tische Formen öfter vor. Bei Modalverben betrifft dies vor allem die synthetische Form mit -at, wohingegen bei sein, haben und tun die synthetische Form ohne -at dominiert. Die Zugehörig- keit zu einer bestimmten Verbklasse scheint damit ein Faktor bei der Konjunktiv II-Variation in den ruralen Basisdialekten Österreichs zu sein. Wie Abbildung 4 zeigt, bestehen jedoch auch deutliche Unterschiede innerhalb derselben Verbklasse. So erscheinen etwa die Konjunktiv II- Formen von haben und sein praktisch nie mit täte-Periphrase, beim Vollverb tun kommt die täte-Periphrase jedoch häufiger vor (siehe beispielsweise: jo wonna’s ned endli tua tat, ‚ja, wenn er es nicht endlich tun täte‘, DiÖ, PP02-Korpus, AP-alt-w). Bei den Modalverben zeigen vor allem lassen und dürfen einen häufigeren Anteil an Realisierungen in der synthetischen Form mit -at, während beispielsweise wollen und mögen nicht überdurchschnittlich häufig da- mit realisiert werden.



Abbildung 4:

Konjunktiv II-Variation nach Verb

Angesichts dieser verbspezifischen Unterschiede ist fraglich, ob tatsächlich die Verbklasse für das Variationsverhalten beim Konjunktiv II entscheidend ist. In Kapitel 4.2 wird mittels einer CA untersucht, ob sich induktiv aus den Daten eine andere Einteilung der Verben ermitteln lässt, die den Unterschieden zwischen den Verben besser Rechnung trägt. Den Berechnungen wird dabei nicht die Frequenz der Varianten im Korpus insgesamt zugrunde gelegt, sondern die in den einzelnen Untersuchungsorten. Damit wird berücksichtigt, dass die Konjunktiv II-Bil- dung durch deutliche regionale Unterschiede gekennzeichnet ist. Dass dem so ist, zeigt Abbil- dung 5, wo dargestellt wird, welche Konjunktiv II-Varianten in den Untersuchungsorten insge- samt realisiert werden.


Abbildung 5:
Vorkommen der Konjunktiv II-Varianten in den 40 Untersuchungsorten

In der Karte zeichnen sich gewisse sprachräumliche Verdichtungen ab, die sich mit der her- kömmlichen Dialekteinteilung Österreichs nur bedingt decken. Insbesondere im bairischen Raum besteht kein deutlicher Nord-Süd-, wohl aber ein klarer West-Ost-Gegensatz. Bei näherer Betrachtung lässt sich der Untersuchungsraum in drei Areale gliedern:

  1. · Im Westen besteht ein Areal, in dem v. a. die Periphrase mit unsuffigiertem täte-Auxiliar und daneben auch der synthetische Konjunktiv ohne -at Verwendung findet.

  2. · Östlich davon tritt häufiger die synthetische Form mit -at auf, zusätzlich zu der seltener verwendeten synthetischen Form ohne -at und der periphrastischen Form mit täte-Auxiliar.

  3. · Noch weiter im (Süd-) Osten überwiegen wieder täte-Periphrasen, anders als im westlichen Areal kommt daneben v. a. die synthetische Konjunktiv II-Form mit -at vor.

Inwiefern sich diese räumlichen Muster auch mithilfe explorativ-statistischer Methoden nach- weisen lassen, wird in Kapitel 4.3 näher beleuchtet. Dabei wird auch genauer ermittelt, welche Verben in den jeweiligen Arealen mit welchen Varianten realisiert werden.

Neben dem Raum sind v. a. das Alter und das Geschlecht der GP mögliche außersprachliche Einflussfaktoren. Inwiefern alters- und geschlechtsbezogene Differenzen bei der Konjunktiv II- Variation bestehen, zeigt Abbildung 6.


Abbildung 6:
Alters- und geschlechtsspezifische Konjunktiv II-Variation

Deutlich wird, dass v. a. die altersbezogenen Unterschiede stark sind. Dabei sind es die alten GP, die häufiger synthetische Varianten (mit und ohne -at) gebrauchen. Jüngere GP nutzen im Gegensatz dazu mehr periphrastische Varianten, v. a. mit täte-Auxiliar ohne -at, in geringerem Umfang aber auch mit -at. Die würde-Periphrase nimmt bei jungen GP ebenfalls geringfügig zu. Aus diesen altersspezifischen Unterschieden lassen sich – entsprechend der apparent-time- Hypothese (Chambers/Trudgill 1998: 150) – Wandeltendenzen ableiten, die auf eine Zunahme periphrastischer Konjunktiv II-Formen hindeuten.

Weniger deutlich sind die geschlechterspezifischen Differenzen – diese bestehen hauptsächlich bei der synthetischen Form ohne -at, die von männlichen GP etwas stärker verwendet wird, und bei der periphrastischen Form mit täte-Auxiliar ohne -at, die bei weiblichen GP etwas häufiger ist. Insgesamt gebrauchen somit weibliche GP öfter jene Varianten, die auch bei jüngeren GP zunehmen. Dies entspricht der häufig vorgebrachten These, dass Frauen im Sprachwandel in- novativer sind (cf. Chambers/Trudgill 1998; Romaine 2003: 101; Cheshire 2004; Mattheier 2009). Ist dies der Fall, liegt nahe, dass es Interaktionseffekte zwischen den Faktoren Alter und Geschlecht gibt und besonders junge Frauen mehr periphrastische und dafür weniger synthetische Varianten gebrauchen. Ob dem tatsächlich so ist, wird u. a. in Kapitel 4.5 durch die ANOVAs geprüft. Damit einhergehend wird auch die Signifikanz der alters- und ge- schlechtsbezogenen Unterschiede getestet. In Kapitel 4.4 wird zuvor mit Blick auf die stärker ausgeprägten altersspezifischen Differenzen beleuchtet, wo räumliche Schwerpunkte des Wan- dels liegen und welche Verben vom Wandel besonders betroffen sind.

4.2 Verbspezifische Unterschiede

Kapitel 4.1 hat gezeigt, dass sich die einzelnen untersuchten Verben stark in ihrem Variations- verhalten bei der Konjunktiv II-Bildung unterscheiden. Dabei wurde deutlich, dass die Eintei- lung in Verbklassen diese Unterschiede nur bedingt erklärt. In diesem Abschnitt wird durch die Anwendung einer Clusteranalyse (CA) versucht, induktiv aus dem Datenmaterial eine bessere Einteilung der Verben zu gewinnen. Da, wie ebenfalls bereits deutlich wurde, die einzelnen Konjunktiv II-Varianten in unterschiedlichen Regionen verschieden häufig realisiert werden, liegt nahe, dass auch die Einzelverben ein regional unterschiedliches Variationsverhalten zei- gen. Aus diesem Grund wird als Berechnungsgrundlage für die CA die Realisierungsfrequenz der Konjunktiv II-Varianten in den Untersuchungsorten je nach Verb verwendet. Abbildung 7 zeigt das Ergebnis der CA in Form eines Dendrogramms, wobei links die Clusterzugehörigkeit der Verben bei einer Lösung mit sechs Clustern angegeben ist. Diese Lösung erweist sich auf Basis inhaltlicher Überlegungen als beste Lösung, da alle sechs Cluster mit eindeutigen Unter- schieden bei der Realisierungsfrequenz der Konjunktiv II-Varianten in den Untersuchungsorten einhergehen, wie die Karten in Abbildung 8 belegen.


Abbildung 7:
Ergebnis der Clusteranalyse bei einer Lösung mit sechs Clustern


Abbildung 8:
Realisierungsfrequenz der Konjunktiv II-Varianten in den Untersuchungsorten nach den Clustern 1 bis 6

Eine Lösung mit sechs Clustern führt zunächst zur Zusammenfassung der Verben ziehen, hel- fen, sagen, nehmen, glauben, liegen, kaufen, brauchen und machen in Cluster 1 – bei diesen Verben überwiegen zwei Varianten mit deutlicher räumlicher Verteilung: Dabei handelt es sich einerseits um die synthetische Form mit -at, die vor allem in einem breiten Streifen zwischen Innsbruck im Südwesten und Linz im Nordosten auftritt, und die periphrastische Form mit täte- Auxiliar, die sowohl westlich als auch südöstlich davon begegnet. Cluster 1 bildet mit Cluster 2 ein übergeordnetes Cluster – dies ist nachvollziehbar, zeigen doch die Verben in Cluster 2 (nähen und lesen) ein ähnliches Raumbild wie die Verben in Cluster 1. Allerdings ist Cluster 2 durch eine eindeutig geringere Verbreitung der synthetischen Form mit -at gekennzeichnet, wohingegen die periphrastische Form mit täte-Auxiliar weiter verbreitet ist. Etwas häufiger als bei Cluster 1 kommt dabei die Form vor, bei der das täte-Auxiliar mit -at suffigiert ist, die täte- Periphrase ohne -at dominiert nichtsdestoweniger auch in Cluster 2 klar.

Ein eigenständiges Raumbild zeigen auch die Verben geben, können, mögen, bringen und wol- len, die zusammen Cluster 3 bilden. Anders als bei Cluster 1 und 2 spielt bei Cluster 3 die nicht- suffigierte synthetische Form eine bedeutsame Rolle. Sie tritt zwischen Innsbruck und Linz öfter auf, aber auch weiter westlich in Westtirol und Nord-Vorarlberg. Dort variiert sie mit der täte-Periphrase ohne -at, während zwischen Innsbruck und Linz zusätzlich die synthetische Form mit -at häufiger ist. Diese Form wiederum kommt neben periphrastischen Varianten auch im Südosten vor, die synthetische Form ohne -at begegnet dort indes kaum. Das Verb tun, das alleine Cluster 4 bildet, zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit den Verben aus Cluster 3, jedoch ist bei tun die synthetische Form ohne -at viel häufiger belegt, während die synthetische Form mit -at seltener realisiert wird. Das Verbreitungsareal der synthetischen Form ohne -at erstreckt sich hier außerdem weiter in den Osten, wo die periphrastische Form mit täte-Auxiliar dafür weniger oft genutzt wird.

Mit den bislang besprochenen Clustern werden dürfen und lassen, die gemeinsam Cluster 5 bilden, erst spät zusammengefasst. Beide Verben zeigen ein eigentümliches Variationsverhal- ten, insofern die synthetische Form mit -at sehr häufig dokumentiert ist. Abgesehen von den Orten in Vorarlberg und Westtirol sowie denen im äußersten Osten überwiegt diese Form imUntersuchungsraum. Die synthetische Form ohne -at ist bei Cluster 5 weitgehend auf den Wes- ten und, in geringerem Ausmaß, den Osten Österreichs beschränkt. Ähnliches gilt für die täte- Periphrase, die aber auch im Süden, in Kärnten und in Osttirol etwas häufiger belegt ist. Eine deutliche Sonderstellung zeigen sein und haben – diese in Cluster 6 zusammengefassten Verben werden zuletzt mit den übrigen Verben vereint. Wie schon in Kapitel 4.1 festgestellt, besteht bei diesen Verben eine klare Dominanz synthetischer Formen. Dabei tritt die synthetische Form ohne -at im gesamten Untersuchungsraum oft auf, östlich von Innsbruck ist aber auch die Form mit -at gut belegt, wobei ihre Frequenz nach Osten hin zunimmt.

Im Hinblick auf das Variantenvorkommen im Untersuchungsraum unterscheiden sich die sechs Cluster letztlich klar. Wie deutlich wird, fassen die Cluster allerdings nur bedingt Verben der- selben Verbklasse zusammen. Welche anderen Ursachen es für die Unterschiede zwischen den Verben geben könnte, wird im Diskussionsteil ausführlicher erläutert. Zuvor soll jedoch ge- nauer auf die anderen Einflussfaktoren bei der Konjunktiv II-Variation eingegangen werden. Einen groben Überblick über die räumlichen Strukturen auf Basis der Realisierungen im Kor- pus insgesamt bietet bereits Kapitel 4.1. Aufgrund der Befunde des vorliegenden Abschnitts zur Verbspezifik gilt es, diese Raumstrukturen nun mithilfe explorativ-statistischer Verfahren, die auch die Variantenfrequenz bei einzelnen Verben berücksichtigen, detaillierter zu untersu- chen.

4.3 Regionale Unterschiede

Zur genaueren Analyse der sprachräumlichen Strukturen wurde auf Basis des Variationsver- haltens der einzelnen Lexeme in den 40 Untersuchungsorten eine Faktorenanalyse (FA) durch- geführt. Die Eignung der Daten für eine FA ist gut, wie das Maß der Stichprobeneignung nach Kaiser-Meyer-Olkin (= 0,857) belegt. Auch der Bartlett-Test auf Sphärizität zeigt ein signifi- kantes Ergebnis (χ² = 7859,9; p < .000***), was ebenfalls darauf hindeutet, dass eine FA mit den vorliegenden Daten durchgeführt werden kann.

Das Kaiser-Guttman-Kriterium, aber auch inhaltliche Überlegungen sprechen für eine Lösung der FA mit drei Faktoren. Diese erklären zusammen 83% der Varianz in den Daten. Der erste Faktor (F1) erklärt dabei das Gros der Varianz, nämlich 59,1%, während der zweite Faktor (F2) 20,6% und der dritte Faktor (F3) 3,3% der Varianz erklären. Die für die inhaltliche Interpreta- tion der Faktoren entscheidenden Faktorladungen zeigt Abbildung 9, wobei links die Faktorla- dungen für F1, in der Mitte für F2 und rechts für F3 sichtbar sind. Die Faktorladungen werden dabei mithilfe einer Farbskala visualisiert, wobei eine rote Einfärbung für eine hohe positive Faktorladung steht, i. e. dass der jeweilige Faktor die Varianz an einem Ort gut erklärt. Eine grünliche bzw. blaue Einfärbung, die eine negative Faktorladung darstellt, zeigt dagegen an, dass das Fehlen des Faktors charakteristisch für einen Ort ist


Abbildung 9:
Faktorladungen für F1 (links), F2 (mittig) und F3 (rechts)

Die Faktoren deuten auf eine klare sprachräumliche Gliederung bei der Konjunktiv II-Variation hin: F1 lädt besonders hoch im Westen, aber auch im südlichen und östlichen Untersuchungs- raum. Am niedrigsten sind die Faktorladungen von F1 im Raum zwischen Innsbruck und Linz – hier sind unterdessen die Faktorladungen von F2 besonders hoch. Daneben sind die Faktor- ladungen von F2 auch im Südosten etwas stärker ausgeprägt, während sie im Westen nur schwach vorhanden sind. Dort treten dafür die stärksten Ladungen von F3 auf, wobei die La- dungen von F3 nach Osten hin kontinuierlich abnehmen und sich im Südosten teilweise sogar in den negativen Wertebereich verschieben. Letztlich bestätigt die FA eine Dreiteilung des Un- tersuchungsraums: Im Westen sind F1 und F3 stark, im Nordwesten dominiert F2, südlich und östlich davon sind F1 und – in geringerem Ausmaß – F2 relevant

In Abbildung 9 sind im Hintergrund auch die von der traditionellen Dialektologie angesetzten Dialektgrenzen eingezeichnet (siehe auch Abbildung 1 in Kapitel 3.1). Deutlich wird, dass diese Grenzen auch den bei der FA bestimmten Raumstrukturen nur bedingt Rechnung tragen. Al- lenfalls das westliche Areal lässt sich grob mit dem alemannischen Raum mitsamt den aleman- nisch beeinflussten Gebieten Westtirols identifizieren. Das klar erkennbare Areal zwischen Innsbruck und Linz hingegen deckt sich eindeutig nicht mit einem spezifischen Dialektraum – es ragt vielmehr vom Südbairischen über das Südmittelbairische ins westliche Mittelbairische. Selbiges gilt für das östlich daran anschließende Gebiet.

Ein großer Vorteil der FA ist es, dass sie auch Aufschluss darüber gibt, durch welche sprachli- chen Formen die jeweiligen Faktoren – und damit Areale – charakterisiert sind. Dazu dienen die sogenannten Faktorwerte. Abbildung 10 zeigt diese Werte für die einzelnen Lexeme – zu- sammengefasst in die in Kapitel 4.2 eruierten Cluster – und die jeweiligen Konjunktiv II-Vari- anten. Links sind dabei die Faktorwerte für F1, mittig für F2 und rechts für F3 dargestellt.


Abbildung 10:
Faktorwerte für F1 (links), F2 (mittig) und F3 (rechts)

Wie die Abbildung zeigt, bündelt F1 vor allem die periphrastische Form mit täte-Auxiliar ohne -at – dies gilt für die Lexeme aus Cluster 1 und 2, in etwas geringerem Ausmaß auch für die aus Cluster 3 und 4; bei Cluster 5 weist F1 keine charakteristische Variante auf, während für Cluster 6 insbesondere die synthetische Form ohne -at charakteristisch für F1 ist.

Bei F2 ist die Vielfalt der auf den Faktor ladenden Konjunktiv II-Varianten größer: Bei den Lexemen in Cluster 1 kennzeichnet F2 zuvorderst die synthetische Form mit -at, dasselbe gilt bei den Lexemen in Cluster 5 und, in geringerem Umfang, auch bei Cluster 3. Bei Cluster 4 und Cluster 6 ist indes die synthetische Form ohne -at charakteristisch für F2, bei den Lexemen in Cluster 2 die periphrastisch Form mit täte-Auxiliar.

F3 ist hauptsächlich bei den Lexemen aus den Clustern 3, 4, 5 und 6 durch hohe Faktorwerte bei der synthetischen Form ohne -at charakterisiert. Auffälligerweise bestehen bei diesem Fak- tor zusätzlich starke negative Werte für die synthetische Form mit -at, i. e. in den Regionen, wo F3 dominiert, kommt diese Form bei den betreffenden Lexem-Clustern nicht oder nur selten vor.

Tabelle 4:
Regionale Einteilung auf Basis der FA

4.4 Sprachwandeltendenzen

In Kapitel 4.1 wurde nachgewiesen, dass sich alte und junge GP deutlich in ihrem Variations- verhalten beim Konjunktiv II unterscheiden. Dabei verwenden jüngere GP die periphrastische Form mit täte-Auxiliar häufiger, während ältere GP noch stärker die synthetischen Formen mit und ohne -at nutzen. Aus diesen Unterschieden lassen sich – im Sinne der apparent-time-Hy- pothese – Wandeltendenzen ableiten.

Gezeigt wurde in den vorangegangenen Abschnitten allerdings auch, dass es deutliche interle- xikalische und -regionale Differenzen bei der Konjunktiv II-Variation gibt (siehe Kapitel 4.2 und Kapitel 4.3). Deshalb muss genauer auf die altersbezogenen Unterschiede in den einzelnen Lexem-Clustern und Regionen eingegangen werden, um mögliche Interdependenzen freizule- gen. Abbildung 11 stellt zunächst die altersbezogenen Unterschiede bei den Lexem-Clustern dar. Die Abbildung zeigt dabei jeweils links für jedes Cluster die durchschnittlich auftretende Variantenfrequenz bei alten und rechts die bei jungen GP.


Abbildung 11:
Unterschiede zwischen alten und jungen GP bei den sechs Lexem-Clustern

Ersichtlich wird, dass im Hinblick auf die einzelnen Lexem-Cluster unterschiedliche altersspe- zifische Differenzen – und damit Wandeltendenzen – bestehen: So verwenden die jungen GP vor allem bei Cluster 4, in etwas geringerem Umfang auch bei den Clustern 1, 3 und 5 häufiger die periphrastische Form mit täte-Auxiliar ohne -at, im Hinblick auf Cluster 2 und 6 gilt dies jedoch nicht. Bei Cluster 2 realisieren junge GP sogar seltener die periphrastische Form mit täte-Auxiliar ohne -at, dafür häufiger die periphrastische Form mit täte-Auxiliar mit -at. Bei Cluster 6 ist es die synthetische Form mit -at, die bei den jungen GP häufiger wird, dafür ver- wenden sie weniger die synthetische Form ohne -at. Letzteres gilt auch für die Cluster 3, 4 und 5, wobei bei den Clustern 3 und 5, vor allem aber bei Cluster 1 außerdem die synthetische Form mit -at seltener genutzt wird.

Welche räumlichen Schwerpunkte es bei den apparent-time-Unterschieden gibt, zeigt Abbil- dung 12, in der links die Realisierungen der alten, rechts die der jungen GP dargestellt sind.


Abbildung 12:
Unterschiede zwischen alten und jungen GP in den Untersuchungsorten

Die Karten zeigen eine deutliche Zunahme der periphrastischen Form mit täte-Auxiliar vor allem bei den jungen GP im mittleren Areal zwischen Innsbruck und Linz (siehe Kapitel 4.3). Realisieren die alten GP dort noch kaum diese Form, ist sie bei den jungen GP fast überall gut dokumentiert. Der Anteil der synthetischen Form mit und ohne -at schrumpft in diesem Areal zugleich stark. Auch im westlichen Areal nimmt die periphrastische Form mit täte-Auxiliar zu – diese Zunahme ist aber deutlich schwächer ausgeprägt und findet insbesondere zulasten der synthetischen Form ohne -at statt. Am wenigsten klar sind die apparent-time-Unterschiede im südöstlichen Gebiet: Während sich dort vor allem in den südlichen Orten eine Zunahme der- periphrastischen Form mit täte-Auxiliar ohne -at abzeichnet, wird diese Form weiter im Osten eher seltener. Auffälligerweise bleibt das häufigere Auftreten der periphrastischen Form mit würde-Auxiliar bei jüngeren GP auf zwei kleine Areale im Osten einerseits um Wien und an- dererseits um Graz beschränkt. Dies dürfte auf eine gewisse Ausbreitung standardnäherer, städ- tischer Varianten in ihrem Umland hindeuten (cf. Breuer/Wittibschlager 2020; Edler/Oberdor- fer 2022).

4.5 Varianzanalysen: Inner- und Zwischensubjektfaktoren

Um abschließend zu prüfen, wie stark diese einzelnen innersprachlichen, soziolinguistischen und sprachgeografischen Faktoren die Konjunktiv II-Variation in Österreich beeinflussen, wurde für die fünf Konjunktiv II-Varianten jeweils eine gemischte Varianzanalyse (mixed A- NOVA) durchgeführt. Ausgehend von den Realisierungsfrequenzen der 163 GP fungierte die Frequenz der einzelnen Konjunktiv II-Varianten pro Lexem-Cluster als Innersubjektorfaktor. Die soziolinguistischen und sprachgeografischen Faktoren Region, Alter und Geschlecht wur- den als Zwischensubjektfaktoren definiert. Um den Voraussetzungen der ANOVA – Homoge- nität der Fehlervarianzen und Gleichheit der Kovarianzenmatrizen – zu genügen, wurden die Daten einer Box-Cox-Transformation unterzogen. Die berechneten Levene- und Box-Tests zeigten im Anschluss nicht-signifikante Ergebnisse (jeweils p > .05), sodass die Voraussetzun- gen für eine ANOVA erfüllt waren. Da der Mauchly-Test auf Sphärizität signifikante Ergebnisse erbrachte, wurden die ANOVAs mit dem Greenhouse-Geisser-Verfahren korrigiert. Tabelle 5 zeigt die zentralen Ergebnisse der Berechnungen.

Tabelle 5:
Ergebnisse der Varianzanalysen für die fünf Konjunktiv II-Varianten

In der oberen Hälfte der Tabelle (hellgrau eingefärbt) finden sich Angaben zu den einfachen Haupteffekten des Innersubjekfaktors Verb-Cluster bzw. der Zwischensubjektfaktoren Region, Alter und Geschlecht. Diese geben an, welche Effekte die einzelnen Faktoren unabhängig von- einander auf die Varianz im Datenmaterial haben. Darunter finden sich die Interaktionseffekte (dunkelgrau eingefärbt), die angeben, in welchem Maß die Effekte der Faktoren jeweils vonei- nander abhängen. Anders als bei den einfachen Haupteffekten werden in Tabelle 5 aus Platz- gründen nur solche Interaktionseffekte berichtet, die auch ein signifikantes Ergebnis erbrach- ten. Neben der Signifikanz finden sich in Tabelle 5 auch Angaben zum partiellen Eta-Quadrat (η²) – dabei handelt es sich um ein Maß der Effektstärke, das Aufschluss darüber gibt, welchen Anteil der Varianz ein Haupt- bzw. Interaktionseffekt erklärt (ein Wert von 1 zeigt dabei, dass 100% der Varianz erklärt werden kann).

Im Hinblick auf die einfachen Haupteffekte wird ersichtlich, dass v. a. die Lexem-Cluster als Innersubjektorfaktoren signifikante Effekte aufweisen. Ein Blick auf die Effektstärke belegt, dass die Clusterzugehörigkeit insbesondere bei der synthetischen Konjunktiv II-Variante ohne -at sowie bei der periphrastischen Variante mit täte-Auxiliar ohne -at einen hohen Teil der Varianz erklärt. Bei der synthetischen Konjunktiv II-Variante mit -at ist der Effekt geringer; vor allem aber bei der periphrastischen Variante mit würde- und täte-Auxiliar mit -at erklärt die Clusterzugehörigkeit einen nur recht geringen Anteil der Varianz, obwohl sie sich auch bei diesen Varianten als signifikanter Faktor erweist. Insgesamt stützt die ANOVA also die Clus- tereinteilung in Kapitel 4.2, wobei auch dort nachgewiesen wurde, dass vor allem die Frequenz der synthetischen Konjunktiv II-Varianten und die der periphrastischen Variante mit täte-Au- xiliar ohne -at die Cluster unterscheidet.

Neben der Clusterzugehörigkeit hat auch die Region einen wichtigen Effekt – die Ergebnisse dazu sind bei beiden synthetischen Konjunktiv II-Varianten und der periphrastischen Variante mit täte-Auxiliar ohne -at signifikant. Diese drei Varianten haben sich auch bei der Faktoren- analyse in Kapitel 4.3 als wesentlich für die Raumbildung bei der Konjunktiv II-Variation er- wiesen, was sich hiermit bestätigt. Auffällig ist, dass bei der synthetischen Variante mit -at die Region als einfacher Haupteffekt sogar wichtiger ist als die Clusterzugehörigkeit. Das mag sich dadurch erklären, dass diese Variante – anders als die beiden anderen – tatsächlich auf gewisse Untersuchungsorte beschränkt ist. Wie bei der synthetischen Variante ohne -at und der periphrastischen Variante mit täte-Auxiliar ohne -at zeigt sich aber auch bei dieser Variante, dass zwischen dem Faktor Raum und der Clusterzugehörigkeit ein signifikanter Interaktionsef- fekt besteht – das heißt, dass sich der Einfluss des Faktors Cluster in Abhängigkeit vom Faktor Raum unterscheidet. Auch dies wurde bereits in Kapitel 4.2 bzw. 4.3 deutlich, werden doch je nach Cluster regional unterschiedliche Formen genutzt.

Das Alter hat als Faktor nur bei der synthetischen Form ohne -at und der periphrastischen Form mit täte-Auxiliar einen signifikanten Einfluss, wobei dieser Effekt besonders bei der ersten Va- riante stärker ausgeprägt ist. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass der Effekt des Faktors Alter mit dem des Clusters sowie dem des Raumes interagiert. Im Hinblick auf die Interaktion zwischen Alter und Cluster sind auch die Effekte bei der synthetischen Variante mit -at signi- fikant, während die signifikanten Interaktionseffekte zwischen Alter, Raum und Cluster nur die synthetische Variante ohne -at und die täte-Periphrase ohne -at betreffen. Der aus den alters- spezifischen Differenzen herleitbare Abbau synthetischer Formen zugunsten periphrastischer Formen betrifft demnach am stärksten die synthetische Form ohne -at und die täte-Periphrase ohne -at, wobei dieser Abbau regional und je nach Lexem-Cluster unterschiedlich ausfällt. Dass dem so ist, wurde bereits in Kapitel 4.4 im Detail demonstriert.

Geprüft wurde im Rahmen der ANOVAs auch, ob das Geschlecht einen Einfluss auf die Kon- junktiv II-Variation hat – in Kapitel 4.1 wurden ja gewisse Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen GP sichtbar. Die ANOVAs zeigen, dass bei keiner Variable aus diesen Unter- schieden ein signifikanter Effekt des Faktors Geschlecht hergeleitet werden kann. Auch Inter- aktionseffekte mit anderen Faktoren bestehen nicht, was unter anderem entkräftet, dass (junge) Frauen den Sprachwandel „anführen“ (siehe Kapitel 4.1). Das Geschlecht der GP ist – anders als das Lexem, die Region und das Alter – für die Konjunktiv II-Variation in den ruralen Ba- sisdialekten Österreichs letztlich kein relevanter Faktor.

5 Diskussion

In Kapitel 4 wurde gezeigt, dass die Konjunktiv II-Variation in Österreich von innersprachli- chen, soziolinguistischen und sprachgeografischen Faktoren abhängig ist, die ihrerseits zusam- menhängen: Besonders deutlich treten die interlexikalischen Unterschiede hervor, wobei sich die Lexeme nach ihrem Variationsverhalten in sechs eindeutig unterscheidbare Cluster gliedern lassen (siehe Kapitel 4.2). Jedes dieser Cluster ist durch spezifische Frequenzen bei den einzel- nen synthetischen und periphrastischen Varianten in den Untersuchungsorten gekennzeichnet. Bevor wir weiter unten in diesem Kapitel eine mögliche Erklärung dafür liefern, warum sich Unterschiede zwischen den Verben ergeben, ist zunächst festzuhalten, dass die Zugehörigkeit der Lexeme zu einzelnen Flexionsklassen (beispielsweise schwache Verben, starke Verben, Modalverben) bei der Zuordnung zu den Lexem-Clustern – und damit beim Vorkommen der einzelnen Varianten – keine unmittelbare Rolle spielt. Dies ist bemerkenswert, da ursprünglich sehr wohl von solchen Unterschieden auszugehen war (cf. Wiesinger 1989). Sie zeigen sich noch in der Untersuchung von Stöckle (2020: 157–161) zur ersten Hälfe des 20. Jahrhunderts, in der die starken Verben und vor allem die unregelmäßigen Verben deutlich häufiger als die schwachen Verben synthetisch ohne -at gebildet wurden. Mit Dammel (2011: 173) kann unter anderem das frequente Auftreten periphrastischer Konjunktivformen als Auslöser für die zu- nehmende Nivellierung der Flexionsklassenunterscheidung angesehen werden, gehe damit doch eine „schwächere lexikalische Verankerung der Konjunktivformen einer“. Als Problem dürfte sich dies besonders bei starken und irregulären Verben erweisen, deren Konjunktivfor- men wegen allfälliger Vokalwechsel durch Ab- und Umlaut nicht aus anderen Formen vorher- sagbar sind. Kann auf die Konjunktivformen dieser Verben nicht mehr zugegriffen werden (oder werden diese beim Spracherwerb nicht mehr aus dem Input erworben), ist naheliegend, dass es zum Zusammenfall mit dem typen-frequenteren schwachen Muster kommt und/oder periphrastische Bildungen weiter zunehmen. Wie die vorliegende Untersuchung zeigt, ist in den österreichischen Dialekten v. a. die stark-schwach-Distinktion beim Konjunktiv II inzwi- schen obsolet, was auch für andere oberdeutsche Dialekte beschrieben wurde (cf. Dammel 2011). Eingedenk des oberdeutschen Präteritumschwunds (cf. Fischer 2018) zieht sich in diesen Dialekten die Flexionsklassenunterscheidung infolgedessen weitgehend auf das – frequentere und als Mittel zur Tempusbildung auch relevantere (cf. Bybee 1985) – Partizip II zurück (cf. dazu Vergeiner i. Dr.).

Neben den verbspezifischen Mustern wird auch ein klares Raumbild erkennbar (siehe Kapitel 4.3), das im Wesentlichen durch eine Aufteilung in drei Areale – eines westlich von Innsbruck, eines im Nordwesten zwischen Innsbruck und Linz und eines südöstlich davon – gekennzeich- net ist. Diese Areale weisen bei den einzelnen Lexem-Clustern jeweils für sie typische Varian- tenausprägungen auf (siehe Kapitel 4.3), wobei diese Variantenkonfigurationen durch die Fak- toranalyse auf drei Hauptfaktoren reduziert werden konnten. Die drei Areale unterscheiden sich darin, welche Faktoren die vorherrschende Varianz im jeweiligen Areal am besten erklären können. Die sprachgeografische Verteilung der Konjunktiv II-Variation deckt sich dabei nur bedingt mit der traditionellen Dialekteinteilung auf phonetisch-phonologischer Basis (cf. Wie- singer 1983). Was sich abzeichnet, ist lediglich die Unterscheidung zwischen einem aleman- nisch dominierten Dialektraum in Vorarlberg und dem bairischen Dialektraum im Rest Öster- reichs. Für Letzteren zeigt sich im Bereich der Konjunktiv II-Bildung allerdings nicht die typi- sche Nord-Süd-Gliederung, wie sie für den phonetisch-phonologischen Bereich erwartbar wäre, sondern eine West-Ost-Staffelung, die deutlich großräumiger organisiert ist. Die oben beschriebene Verteilung zeigt dabei interessanterweise Ähnlichkeiten zur sprachräumlichen Gliederung der Variation bei der Realisierung der adnominalen Possession (cf. Bülow/Vergei- ner/Elspaß 2022). Dementsprechend wäre zu überprüfen, ob sich diese areale Verteilung für weitere syntaktische Variablen erhärtet. Die Großräumigkeit passt auf jeden Fall zu anderen Untersuchungen zur syntaktischen Variation im deutschsprachigen Raum (cf. beispielsweise Glaser 2014).

Die sprachgeografische Grundgliederung für das Bairische deckt sich auch in etwa mit den Befunden von Stöckle (2020) aus den Daten des „Wörterbuchs der bairischen Mundarten in Österreich“, die aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen. Stöckle (2020: 159–161) postuliert aus seinen Ergebnissen zum einen ein „auffälliges Ost/West-Gefälle“ (Stöckle 2020: 159) und zum anderen ein „‚Kerngebiet der starken Konjunktivmarkierung im (West-)Mittel- bairischen‘“ (Stöckle 2020: 161), womit er im Wesentlichen den Raum zwischen Innsbruck und Linz meint (cf. Stöckle 2020: 160, Karte 2). Dieser erweist sich auch in den von uns durch- geführten Faktoranalysen als relevant (siehe Kapitel 4.3). Bemerkenswerterweise zeigen die Ergebnisse von Stöckle (2020) jedoch eine deutlich abweichende Variantenverteilung in den einzelnen Arealen: In unserer Studie zeichnet sich das Areal zwischen Innsbruck und Linz gerade nicht durch das (weitgehende) Fehlen der synthetischen Konjunktivmarkierung mit -at- Suffix aus, sondern vielmehr durch ihr häufigeres Vorkommen. Damit einher geht eine selte- nere Verwendung der täte-Periphrase, die westlich von Innsbruck und östlich von Linz deutlich häufiger ist. Diese Unterschiede könnten auf einen Sprachwandel hindeuten.

Trotz einer hohen Frequenz der täte-Periphrase in Ostösterreich ist die synthetische Bildung (mit und ohne -at-Suffix) noch vorhanden, von einer „starke[n] Verankerung“ (Stöckle 2020: 168) der synthetischen Varianten lässt sich für das gesamte Bairische allerdings kaum mehr sprechen. Gerade im Osten ist das Vorkommen synthetischer Formen selten und im Wesentli- chen auf wenige Lexeme bzw. Lexem-Cluster beschränkt. Einen Abbau synthetischer Varian- ten legt auch die Studie von Breuer/Wittibschlager (2020) nahe, deren Daten auf Sprachpro- duktionsexperimenten im apparent-time-Design beruhen (siehe Kapitel 2.1). Hier zeigt sich in Wien und 11 ruralen Orten, dass die synthetischen Formen stark zugunsten periphrastischer Formen abgebaut werden (insbesondere solchen mit dem würde-Auxiliar).

Auch in der vorliegenden Untersuchung erweist sich das Alter der GP als variationssteuernder Zwischensubjektfaktor (siehe Kapitel 4.5). Die apparent-time-Befunde legen somit einen Ab- bau synthetischer Konjunktivformen (insbesondere solcher ohne -at) zugunsten der periphras- tischen Form mit täte-Auxiliar ohne -at nahe – wie in Kapitel 4.4 gezeigt werden konnte, gilt dies für die meisten, aber nicht alle Lexem-Cluster. Regional befindet sich der Schwerpunkt des Wandels in der Mitte Österreichs, im Areal zwischen Innsbruck und Linz, dem derzeitigen „Kerngebiet“ synthetischer Varianten.

Geht man von einem Abbau synthetischer Formen zugunsten periphrastischer Formen aus, bie- ten sich sowohl für die erwähnten verbspezifischen wie auch die arealen Unterschiede sinnvolle Interpretationsmöglichkeiten. So lassen sich die einzelnen Areale ebenso wie die Lexem-Clus- ter als Ausdruck unterschiedlicher Entwicklungsstadien beim Wandel zu einem analytischen Sprachbau ansehen. Abbildung 13, in der die Anteile periphrastischer Varianten (schwarz) in den Untersuchungsorten pro Lexem-Cluster dargestellt sind, verdeutlicht die Entwicklung.


Abbildung 13:
Die Verbcluster als Ausdruck unterschiedlicher Entwicklungsstadien beim Wandel zum analytischen Sprachbau (schwarz = Anteil periphrastischer Verbformen)

Werden die Lexem-Cluster entsprechend angeordnet – wie in Abbildung 13 –, zeigt sich eine stete Zunahme periphrastischer Varianten ausgehend von Cluster 6, in dem nahezu keine peri- phrastischen Formen vorkommen, hin zu Cluster 2, in dem periphrastischen Formen im gesam- ten Untersuchungsraum deutlich dominieren. Angesichts der Belege für einen Sprachwandel hin zu einem stärker analytischen Sprachbau fasst Cluster 6 somit jene Lexeme zusammen, bei welchen die konservativsten Sprachstände bewahrt sind, bei Cluster 2 herrschen umgekehrt die innovativsten Verhältnisse mit nahezu durchgängiger periphrastischer Bildung. Die übrigen Cluster manifestieren Zwischenstadien mit entweder stärker konservativem oder innovativem Sprachstand.

Bei der Erklärung, wieso die Verben unterschiedlich weit beim Wandel zum analytischen Sprachbau fortgeschritten sind, müssen wohl mehrere Faktoren Berücksichtigung finden – etwa die Verbfrequenz, aber auch die Verwendungsbereiche der Verben. Es überrascht jedenfalls nicht, dass ausgerechnet die frequentesten Funktionsverben – sein und haben – den konserva- tivsten Sprachstand aufweisen, während die eher weniger frequenten Verben lesen und nähen besonders innovativ sind. Gerade bei lesen handelt es sich um ein Verb, das auch semantisch auf standardsprachliche Funktionsbereiche festgelegt ist, bei nähen ist auf die Konkurrenz mit in den Dialekten ursprünglich weit gebräuchlicheren lexikalischen Alternativen (beispielsweise flicken, stricken, schneidern, stopfen) hinzuweisen. Andere Unterschiede zwischen den Verben müssten wohl ähnlich begründet werden.

Durch den Vergleich der einzelnen Cluster lässt sich in weiterer Folge auch die räumliche Aus- breitung periphrastischer Formen nachvollziehen: Bei Cluster 6 kaum belegt, treten periphras- tische Formen bei Cluster 5 zuvorderst an den Randbereichen im Westen (im alemannischen Raum), im Süden (Teile Kärntens und der Steiermark) und im Osten (Niederösterreich, Nord- burgenland) auf; bei Cluster 4 und dann noch stärker bei Cluster 3 und 1 „verbreiten“ sich die periphrastischen Formen von diesen Randbereichen ausgehend immer weiter ins Innere des Untersuchungsraums, bis schließlich bei Cluster 2 ganz Österreich erfasst ist. Letztlich lässt sich über das Raumbild bei den einzelnen Lexem-Clustern somit eine von den Rändern ins Zentrum verlaufende Ausbreitung periphrastischer Formen plausibilisieren.

Die Annahme einer solchen Entwicklung bietet interessante Anschlussmöglichkeiten an Stöckle (2020: 161), dessen Daten nahelegen, dass sich vor einem Jahrhundert eine beinahe parallele Diffusionsbewegung im Hinblick auf die synthetischen Form mit -at ereignet hat. Auch diese haben sich „– möglicherweise aufgrund des Einflusses durch Sprachkontakt – be- sonders an den Rändern des Bairischen und damit auch des geschlossenen deutschen Sprach- raums verbreitet“. Unsere Daten deuten darauf hin, dass diese -at-Bildungen relativ rasch von den Rändern ins Zentrum gelangt sind, wo sie die starken Bildungen zumindest teilweise ersetzt haben und gegenwärtig noch dominieren (siehe oben). In weiterer Folge hat sich die Entwick- lung dann wiederholt, i. e. wiederum von den Rändern des Sprachraums aus kam es zur Ver- breitung noch „innovativerer“ periphrastischer Formen. Was die von Stöckle (2020) vorge- brachte Erklärung über Sprachkontakt angeht, so ist diese zumindest für die gegenwärtige Ent- wicklung nicht gänzlich plausibel, verbreiten sich die periphrastischen Formen doch auch von randständigen Regionen aus, in denen weder aktuell noch historisch von einem verbreiteten Bilingualismus auszugehen ist (beispielsweise Vorarlberg, aber auch Westkärnten). Stattdessen muss wohl von einer multikausalen Entwicklung ausgegangen werden, bei der beispielsweise auch innersystemische Unterschiede zwischen dem alemannischen Westen und dem bairischen Osten Berücksichtigung finden müssen. Im Hinblick auf eine solche Erklärung lassen sich die Befunde unserer Studie auch vor einem breiteren theoretischen Hintergrund, insbesondere dem der Morphologischen Natürlichkeitstheorie, diskutieren.

Für den alemannischen Dialektraum in Österreich sind die Verhältnisse ziemlich eindeutig. Wie wir bereits in Kapitel 2.3.2 aufgrund der morphologischen und syntaktischen Strukturbauprin- zipien diskutiert haben, verliert die starke synthetische Bildung gegenüber dem periphrasti- schen Prinzip – vor allem der täte-Periphrase – an Bedeutung. Die starke synthetische Bildung lässt sich hier fast nur noch bei den „besonderen“ Verben beobachten, deren Stabilität sich mit Frequenzargumenten erklären lässt. Ansonsten ist die täte-Periphrase im Basisdialekt für fast alle Verben die präferierte Variante und scheint ihren Normalitätsgrad – trotz oder gerade we- gen ihrer Stigmatisierung im Standard (cf. Fischer 2001;Langer 2001; Schwarz 2009) – weiter auszubauen. Die Vorteile dieses Bildungsmusters – hoher Grad an Distinktheit, Ikonizität, Transparenz und Uniformität sowie leichte Lern- und Memorierbarkeit – haben wir in Kapitel 2.3.2 ausführlich besprochen. Unsere Ergebnisse für die alemannischen Dialekte in Österreich entsprechen somit Nüblings (1997: 117) Aussage, dass mit dem periphrastischen Prinzip die „additive Kombinatorik der Morpheme […] gesteigert wird und deren Distributionsregeln nicht mehr morphologisch von der Wortart Verb gesteuert werden, sondern syntaktischer Natur sind“ (Nübling 1997: 117). Die Dominanz der analytischen Bildung resultiert dabei auch aus der Tat- sache, dass in den alemannischen Dialekten Österreichs kein schwaches synthetisches Muster für die distinkte Konjunktiv II-Bildung existiert, wie sie mit dem -at-Suffix für die bairischen Dialekte in Österreich vorliegt. Dieser innersystemische Faktor erklärt wohl, wieso sich gerade die alemannischen Regionen als besonders innovativ im Hinblick auf die periphrastische Bil- dung erweisen, obwohl sie in anderen Studien immer als ausgesprochen konservative Regionen erscheinen (cf. beispielsweise Vergeiner/Elspaß/Wallner 2021;Vergeiner/Wallner i. Dr.).

Im Bairischen verhält sich die Situation anders, ist hier doch eine schwache synthetische Bil- dung durchwegs vorhanden. Entgegen der Annahme von Bittner/Köpcke (2010: 41) ist die syn- thetische Bildung mit -at-Suffix am Präsensstamm allerdings keinesfalls „klar favorisiert“. Sie wird auch nicht ausgebaut, obwohl sie aus Sicht der Morphologischen Natürlichkeitstheorie der optimalen Symbolisierung des Konjunktiv II für schwache und starke Verben entspricht. Wie in Kapitel 2.3.2 dargelegt wurde, vermeidet dieses Bildungsmuster nicht nur Synkretismen, sondern ist außerdem maximal ikonisch, uniform, transparent sowie leicht zu erwerben und zu speichern. Gegenüber den periphrastischen Formen zeichnet sich die synthetische Bildung mit -at zudem durch den Vorteil der Kürze aus.

Obwohl mit der schwachen synthetischen Bildung mit -at-Suffix somit gute Voraussetzungen im Sinne der oben genannten morphologischen Strukturbauprinzipien für einen Erhalt des syn- thetischen Prinzips in den bairischen Dialekten Österreichs gegeben sind, nimmt die periphras- tische Bildung mit täte-Auxiliar ohne -at-Suffix zu. Das muss wohl vor dem Hintergrund einer generellen Tendenz zur Dialekt-Standard- bzw. Dialekt-Regiolekt-Advergenz betrachtet wer- den, die insbesondere in den ostmittelbairischen Dialekten Österreichs – aber auch in den vor- mals südbairischen Regionen in Kärnten und der Steiermark – stark ausgeprägt ist (cf. bei- spielsweise Vergeiner/Elspaß/Wallner 2021). Das gilt gerade auch für den Bereich der Verbal- morphologie (cf. Bülow 2019; Bülow/Scheutz/Wallner 2019;Bülow/Wallner 2020).

Mit der periphrastischen täte-Form ohne -at-Suffix verbreitet sich in diesen Regionen zwar keine standardsprachliche, wohl aber eine standardnähere Form (die in regiolektalen, stadt- sprachlich geprägten Registern bereits überwiegen dürfte; cf. Breuer/Wittibschlager 2020). An- zunehmen ist, dass neben diesem direkten Einfluss Dialekt-Standard-Advergenz auch indirect zur Verbreitung dieser Form beiträgt, insofern der zunehmend vertikale Varietätenkontakt und die damit einhergehende Restrukturierung des Dialekts zu Bildungsproblemen synthetischer Formen führen (cf. beispielsweise die Befunde von Glauninger 2008). Dass infolge dessen die synthetische Bildung durch periphrastische Konstruktionen – die besonders leicht lern- und memorierbar sind (Wilde 2015: 199) – ersetzt wird, scheint plausibel. Dass sich diese somit letztlich im Bairischen ausgehend von den Randbereichen besonders stark verbreiten, dürfte weniger auf Sprach- als vielmehr auf Varietätenkontakt rückführbar sein, der im Osten und Süden – wie erwähnt – besonders groß ist. Umgekehrt werden in jenen Gegenden die syntheti- schen Formen am stärksten bewahrt, in denen der Einfluss des Standards weniger stark auf die Dialekte (bzw. die Dialektkompetenz der Sprecher/innen) einwirkt.

Für den Konjunktiv II im Bairischen in Österreich lässt sich nach aktuellen Befunden schluss- endlich kein Sprachwandelprozess der synthetischen Musterverfestigung (Bittner/Köpcke 2010: 42) erhärten. Vielmehr etablieren sich durch Dialekt-Standard-Kontakt zunehmend peri- phrastische Formen, die zwar den Nachteil der Länge haben, sich aber typologisch gut in die allgemeine Tendenz zum analytischen Sprachbau im Deutschen einfügen. Wahrscheinlich ist, dass auch die beharrlicheren südmittelbairischen Dialekte im Nordwesten zwischen Innsbruck und Linz dem Druck des analytischen Sprachbaus, der östlich und westlich davon dominiert, mittelfristig nachgeben.

6 Fazit

Ziel dieses Beitrages war es, die Variation und den Wandel bei der Konjunktiv II-Bildung in den ruralen Dialekten Österreichs zu untersuchen, wobei auch die dahinterstehenden inner- und außersprachlichen Faktoren freigelegt und theoretisch eingeordnet werden sollten. Gezeigt wurde, dass im Untersuchungsraum sowohl schwach und stark gebildete synthetische Formen wie auch periphrastische Formen (hauptsächlich mit täte-Auxiliar) vorkommen. Auf Basis un- terschiedlicher, u. a. quantitativer Verfahren (Faktorenanalysen, Clusteranalysen, ANOVAs) konnte nachgewiesen werden, dass das Vorkommen dieser Varianten von sprachgeografischen, innersprachlichen sowie soziolinguistischen Faktoren abhängig ist:

Sprachgeographisch ergibt sich eine Dreiteilung des Untersuchungsraums, wobei von einem alemannisch beeinflussten Areal im Westen sowie einem nordwestlichen und einem südöstli- chen bairischen Areal ausgegangen werden muss. Innersprachlich zeigt sich, dass die Eintei- lung in Flexionsklassen nur bedingt verbbezogene Unterschiede bei der Konjunktiv II-Varia- tion erklären kann. Stattdessen lassen sich die 21 untersuchten Verben in sechs Cluster eintei- len, wobei für jedes Cluster unterschiedliche Variantenfrequenzen in die Untersuchungsorten charakteristisch sind. Im Hinblick auf soziolinguistische Kategorien ist das Geschlecht der GP kaum relevant, wohingegen sich das Alter der Sprecher/innen als entscheidender Faktor er- weist. So gebrauchen jüngere Sprecher/innen häufiger periphrastische Formen und seltener syn- thetische Varianten.

Im Sinne der apparent-time-Hypothese lassen diese altersbezogenen Unterschiede auf eine Ausbreitung periphrastischer Formen schließen. Ausgehend von einer solchen Verbreitung können die sprachgeografischen und innersprachlichen Faktoren gedeutet werden: So wird zum einen plausibel, dass die einzelnen Verbcluster unterschiedliche Stadien des Abbaus syntheti- scher Verbformen manifestieren, wobei Faktoren wie beispielsweise Verbfrequenzunterschiedliche Geschwindigkeiten bei diesem Abbau erklären können. Die räumlichen Dif- ferenzen spiegeln zum anderen die Diffusion periphrastischer Formen einerseits aus dem Wes- ten, andererseits aus dem Südosten in Richtung Nordwesten.

Wieso es zu einer Ausbreitung periphrastischer Formen im Untersuchungsraum kommt, ist mit Bezug auf die Morphologische Natürlichkeitstheorie begründbar. Kriterien wie Distinktheit, Ikonizität oder Transparenz plausibilisieren, wieso sich im alemannischen Raum – der nur eine starke synthetische und damit morphologisch markierte Konjunktivform kennt – die weniger markierte periphrastische Bildung durchsetzt. Dass es im bairischen Raum – wo im Sinne mor- phologischer Strukturbauprinzipien mit der Endung -at eigentlich gute Voraussetzungen für einen Erhalt der synthetischen Bildung gegeben sind – zu einer Verbreitung periphrastischer Formen kommt, kann durch den direkten und indirekten Einfluss von horizontalem wie verti- kalem Varietätenkontakt, der im Süden und Osten besonders stark ist, erklärt werden.

Material suplementario
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Notas
Fußnote
1 Stöckles (2020) Daten aus dem Korpus des „Wörterbuchs der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ)“ sind zwar areal einigermaßen umfassend, stammen aber aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Breuer/Wittibschlager (2020) werten aktuelle Daten des SFB-Teilprojekts „Sprachrepertoires und Varietätenspektren“ aus, diese umfassenneben Wien aber nur 11 rurale Orte.
2 Zur funktionalen und pragmatischen Dimension des Konjunktiv II-Gebrauchs im Bairischen cf. Insbesondere Donhauser (1992).
3 Bei den hier und in der Folge zitierten Beispielen aus dem PP02-Korpus wird eine dreiteilige Sigle verwendet: Der erste Teil steht für den Belegort (z. B. AB = Allhartsberg), es folgen Angaben zur Altersgruppe (jung oder alt) sowie zum Geschlecht der GP (m = männlich, w = weiblich).
4 Die Zahlen sind Abbildung 2 in Stöckle (2020: 157) entnommen und ergeben insgesamt 1.981 Belege für die synthetische Konstruktion.
5 Im vorliegenden Korpus ist von den starken Verben -t nur bei geben (4-mal) belegt, es tritt außerdem bei bringen (4-mal) auf. Bei den Modalverben begegnet -t bei mögen (3-mal), dürfen (18-mal), wollen (5-mal), können (7-mal) sowie lassen (9-mal). Belegt sind Formen auf -t außerdem bei tun (8-mal) und haben (23-mal).
6 Auch hier ist fraglich, ob das -t nicht als Teil des Stammes zu interpretieren ist – die schwache Endung -ti bzw.-te fiele dann mit der starken Endung -i zusammen, so dass nur von -Ø als eindeutig starker Endung auszugehen ist.
7 Eine Ausnahme attestieren Bittner/Köpcke (2010: 40) lediglich für die frequenten Vollverben haben, sein, können und tun. Dabei berufen sich Bittner/Köpcke (2010) wohl auf Merkle (1993: 70–72).
8 Bei lassen ist der Status als Modalverb z. T. strittig – das Verb weist zumindest viele Eigenschaften von Modalverbenauf, etwa die Verwendung mit Ersatzinfinitiv statt Partizip (cf. zur Diskussion beispielsweise Eisenberg 2013: 84, 365–366).
9 Dabei handelt sich immer um Formen ohne das Suffix -at – anders als bei täte kommen mit -at suffigierte Formen beim würde-Auxiliar nicht vor.
10 Wie in Kapitel 3.2 erwähnt, wurden von manchen GP mehrere Varianten beim selben Lexem realisiert. Um zuverhindern, dass die Sprachverwendung dieser GP überproportional in die Ergebnisse einfließt und diese womöglich verzerrt, wurden die Mehrfachbelege entsprechend gewichtet (bei zwei produzierten Varianten mit 0,5, bei drei Varianten mit 0,3).
11 Aufgrund der beschriebenen Zuordnungsprobleme wurde bringen in Abbildung 3 ausgespart.
Tabelle 1:
Flexionsparadigmen für die synthetischen Konjunktiv II-Formen in den bairischen Dialekten Österreichs (nach Stöckle 2020: 151; cf. auch Wiesinger 1989: 61)


Abbildung 1:
Untersuchungsorte und ihre Lage in den österreichischen Dialektregionen (nach Wiesinger 1983)
Tabelle 2:
Untersuchungsorte (die Nummern verweisen auf Abbildung 1)

Tabelle 3:
Stimuli, Anzahl der GP mit gültigen Antworten pro Stimulus sowie Anzahl der Belege pro Stimulus (mit Mehrfachantworten)


Abbildung 2:
Realisierung der Konjunktiv II-Varianten im Untersuchungskorpus


Abbildung 3:

Konjunktiv II-Variation nach Verbklasse



Abbildung 4:

Konjunktiv II-Variation nach Verb


Abbildung 5:
Vorkommen der Konjunktiv II-Varianten in den 40 Untersuchungsorten

Abbildung 6:
Alters- und geschlechtsspezifische Konjunktiv II-Variation

Abbildung 7:
Ergebnis der Clusteranalyse bei einer Lösung mit sechs Clustern

Abbildung 8:
Realisierungsfrequenz der Konjunktiv II-Varianten in den Untersuchungsorten nach den Clustern 1 bis 6

Abbildung 9:
Faktorladungen für F1 (links), F2 (mittig) und F3 (rechts)

Abbildung 10:
Faktorwerte für F1 (links), F2 (mittig) und F3 (rechts)
Tabelle 4:
Regionale Einteilung auf Basis der FA


Abbildung 11:
Unterschiede zwischen alten und jungen GP bei den sechs Lexem-Clustern

Abbildung 12:
Unterschiede zwischen alten und jungen GP in den Untersuchungsorten
Tabelle 5:
Ergebnisse der Varianzanalysen für die fünf Konjunktiv II-Varianten


Abbildung 13:
Die Verbcluster als Ausdruck unterschiedlicher Entwicklungsstadien beim Wandel zum analytischen Sprachbau (schwarz = Anteil periphrastischer Verbformen)
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