Abstract: Progressivity in German can be expressed not only by lexical means but also by various periphrastic structures, e. g. the amperiphrasis, the prepositions bei and in combined with nominalized infinitives or the periphrastic infinitival construction with the auxiliary verb tun. However, the use of these structures can vary considerably from region to region, especially in oral communication, often also in connection with significant diastratic, diaphasic and diamesic variation. This paper investigates native speaker judgments of different progressive markers in German (i. e. am periphrasis, beimand imperiphrases as well as tunperiphrasis) regarding their acceptability, use, familiarity and distribution in a particular geographical area or social group. The present study essentially focuses on regional differences between three distinct dialectal regions of the German speaking area (Middle Bavarian, South Bavarian and RhenishWestphalian). Results indicate a tendency towards successive advancement of the amperiphrasis, even though the actual usage of this specific progressive construction still shows clear diatopic and diaphasic variation.
Artikel
Sind Sie noch bei der Arbeit oder schon am Arbeiten? Regionale Spielarten von Progressivität im Deutschen
Das Deutsche weist zum Ausdruck von Progressivität – anders als andere indoeuropäischeSprachen (wie beispielsweise das Englische, Italienische, Spanische und teilweise auch dasNiederländische, cf. die Beispiele unter Abschnitt 2) – keine durchgängig ausgeprägte grammatikalischeKategorie auf. Dass bei zahlreichen Sprecher:innen dennoch das Bedürfnisbesteht, im Verlauf befindliche Sachverhalte nicht nur mithilfe adverbialer Ausdrücke, sondernauch mittels diverser verbaler Konstruktionen zu versprachlichen, zeigen Beispiele aus demAlltag ebenso wie unter unterschiedlichsten Gesichtspunkten zusammengestellte Korpora (wie z. B. jene in Krause 2002, die mündliche und schriftliche Quellen gleichermaßen umfassen, oder Flick/Kuhmichel 2013, die Pressetexte verschiedener regionaler Medien analysieren). Aus diesen Studien wird bereits deutlich, dass die Verwendung dereinzelnen zur Versprachlichung von Progressivität herangezogenen Ausdrücke sowohl im diatopischen als auch im diamesischen und diaphasischen Bereich (cf. konzeptionelle Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit nach Koch/Oesterreicher 1985) teils große Unterschiede aufweist. So scheinen manche Formen, allen voran die am Periphrase, zum einen in bestimmten Regionen wesentlich stärker verbreitet als in anderen (cf. z. B. die entsprechenden Karten des Atlas zur deutschen Alltagssprache (fortan AdA, Elspaß/Möller 2003–: Runde 2 und 10)), zum anderen im mündlichen, nähesprachlichen Bereich deutlich frequenter als im schriftlichen, distanzsprachlichen. Rezente Studien zeigen jedoch auch, dass dieses sprachliche Phänomen ebenso den Prinzipien des Sprachwandels unterliegt und sich die Gebrauchsverhältnisse dementsprechend im Laufe der Zeit ändern (können) (cf. z. B. Van Pottelberge 2004 und Flick/Kuhmichel 2013). Aus dieser Dynamik heraus ist die Motivation zur vorliegenden, explorativ ausgerichteten Studie entstanden, die sich zum Ziel setzt, einen synchronen Einblick in die aktuelle Bewertung und Verwendung verschiedener Formen zum Ausdruck von Progressivität im Deutschen in drei dialektal unterschiedlichen Regionen des deutschen Sprachraums (Mittelbairisch, Südbairisch und Rheinisch Westfälisch) zu geben und die Ergebnisse vor dem Hintergrund bereits vorliegender Studien zu reflektieren. Der Fokus liegt dabei auf der Analyse regionaler Unterschiede, i. e. auf der Frage, wie unterschiedliche Verlaufsformen (z. B. am Periphrase, tun Periphrase, beimund im Periphrasen o. Ä.) in den einzelnen Regionen eingeschätzt werden. Außerdem soll untersucht werden, wie spezifische Faktoren (z. B. Vertrautheit mit der Struktur, Verbreitung der Progressivmarker in einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe etc.) im Hinblick auf die jeweilige Periphrase bewertet werden und ob sich davon ausgehend eine Markiertheit (auf diamesischer, diastratischer oder diatopischer Ebene) bestimmter Periphrasen feststellen lässt.
Progressivität – als allgemeine, übereinzelsprachliche und in vielen Sprachen ausgeprägte Kategorie (cf. u. a. Bybee/Dahl 1989; Bybee/Perkins/Pagliuca 1994; Dahl 2000) – wird einzelsprachlich oft mit recht unterschiedlichen Mitteln realisiert: lexikalisch, morphologisch, syntaktisch oder auch in verschiedenen Kombinationen derselben. Unter den lexikalischen Mitteln sind es vordergründig adverbiale Ausdrücke, die der Satzaussage explizit progressive Bedeutung verleihen (im Deutschen – ähnlich wie in vielen anderen Sprachen – z. B. gerade, jetzt, momentan etc.). Darüber hinaus sind im syntaktischen Bereich aber auch einige periphrastische Ausdrücke zu nennen, die diese Funktion übernehmen, so beispielsweise verschiedene (verbale oder nominale) Umschreibungen mit sein (im Deutschen z. B. am/beim/im + Infinitiv + sein, bei + Artikel + Substantiv + sein1 oder dabei sein zu + Infinitiv). Wie verschiedene typologische Analysen zeigen (cf. z. B. Ebert 1996; Krause 1997; Bertinetto 2000; Behrens/Flecken/Caroll 2013), dienen in solchen Konstruktionen hauptsächlich Zustandsbzw. Positionsverben als (mehr oder weniger desemantisierte) Auxiliare: sein, stehen, sitzen, liegen oder auch hängen. Das infinite Verb erscheint dabei zumeist in Form eines Infinitivs oder Gerundiums, wie die folgenden Beispiele aus verschiedenen indoeuropäischen Sprachen zeigen: dt. am/beim/im + Infinitiv + sein oder dabei sein zu + Infinitiv; nl. aan het + Infinitiv + zijn (‚dabei sein zu‘), bezig zijn te + Infinitiv (‚beschäftigt sein mit‘) oder zitten/liggen/staan/hangen te + Infinitiv (‚sitzen/liegen/stehen/hängen zu‘); engl. be + Gerundium (‚gerade tun‘); it. stare + Gerundium oder stare a + Infinitiv2; sp. estar + Gerundium; port. estar + Gerundium oder estar a + Infinitiv3 (alle ‚dabei sein zu‘). Neben Positionsverben können aber auch manche Bewegungsverben als Auxiliar verwendet werden (cf. z. B. nl. lopen te + Infinitiv (‚laufen zu‘) oder sp. ir/venir/andar + Gerundium (‚gehen/kommen/(herum)gehen‘)), vor allem wenn der dynamische Aspekt der Handlung (im Gegensatz zur eher „statischen Progressivität“ bei Positionsverben) in den Vordergrund gerückt wird. Vereinzelt treten aber auch andere Verbtypen auf (wie z. B. sp. vivir (‚leben‘) in einigen lateinamerikanischen Varietäten des Spanischen in der Konstruktion vivir + Gerundium, die sich – zumindest regional – immer größerer Beliebtheit erfreut, cf. Amaral 2013: 105). In einigen Fällen nehmen derartige Konstruktionen (abgesehen von der progressivischen Bedeutung) weitere Bedeutungsaspekte an, beispielsweise inkrementelle, graduelle, kumulative oder aber auch kontinuative (cf. z. B. itive, ventive oder andative Periphrasen – nicht nur – in romanischen Sprachen). Zudem wird häufig zwischen „fokalisierender“ vs.”durativer“ Progressivität unterschieden (cf. Bertinetto 2000; Bertinetto/Ebert/de Groot 2000), wobei sich erste auf die im aktuell beobachteten Moment ablaufende Handlung bezieht, zweite auf das Andauern der aktuell ablaufenden Handlung.
Für das Deutsche wird in einschlägigen Referenzwerken (z. B. Wöllstein et al. 92016; Eisenberg 52020) zum Ausdruck von Progressivität in erster Linie die am Periphrase genannt, gefolgt von den beimund im Periphrasen, die jedoch größeren Beschränkungen unterliegen und somit nur in ausgewählten Kontexten vorkommen. Auch der am Progressiv – obwohl wesentlich weiter generalisierbar als die beiden anderen Periphrasen – weist in seinem Gebrauch erhebliche diatopische, diastratische und diamesische Unterschiede auf. Zum einen gilt er (noch) als „typisch für bestimmte Varietäten des Gesprochenen (‚Ruhrgebietsdeutsch‘)“ (Eisenberg 52020: 210) im Vergleich zur geschriebenen (Standard)Sprache (cf. auch Wöllstein et al. 92016: 435), zum anderen als regional und stilistisch variabel (cf. Krause 1997: 53), mitunter markiert. Van Pottelberge (2004: 183f.) merkt wenig später an, dass der am Progressiv jedoch „nicht pauschal als landschaftlich oder dialektal vermerkt werden“ kann, zumal auch bereits weite Akzeptanz im Bereich der Standardsprache besteht (wie Flick/Kuhmichel 2013 ebenfalls anhand eines überregionalen Pressekorpus zeigen). Auch Eisenberg (52020: 210) trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die am Periphrase als Verlaufsform im gegenwärtigen Deutsch rasch ausbreitet und somit ein hervorragendes Exempel für Sprachwandel darstellt. Dennoch weist die Ver breitung des am Progressivs – je nach syntaktischem und semantischem Kontext (siehe Abschnitt 4.1) – zumindest derzeit (noch) einige regionale Unterschiede auf, welche die Daten der entsprechenden Karten im AdA (Elspaß/Möller 2003–: Runde 2 und 10) weitgehend widerspie geln.
Abgesehen von den bereits zitierten „Standardwerken“ wurde das Thema Progressivität im Deutschen unter verschiedensten Aspekten auch in diversen (teils unveröffentlichten) Qualifi kationsarbeiten behandelt.4 Den speziellen Ausprägungen im gesprochenen Deutsch widmen sich insbesondere Schneider/Butterworth/Hahn (2018). Zudem liegen mehrere sprachverglei chende Arbeiten vor – exemplarisch genannt seien hierfür Katelhön (2016), die verbale Progressivkonstruktionen kontrastiv zwischen Italienisch und Deutsch erörtert, sowie Behrens/ Flecken/Carroll (2013), die sich mit der Verwendung und Grammatikalisierung des progressiven Aspekts im Niederländischen, Norwegischen und Deutschen beschäftigen. Zahlreich sind die Perspektiven, aus denen Progressivität im Deutschen untersucht wird und wurde, wie die obigen Ausführungen zeigen – von der Diachronie zur Synchronie, von Aspekten der Grammatikalisierung zu verschiedenen Verwendungskontexten, von einzelsprachlichen regionalen Analysen bis hin zu übereinzelsprachlichen vergleichenden Studien. Zentral für die vorliegende Untersuchung sind vor allem die Bereiche Regionalität, Diamesik und Wandel. Diesen soll mittels einer eigens angelegten Studie Rechnung getragen werden, bei der in ausgewählten Regionen des deutschen Sprachraums Daten zu Rezeption und Gebrauch verschiedener Ausdrücke zur Versprachlichung von Progressivität im mündlichen vs. schriftlichen Bereich erhoben wurden und in Vergleich mit bereits vorliegenden Ergebnissen aus früheren Untersuchungen gesetzt werden (siehe Abschnitte 3–5).
Mit dem Ziel, einige regionale Ausprägungen von Progressivität im Deutschen zu eruieren, wurden exemplarisch Daten aus drei dialektal unterschiedlichen Regionen des deutschen Sprachraums erhoben: Südtirol (Südbairisch), Oberösterreich/Salzburg (Mittelbairisch) und Nordrhein Westfalen (Rheinisch Westfälisch).5 Insgesamt wurden Daten von 30 Informant:innen (N = 30; 14 männlich, 16 weiblich) im Alter von 25 bis 88 Jahren (Durchschnitt 50,1 Jahre) gesammelt, je zehn pro definierter Region. Bei der Auswahl der Gewährspersonen wurde darauf geachtet, diese hinsichtlich Geschlecht, Alter und Beruf zu variieren. Die Erhebung der Daten erfolgte mittels Zusendung der entsprechenden Dokumente (Fragebogen und Sprachbiographie) per E-Mail, die ausgefüllt wieder an die Explorator:innen retourniert wurden. Neben einigen zentralen demographischen Daten beinhaltete die Sprachbiographie Informationen über Aufenthaltsort und dauer der Gewährspersonen (ggf. auch über längere Aufenthalte an anderen Orten), Auskunft über die Herkunft der Kontaktpersonen, etwaigen Medienkonsum aus anderen deutschsprachigen Regionen sowie die persönliche Einstellung zum Zusammenhang zwischen Sprache und Identität (da letzter die Bewertung und Verwendung bzw. Vermeidung bestimmter sprachlicher Konstruktionen ebenfalls maßgeblich beeinflussen kann). In der folgenden Tabelle sind die sprachbiographischen Daten der Informant:innen nach dialektalem Gebiet zusammen fassend dargestellt6:
Der Fragebogen umfasste 23 Items7, die jeweils auf einer 6 stufigen Skala8 (von 0 „überhaupt nicht“ bis 5 „völlig“) nach ihrer (grammatikalischen) Akzeptabilität9 bewertet werden sollten. Im instruktiven Teil wurden die Informant:innen darauf hingewiesen, dass es um keine „korrekten“ Aussagen bzw. grammatikalischen Beurteilungen gehe, wie man sie in einer Grammatik oder einem Wörterbuch findet, sondern um eine persönliche Einschätzung, sozusagen „aus dem Bauch heraus“. Falls die Gewährspersonen in ihrem Alltag auch Dialekt oder Umgangssprache verwenden, sollte dies bei der Bewertung ebenso berücksichtigt werden.
Da manche Strukturen vornehmlich auf den mündlichen bzw. schriftlichen Bereich beschränkt sein dürften (cf. z. B. Krause 2002: 87–92, aber auch Flick/Kuhmichel 2013: 60–64), wurde neben einem allgemeinen Akzeptabilitätsurteil auch eine getrennte Bewertung für mündliche vs. schriftliche Kontexte erhoben. Selbiges gilt auch in Bezug auf die eigene Verwendung der untersuchten Strukturen, wo nach einer allgemeinen Einschätzung gleichfalls eine Differenzierung in mündliche vs. schriftliche Kontexte erfolgte. Im Anschluss wurden des Weiteren Informationen hinsichtlich Vertrautheit sowie etwaiger diatopischer und diastratischer Markierung erfasst.
Um die kontextuelle Situierung der in Isolation präsentierten Testitems etwas zu erleichtern, wurde jeweils ein möglicher Minimalkontext in Klammern angegeben – jedoch unter dem Hinweis, dass zahlreiche andere Kontexte ebenfalls vorstellbar sind. Die in randomisierter Reihenfolge angeordneten Items (N = 23, bestehend aus 21 Grunditems + 2 Varianten) setzten sich wie folgt zusammen:
am Periphrase10 (11 Items, bestehend aus 9 Grunditems + 2 Items mit Objekteinschub),
tun Periphrase (3 Items),
beim/bei + (nominalisierter) Infinitiv bzw. Substantiv mit Artikel + sein (3 Items),
im + (nominalisierter) Infinitiv bzw. Substantiv + begriffen + sein (3 Items)
sowie gerade, jetzt und dabei sein zu + Infinitiv (3 Items), die aufgrund ihres (im Vergleich zu den anderen Strukturen) weitgehend unmarkierten Vorkommens gewissermaßen als “Kontroll Distraktoren“ eingesetzt wurden – folglich auch durchgängig als hochgradig akzeptabel und unmarkiert bewertet wurden (siehe Diskussion in Abschnitt 4.3.3).
Bei der Auswahl der Testitems wurde überdies darauf geachtet, verschiedene Verbtypen – sowohl strukturell als auch semantisch – in die Untersuchung einzubauen. Aus struktureller Perspektive sind hier zum einen transitive Verben (z. B. Äpfel schneiden/schälen, Ordnung machen11), zum anderen intransitive Verben (z. B. schlafen, regnen, kommen) sowie Partikelverben (z. B. ausbauen, anfangen) zu nennen. Im Hinblick auf das abgedeckte semantische Spektrum kommen unweigerlich Vendlers (1957) Aktionsarten (state, activity, achievement, accomplishment) ins Spiel. Da diese für die Zwecke der vorliegenden Studie – anders als beispielsweise für jene in Flick/Kuhmichel (2013) oder Flick (2016) – weniger aussagekräftig erschienen, wurde eine grundsätzliche Kategorisierung in physische Aktivitäten (z. B. arbeiten, aufräumen, Äpfel schneiden/schälen, Ordnung machen, Fußball spielen) vs. mentale Aktivitäten (z. B. überlegen, nachdenken) vorgenommen. Hinzu kommen ferner Wetterverben (regnen), Zustandsverben (schlafen), Bewegungsverben (kommen) sowie inchoative Verben (anfangen).
Dieser Abschnitt widmet sich der Darstellung der Ergebnisse geordnet nach den einzelnen Verlaufsformen. Für jede Gruppe von Progressivausdrücken (am Periphrase, tun Periphrase, beimund im Periphrasen sowie andere Formen) werden die Akzeptabilitätsund Gebrauchswerte sowie die Einstufungen hinsichtlich Vertrautheit, Ort und gesellschaftlicher Gruppe diskutiert und mit Erkenntnissen aus bereits vorliegenden Studien verglichen.
Ausgehend vom AdA von Elspaß/Möller (2003–) sowie den Erkenntnissen von Krause (1997) und Flick/Kuhmichel (2013) ist das Kerngebiet der am Periphrase, die auch Rheinische oder Westfälische Verlaufsform genannt wird, das Rheinland oder auch im weiteren Sinne Nord rhein Westfalen (cf. Elspaß/Möller 2003–: Runde 2). Flick/Kuhmichel (2013) weisen eine sehr hohe Akzeptanz der am Periphrase im schriftlichen Gebrauch nach, z. B. in rheinischen und schweizerischen Tageszeitungen. Aus diesem Grund gehen die beiden Autorinnen auch von einer stärkeren Grammatikalisierungstendenz für die Kerngebiete aus (cf. Flick/Kuhmichel 2013: 64). In den bairischen Sprachgebieten, vor allem im Mittelbairischen, ist die am Periphrase jedoch laut dem AdA völlig unüblich (cf. Elspaß/Möller 2003–: Runde 2), weshalb hier mit einer geringen Akzeptanz und Verwendung sowie einer geographischen Verortung in den Kerngebieten zu rechnen ist. Im Südbairischen, etwa in Südtirol, sind die beiden Konstruktionen aus dem AdA 18a Sie ist noch am Schlafen und 18b Ich bin gerade die Uhr am Reparieren an den meisten Explorationspunkten ebenfalls unüblich (cf. Elspaß/Möller 2003–: Runde 2). Lediglich zwei Punkte, Bruneck und Innichen, zwei Orte im Osten Südtirols, weisen bei den Sätzen mit und ohne Objekteinschub einen sehr üblichen Gebrauch auf. Im Folgenden sollen die elf Items, die die am Periphrase beinhalten, nach den eingangs genannten Domänen (Akzeptabilität, Gebrauch, Vertrautheit sowie etwaige diatopische und diastratische Markierung) analysiert werden.
Das mentale Aktivitätsverb überlegen sowie das physische Aktivitätsverb arbeiten in Item 1 (Ich bin am Überlegen) bzw. Item 7 (Sie ist am Arbeiten) sind beide intransitiv und weisen keinerlei Ergänzungen auf, was eine Verwendung mit der am Periphrase begünstigt (cf. Krause 2002: 146; Van Pottelberge 2004: 210; Imo 2015: 373). Generell stellen Krause (2002: 171, 235) und auch Flick/Kuhmichel (2013: 61) fest, dass am Periphrasen am häufigsten mit Aktivitätsverben auftreten. Vor allem für mentale Aktivitätsverben konstatiert Rödel (2014) zudem eine weitgehende Akzeptanz im gesprochenen Standard, wobei er von einer konstruktionalisierten Einheit zwischen der kontrahierten Präposition und dem Verb ausgeht. Ein solcher Gebrauch fungiert demnach als Prototyp einer sich graduell weiterentwickelnden Verlaufsform, die zunehmend auch in andere Regionen expandiert (cf. Rödel 2014: 213f.). Vor diesem theoretischen Hintergrund wurden für alle Gebiete – insbesondere NRW – hohe Bewertungen erwartet. Graphisch dargestellt ergibt sich für Ich bin am Überlegen (1) und Sie ist am Arbeiten (7) folgendes Ergebnis:
Die allgemeine Akzeptabilität von Item 1 ist in Südtirol, OÖ/Salzburg und NRW nahezu in allen Bereichen ähnlich, mit latent höheren Werten in OÖ/Salzburg. Im Schriftlichen sind für NRW hingegen die niedrigsten Werte zu verzeichnen (Votum 1 bis 3). Für das physische Aktivitätsverb arbeiten zeigen sich ebenfalls in allen Gebieten ähnliche Akzeptabilitätswerte.
Die eigene Verwendung in Kombination mit dem mentalen Aktivitätsverb überlegen ist in Südtirol jedoch deutlich niedriger als die Akzeptabilität. Insgesamt wird dort die besagte Periphrase im Schriftlichen vermehrt höher bewertet als im Mündlichen. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich auch beim Verb arbeiten. In OÖ/Salzburg sind die Werte für die eigene Verwendung der am Periphrase mit überlegen ähnlich hoch wie im Bereich der Akzeptabilität, allerdings sinken sie bei den meisten Befragten im Schriftlichen auf 1. Beim Verb arbeiten sind die Werte durchweg niedriger als beim Verb überlegen – mit Ausnahme von NRW, wo eindeutig die höchsten Bewertungen erzielt wurden. Obwohl die Periphrase Ich bin am Überlegen auf der Verwendungsebene in OÖ/Salzburg sogar etwas höher bewertet wurde als in NRW und die Bewertung auch in Verbindung mit dem Verb arbeiten in OÖ/Salzburg vergleichsweise hoch ist, darf dieser Befund nicht darüber hinwegtäuschen, dass laut ASA (Niehaus/Kaiser/Mauser 2020–: Runde 3, Frage 19) auf frequentieller Ebene nach wie vor andere Progressivkonstruktionen, wie die beim Periphrase oder Konstruktionen mit einem temporalen Adverb, präferiert werden.12
Hinsichtlich der Vertrautheit von Item 1 (Ich bin am Überlegen) sind die höchsten Werte ebenfalls in OÖ/Salzburg zu verzeichnen. Südtirol sticht hier mit Votum 3 bei knapp der Hälfte der Befragten klar heraus. Bei Item 7 (Sie ist am Arbeiten) fällt das Votum deutlich niedriger aus. Hier gaben die meisten Gewährspersonen Bewertungen im unteren Bereich der Skala ab und nannten vor allem das Fernsehen sowie Medien im Allgemeinen als Herkunftsbereiche dieser Konstruktion, was klar für eine allochthone Form spricht. Die Bewertung ist damit noch niedriger als bei der am Periphrase mit überlegen. In OÖ/Salzburg herrscht bei Item 7 ein diffuses Bild vor; die Bewertungen verteilen sich auf 0, 3 und 5. In NRW vergaben hingegen die meisten Proband:innen eine hohe Bewertung und vermerkten, diese Konstruktion aus ihrem persönlichen Umfeld zu kennen – hier wurden die Erwartungen hinsichtlich des Vertrautheitsgrades erfüllt. Diatopische und diastratische Adskriptionen wurden in keinem der Gebiete weder für das Verb überlegen noch für das Verb arbeiten vorgenommen. Die Vermutung von Flick/Kuhmichel (2013: 70), wonach physische Aktivitätsverben leichter progressivierbar seien als mentale, kann aufgrund der durchgängig höheren Werte bei Akzeptabilität und Verwendung für Ich bin am Überlegen in allen Regionen für die vorliegenden Daten nicht unterstützt werden.
Im Gegensatz zu den Items 1 und 7 weisen die Items 5i (Er ist am Äpfel schneiden) und 15i (Wir sind am Ordnung machen) einen Objekteinschub mit physischen Aktivitätsverben (schneiden, machen) auf. In ihrer Studie zu progressiven Markern in germanischen Sprachen stellt Ebert (1996: 45) fest, dass Objekteinschübe in Progressivkonstruktionen nur dann möglich sind, wenn es sich um ein nichtreferentielles Objekt handelt. Bei eingeschobenen Ergänzungen ohne Artikel stehen nämlich die Tätigkeiten im Vordergrund und nicht die Objekte selbst (cf. Ebert 1996: 45; ebenso Krause 2002: 141). Für Krause sind inkorporierte Ergänzungen nur solche, “die eine enge Verbindung zum Verb eingehen und dann in der Regel zusammengeschrieben werden“ (Krause 2002: 143).13 Obschon bei den Items 5i und 15i keine Zusammenschreibung wie in Krauses Beispiel Er ist am Kuchenbacken vorliegt (cf. Krause 2002: 141), ist dennoch von einer sehr engen Verbindung zwischen Nomen und Verb, i. e. einer schwachen Referentialität nach Ebert (1996: 45) auszugehen. Vor diesem theoretischen Hintergrund wurden zumindest für NRW ähnliche Werte erwartet wie für Item 1 (Ich bin am Überlegen) und Item 7 (Sie ist am Arbeiten).14 Die Bewertungen der Befragten ergeben folgendes Gesamtbild:
Im Südtiroler Raum kann eine Ausbreitungstendenz für das Item 5i aufgrund der Ergebnisse nicht bestätigt werden; bei 15i ergeben sich latent höhere Werte. In OÖ/Salzburg fällt die Akzeptanz generell höher aus: Bei Item 5i (Er ist am Äpfel schneiden) herrscht eine partielle allgemeine Akzeptabilität (Wert 3) mit den erwartbaren diamesischen Schwankungen vor, bei Item 15i (Wir sind am Ordnung machen) zeigt sich sogar eine noch höhere Akzeptanz (Werte um 4). In NRW ergibt sich bei 5i ein diffuses Bild: Für die generelle Akzeptabilität wurde hier überwiegend der Wert 3 vergeben, für 15i hingegen 1 und 2. In Südtirol schwanken die Bewertungen zwischen 0 und 4.
Für den mündlichen Bereich lässt sich interessanterweise im eigentlichen Kerngebiet eine geringere Akzeptabilität konstatieren als in einem Gebiet, in dem laut AdA (cf. Elspaß/Möller 2003–: Karte 18b) ähnliche Konstruktionen – allerdings mit referentiellem Objekt – mehrheitlich abgelehnt werden müssten. Im schriftlichen Gebrauch wird diese Konstruktion – genau wie in OÖ/Salzburg – hingegen abgelehnt. 15i wurde in NRW ebenfalls niedriger bewertet als in den anderen Gebieten (mit einer klaren Tendenz zur 1).
Ähnlich diffus wie die Akzeptabilität zeigt sich auch die Verwendung: In Südtirol ist bei 5i in allen drei Domänen eine Konzentration in der unteren Hälfte zu beobachten; bei 15i gab der Großteil der Informant:innen für alle Domänen an, die Nomen Verb Verbindung Ordnung machen überhaupt nicht mit der am Periphrase zu verwenden. In OÖ/Salzburg liegt die Verwendung ebenfalls hinter der Akzeptabilität zurück: Die Hälfte gab hier an, den Satz Er ist am Äpfel schneiden (5i) nie zu verwenden, und zwar in allen Domänen. Bei Wir sind am Ordnung machen (15i) wurde die eigene Verwendung ebenfalls niedriger eingestuft als die Akzeptabilität. Die Ergebnisse für dieses Item sind insgesamt sehr undifferenziert. Auch in NRW zeigt die eigene Verwendung (allgemein und mündlich) von 5i diffuse Ergebnisse, im Schriftlichen zeichnen sich ähnlich niedrige Tendenzen wie in den anderen Gebieten ab. Item 15i erfuhr hingegen von allen drei Gebieten die niedrigste Bewertung in NRW.
Die Vertrautheit der am Periphrase mit dem Aktivitätsverb (Äpfel) schneiden stuften die Südtiroler Proband:innen mehrheitlich mit 0 ein. Bei der Verlaufsform mit Ordnung machen ist nur ein geringfügig höherer Wert festzustellen (Votum 1). In OÖ/Salzburg zeigt sich ebenfalls ein (niedrig) diffuses Bild in Bezug auf die Vertrautheit von 5i, in NRW vergab die Hälfte der Gewährspersonen eine 2. Die Verlaufsform in 15i scheint in OÖ/Salzburg vertrauter: Der Großteil der Proband:innen stufte die Periphrase mit 3 oder 4 ein und führte an, diese Struktur mit Objekteinschub aus dem Freundeskreis zu kennen; in NRW ist die Vertrautheit hingegen sehr gering. Beide Periphrasen mit nichtreferentiellem Objekteinschub wurden von den befragten Personen in allen drei Sprachgebieten keiner spezifischen geographischen Zone und auch keiner bestimmten Bevölkerungsgruppe zugeordnet. Insgesamt lässt das diffuse Bild von 5i und 15i – so eine mögliche Erklärung – auf eine sukzessive Ausbreitung über den Kernbereich hinaus schließen, die jedoch weniger weit vorangeschritten ist als bei Item 1 und 7.
Die Items 5ii (Er ist die Äpfel am Schneiden) und 15ii (Wir sind Ordnung am Machen) sind als Pendants zu den vorherigen Items zu sehen, bei denen allerdings unterschiedliche Restriktionen unterlaufen wurden: Im Falle von 5ii wurde ein referentielles Objekt durch Hinzufügung eines definiten Artikels erzeugt, und zwar in Analogie zum Item Ich bin gerade die Uhr am Reparieren im AdA (cf. Elspaß/Möller 2003–: Karte 18b). Zu beachten ist, dass dabei die von Anderson (1989: 99) formulierte Restriktion „[n]othing can be placed between am and the infinitive“ weiterhin beibehalten wurde. Ausgehend vom AdA (cf. Elspaß/Möller 2003–: Karte 18b) konstatieren Van Pottelberge (2004: 212), Flick/Kuhmichel (2013: 52) und Imo (2015: 373), dass diese Konstruktion auf das rheinische und schweizerische Sprachgebiet beschränkt sei. Für Item 5ii (Er ist die Äpfel am Schneiden) wurde im Gegensatz zu 5i (Er ist am Äpfel schneiden) in den untersuchten Bereichen (Akzeptabilität, Verwendung, Vertrautheit sowie diatopische und diastratische Markierung) in allen Sprachregionen überwiegend der Wert 0 vergeben. In Item 15ii (Wir sind Ordnung am Machen) wurde das Funktionsverbgefüge Ordnung machen durch den Einschub von am vor dem Infinitiv aufgelöst. Solche Konstruktionen sind laut Krause (1997: 53) und Anderson (1989: 97) vor allem für den mündlichen Gebrauch typisch. Insgesamt wurde auch diese Konstruktion von den Proband:innen aller drei Sprachgebiete in jeder Domäne fast durchgängig abgelehnt. Dies zeigt, dass die Einfügung eines referentiellen Objekts und die Auflösung von Funktionsverbgefügen nach wie vor nicht mit amKonstruktionen akzeptiert werden und nicht zu unterlaufende Restriktionen darstellen.
Im Gegensatz zu den obigen Items trifft auf Item 10 (Das Kind ist am Schlafen) keinerlei Beschränkung zu. Es handelt sich wie bei den Items 1 und 7 um ein einfaches intransitives Verb ohne Objekteinschub, allerdings mit einem Unterschied: Das Verb schlafen wird den sogenannten Verben der Ruhe, einer Unterkategorie der Zustandsverben zugerechnet (cf. Krause 2002: 206). Da Krause (1997: 69) für diese Verben eine gewisse Akzeptabilität nachweist, wurden hier im Vergleich zu den Items mit Objekteinschub (5i und 15i) höhere Werte erwartet. Die Ergebnisse der Proband:innenbewertung ergeben folgendes Bild:
Die Erwartung erfüllt sich somit nur teilweise, da die allgemeine Akzeptabilität bei dieser Verlaufsform vor allem in Südtirol (ähnlich OÖ/Salzburg) weit auseinanderklafft: Drei Proband:innen gaben den Wert 0 an, vier Gewährspersonen bewerteten die Struktur mit 4.15 Die Akzeptabilität weicht im mündlichen Bereich nur geringfügig davon ab; im schriftlichen Bereich ist sie leicht erhöht. In OÖ/Salzburg wurde das Item im Vergleich dazu etwas niedriger evaluiert. In diesem Gebiet zeichnet sich also eine stärkere Ablehnung dieser Art von am Periphrase ab als in Südtirol. Ein ähnliches Ergebnis setzt sich auch bei der Akzeptanz im mündlichen Bereich fort: Die Mehrheit bewertete in der unteren Hälfte der Skala. Im schriftlichen Bereich wurde die Periphrase von der Mehrheit der Informant:innen nicht akzeptiert. Auch in NRW oszillieren die Ergebnisse bei der allgemeinen Akzeptanz Bewertung zwischen 1 und 4. Eine ähnlich diffuse Bewertung ist auch im mündlichen Bereich zu verzeichnen. Im Schriftlichen zeigt sich im Vergleich zu OÖ/Salzburg und besonders zu Südtirol eine deutlich niedrigere Akzeptanz.
Im Vergleich zur Akzeptabilität fallen die Verwendungswerte in Südtirol eindeutiger aus: Hier wurden in allen drei Domänen fast ausschließlich Bewertungen in der unteren Hälfte der Skala abgegeben. In OÖ/Salzburg überwiegt in allen Domänen eine Bewertung von 0 bzw. 1 bei nahezu allen Gewährspersonen. In NRW ergibt sich für den allgemeinen und mündlichen Bereich ein sehr viel weiter gestreutes Bild (sechs Proband:innen votierten zwischen 1 und 3, vier zwischen 3 und 4); im Schriftlichen votierte die Hälfte der Befragten mit 0 oder 1. Vor dem Hintergrund, dass NRW zu den Kerngebieten der am Periphrase gehört, wäre für dieses Item mit ähnlich hohen Ergebnissen hinsichtlich der Verwendung im allgemeinen und mündlichen Bereich wie für Item 1 (Ich bin am Überlegen) und 7 (Sie ist am Arbeiten) zu rechnen gewesen. Die Erwartungen für die eigene Verwendung wurden in diesem Fall also (deutlich) unterlaufen (was eventuell auch auf die geringe Anzahl an Proband:innen zurückgeführt werden kann).
Die Vertrautheit ist in allen drei Gebieten relativ schwach ausgeprägt, wobei latent höhere Werte in NRW erzielt wurden. Hier ist den Proband:innen eine solche Konstruktion auch aus ihrem Bekanntenkreis und nicht nur aus den Medien bekannt. Diatopisch und diastratisch wird Das Kind ist am Schlafen als unmarkiert eingestuft. Insgesamt wurden für NRW in allen Bereichen höhere Bewertungen erzielt, auch wenn diese unter den Erwartungen liegen und sich teilweise nicht sonderlich stark von den Regionen des bairischen Sprachraums abheben. Die erstaunlich geringen Werte in NRW konterkarieren die sehr übliche Verbreitung des Items Sie ist noch am Schlafen im AdA (cf. Elspaß/Möller 2003–: Karte 18a). Vor dem Hintergrund der höheren Werte bei den Items 1 (Ich bin am Überlegen) und 7 (Sie ist am Arbeiten) sowie der von Krause (1996: 69) nachgewiesenen Akzeptabilität in Kombination mit Verben der Ruhe wäre auch hier mit höheren und vor allem eindeutigeren Ergebnissen zu rechnen gewesen. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass es sich bei schlafen um ein Zustandsund nicht um ein Aktivitätsverb handelt.
Bei Item 17 (Es ist am Regnen) handelt es sich nach Krause (2002: 215) um ein sogenanntes unpersönliches Wetterverb, „die immer oder in der Regel mit einem unpersönlichen Subjekt vorkommen“. Diese Art von Verben ist auch in am Periphrasen sehr weit verbreitet (cf. Krause 2002: 217). Ausgehend davon wurden vor allem im Kerngebiet NRW recht hohe Werte erwartet:
Verglichen mit den Items 10 (Das Kind ist am Schlafen) und 1 (Ich bin am Überlegen) sind die Bewertungen allerdings je nach Region höchst unterschiedlich. In Südtirol kam es in allen Bereichen zu einer diffusen Einstufung (Werte zwischen 0 und 5). In OÖ/Salzburg fällt die Bewertung deutlich niedriger aus. Hier wurde die allgemeine Akzeptabilität überwiegend in der unteren Hälfte bewertet, auch im Mündlichen und Schriftlichen setzt sich diese Tendenz fort. Insgesamt erfährt diese Konstruktion somit weniger Akzeptanz als in Südtirol. In NRW ist für alle Bereiche hingegen eine höhere Akzeptabilität zu verzeichnen als in den anderen beiden Regionen. Die Erwartungen einer größeren Akzeptanz im Kerngebiet des am Progressivs haben sich somit erfüllt. Im Gegensatz zur Akzeptabilität fallen die Bewertungen hinsichtlich des eigenen Gebrauchs in Südtirol durchweg niedriger aus. In OÖ/Salzburg zeigt sich ein noch eindeutigeres Bild: Hier wurde in allen drei Domänen vom Großteil der Informant:innen jeweils mit 0 votiert. Im Kerngebiet NRW erzielt das Item hingegen erwartungsgemäß sehr hohe Bewertungen, wobei die Einstufungen im schriftlichen Bereich (ebenso erwartungsgemäß) etwas geringer ausfallen.
Diese niedrigen Werte im bairischen Sprachraum werden durch die geringen Vertrautheitswerte in Südtirol bekräftigt. Als Bekanntheitsquellen wurden Fernsehen, Radio und Arbeitsumfeld angegeben. Die geographische und gesellschaftliche Adskription fällt noch geringer aus, hier wurde fast durchgehend mit 0 bewertet. In OÖ/Salzburg sind die Werte ähnlich niedrig wie in Südtirol. In NRW ergibt sich hingegen ein anderes Bild: Die Konstruktion ist den Gewährspersonen sehr vertraut (Werte zwischen 4 und 5). Diatopisch erfolgte auch hier von den meisten Gewährspersonen keine Zuordnung, vier Informant:innen stuften die geographische Zuschreibung allerdings mit Werten zwischen 4 und 5 ein. Diastratisch wurde das Item größtenteils als unmarkiert klassifiziert.16 Die Ergebnisse lassen somit den Schluss zu, dass die am Periphrase mit Wetterverben größtenteils noch nicht in den bairischen Sprachraum vorgedrungen ist.
Die folgenden Items weisen eine ähnliche Struktur wie die bereits diskutierten Items 1, 7, 10 und 17 auf: Es gibt keinerlei Ergänzungen und der Gebrauch der Verben ist intransitiv, was den prototypischen Fall für Verben mit am Periphrase darstellt (cf. Krause 2002: 146 und Van Pottelberge 2004: 210). Allerdings handelt es sich bei Die Firma ist am Ausbauen (Item 11) und Die Corona Pandemie ist am Anfangen (Item 19) um Partikelverben. Gemeinsam ist den beiden Items, dass sie in allen Bereichen und Regionen eher niedrige Bewertungen erhielten, wobei im Raum OÖ/Salzburg überraschenderweise teils höhere Bewertungen (im allgemeinen und mündlichen Bereich) als in den beiden anderen Gebieten vergeben wurden. Auffällig ist, dass in Südtirol und OÖ/Salzburg für das inchoative Verb anfangen (Item 19) höhere Akzepta bilitätswerte als für ausbauen (Item 11) zu verzeichnen sind. In NRW zeigt sich ein eindeutigeres Bild: Hier wurde von nahezu allen Proband:innen eine niedrige Bewertung (Votum 0 oder 1) für beide Items vorgenommen.
In der Gebrauchsdomäne setzen sich die Tendenzen der Niedrigbewertungen fort. Auch hier wurden in OÖ/Salzburg für Item 11 vergleichsweise höhere Werte erzielt als in den anderen Regionen. Große diamesische Unterschiede sind dabei kaum auszumachen. In NRW fiel die Ablehnung besonders stark aus: Jeweils sieben Befragte würden eine solche Konstruktion im allgemeinen und mündlichen Gebrauch niemals benutzen, im schriftlichen sogar neun. Bei Item 19 zeigt sich hinsichtlich der Verwendung im Gegensatz zu Item 11 ein noch klareres Bild: NRW sticht wiederholt mit der höchsten Anzahl an Nullbewertungen (jeweils neun in allen Bereichen) hervor, was eindeutig die Erwartungen für das Kerngebiet unterläuft.
Auch in Bezug auf die Vertrautheit überwiegt in allen drei Gebieten das Nullvotum bei Item 11 (Die Firma ist am Ausbauen), wobei auch hier wieder – entgegen den Erwartungen – eine Zunahme von Süden nach Norden zu verzeichnen ist. Die Informant:innen verorteten diese Periphrase überwiegend in den Medien und dem Bekanntenkreis. Für Item 19 (Die Corona Pandemie ist am Anfangen) gelten ähnliche Resultate wie für Item 11. Dies lässt den Schluss zu, dass die Konstruktion den Befragten in allen Regionen kaum bekannt ist. Diatopische und diastratische Zuschreibungen wurden für keines der beiden Items von der Mehrheit der Proband:innen vorgenommen. Resümierend kann gesagt werden, dass die am Periphrase mit Partikelverben größtenteils weder akzeptiert noch verwendet wird; besonders erstaunlich ist dabei die sehr niedrige Bewertung im Kerngebiet NRW im Vergleich zu Südtirol und OÖ/Salzburg.17
Verglichen mit den Items 11 und 19 handelt es sich bei Item 21 (Die Produkte sind am Kommen) um eine Konstruktion mit einem Simplexverb der Bewegung. Trotz dieser Unterschiede sind die Bewertungen ähnlich niedrig, die Akzeptabilität ist somit äußerst gering. Besonders in NRW ist eine größere Ablehnung zu verzeichnen als in OÖ/Salzburg und Südtirol (cf. auch Item 11, 19 sowie 15i (Wir sind am Ordnung machen)). Während in Südtirol nur drei bzw. vier Proband:innen in allen drei Bereichen (allgemein, mündlich und schriftlich) mit 0 votierten, taten dies in OÖ/Salzburg bereits die Hälfte der Informant:innen, in NRW sogar neun. Auch hinsichtlich des Gebrauchs wurde von den Gewährspersonen durchweg angegeben, diese Periphrase nicht zu verwenden. Bei den anderen Faktoren (Vertrautheit, geographisches Gebiet, gesellschaftliche Gruppe) setzt sich diese Tendenz ebenfalls fort. Sowohl eine diastratische als auch eine diatopische Markierung der Periphrase bleibt aus. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dieses Item kaum akzeptiert wurde. Der Grund dafür könnte auch in der Aktionsart des Verbs kommen zu suchen sein, das nach Krause (2002: 186) den sogenannten accomplishments zugeschrieben werden kann, einer durativ, dynamisch und telischen Gruppe, der scheinbar kaum Verben mit am Konstruktionen angehören (cf. Krause 2002: 185). Die nuanciert stärkere Ablehnung im Kerngebiet NRW, die sich wie bei Item 19 zeigt, könnte am ehesten einer sprachpuristischen Haltung der dortigen Proband:innen geschuldet sein. Krause (2002: 4) führt dazu an, dass „Sprecher einer Sprache dazu tendieren, etwas Anderes für den tatsächlichen Sprachgebrauch zu halten als das, was tatsächlich Realität ist. […] In aller Regel geht eine bestimmte Vorstellung von einer präskriptiven Sprachnorm damit einher.“ Des Weiteren könnte die Konkurrenzform im Kommen sein die Akzeptabilität der entsprechenden am Periphrase behindern (cf. preemption Effekt), die sich ihrerseits recht hoher Werte auf allen Ebenen erfreut (siehe Item 16 in Abschnitt 4.3.2).
Abschließend lässt sich konstatieren, dass hinsichtlich der Akzeptabilität vieler Items, die die am Periphrase enthalten, im Kerngebiet NRW höhere Werte erzielt wurden als im mittelund südbairischen Sprachraum (cf. Sie ist am Arbeiten (Item 7) und Es ist am Regnen (Item 17)). Allerdings konnten beispielsweise bei den Items 1 (Ich bin am Überlegen) und 19 (Die CoronaPandemie ist am Anfangen) zum Teil höhere Werte vor allem in OÖ/Salzburg verzeichnet werden als im Ursprungsgebiet selbst. Generell ist zu bemerken, dass sich viele am Periphrasen gerade in diesem Gebiet großer Beliebtheit erfreuen (cf. Item 1, 7, 5i und 15i), was für eine sukzessive Ausbreitung und zunehmende Grammatikalisierung des am Progressivs spricht (cf. Flick/Kuhmichel 2013: 59; Imo 2015: 372; Ebert 1996: 60; cf. auch Abschnitt 2). Starke Akzeptanz erfahren dabei besonders die am Periphrasen mit den physischen und mentalen Aktivitätsverben arbeiten und überlegen sowie diejenigen mit schwach referentiellem Objekteinschub Er ist am Äpfel schneiden (5i) und Wir sind am Ordnung machen (15i). Hinsichtlich der einzelnen Regionen sind in Südtirol tendenziell die niedrigsten Bewertungen im Bereich Akzeptabilität und Verwendung zu verzeichnen, was dafür spricht, dass diese Konstruktion auch mit den prototypischsten Verben wie arbeiten (Item 7) und überlegen (Item 1) noch nicht in diese Region vorgedrungen ist. Alle weiteren Konstruktionen, z. B. jene mit Partikelverben (Item 11 ausbauen und Item 19 anfangen) oder Bewegungsverben (Item 21 kommen), wurden hingegen in allen Regionen überwiegend schwach bewertet. Dadurch wurden insbesondere für NRW die Erwartungen unterlaufen. Ein Grund dafür könnte zum einen in einer starken Normorientierung der Proband:innen und zum anderen in den typischen Diskrepanzen zwischen dem wahrgenommenen und dem tatsächlichen Sprachverhalten liegen. Trotz dieser Besonderheiten kann die These von Krause (2002: 163) gestützt werden, der zufolge Aktivitätsverben mit Progressivkonstruktionen am besten kombinierbar seien.
Die tun Periphrase, bestehend aus einer konjugierten Form des auxiliaren Verbs tun + Infinitiv, erfüllt laut Wöllstein et al. (92016: 435) zwei Funktionen: Zum einen dient das Verb tun zur Betonung des Vollverbs (cf. z. B. Verstehen tut er wie gewöhnlich nichts); zum anderen kann das Verb tun (mundartlich) auch zur Umschreibung des Konjunktivs verwendet werden, etwa in ich täte nichts sagen (standardsprachlich: ich würde nichts sagen). Laut Fischer (2001: 150) übernimmt das auxiliare tun Funktionen in allen grammatischen Bereichen. Auf morphologischer Ebene ersetzt es sprachlich aufwendigere Formen, auf syntaktischer Ebene wird es zur Nebensatzmarkierung und auch als Hilfsmittel zur Thema Rhema Gliederung eingesetzt. Im semantisch pragmatischen Bereich drückt das Hilfsverb eine durative Aktionsart aus, im Sinne von ‚(gerade) dabei sein, etwas zu tun‘. Umstritten bleibt, ob es sich beim auxiliaren tun um ein polyfunktionales Element handelt (cf. Fischer 2001) oder ob es semantisch leer ist und daher in vielen Kontexten eine freie Variante zur entsprechenden einfachen Verbform darstellt (cf. Langer 2001).
Die tun Periphrase wurde in der vorliegenden Studie von allen befragten Personen durchweg mit Werten zwischen 0 und 3 eingestuft, sowohl hinsichtlich Akzeptabilität und eigener Verwendung als auch die Faktoren Vertrautheit, geographisches Gebiet und gesellschaftliche Gruppe betreffend. Hier wurde die Erwartung, dass diese Art von Periphrase als aspektuelles
Ausdrucksmittel vor allem in Südtirol und OÖ/Salzburg verstärkt auftritt, nicht erfüllt. Der AdA (cf. Elspaß/Möller 2003–: Runde 3) erfasst die tun Periphrase im süddeutschen Raum (vereinzelt auch in Mitteldeutschland), in Österreich, Südtirol und in der Schweiz. Auch Schwarz (2004: 22) und Kölligan (2004: 431) beobachten ein Vorkommen der tun Periphrase in Dialekten des Bairischen.18 Daneben tritt die Irrealis Form mit täte vorwiegend im süddeutschen Raum, in Südtirol und in Österreich auf (etwa: Wenn er nur nicht immer zu spät kommen tät(e)) (cf. Elspaß/Möller 2003–: Runde 3).19 Die niedrige Bewertung der tun Periphrase hängt mit der Einschätzung der Proband:innen zusammen, dass es sich bei dieser Verknüpfung zwischen Auxiliarverb tun und beliebigem Vollverb um eine sprachliche Konstruktion handelt, die vorwiegend in der Umgangssprache, im Dialekt und in der Sprache von Kleinkindern vorkommt. Diese Art von Markiertheit konstatiert auch Fischer (1998: 122) in ihren Untersuchungen zur tun Umschreibung im frühen Neuhochdeutschen. Allerdings hält sie weiter fest, dass die Konstruktion grundsätzlich in den modernen Dialekten des Deutschen aufgrund ihrer „Einfachheit“ im Hinblick auf den kognitiven Aufwand gebraucht wird (cf. Fischer 1998: 131). Im Folgenden soll nun auf die Bewertung der einzelnen Items näher eingegangen werden.
Die Akzeptabilität des Items 3 (Wir tun aufräumen), in dem die Periphrase mit der physischen Aktivität aufräumen kombiniert wird, wurde von allen Proband:innen als sehr gering bewertet, sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Gebrauch. Die Befragten aus Südtirol und OÖ/Salzburg führten für die eigene Verwendung allgemein und mündlich Werte zwischen 0 und 5 an, allerdings ohne eindeutige Tendenz. Auf schriftlicher Ebene sprachen sich die Proband:innen klar gegen eine Verwendung aus. In NRW gaben die befragten Personen an, den Satz weder allgemein noch mündlich oder schriftlich zu gebrauchen. Auch hinsichtlich der Vertrautheit ergibt sich für Südtirol und OÖ/Salzburg ein diffuses Bild (zerstreute Werte zwischen 0 und 5). Die Gewährspersonen gaben an, dass ihnen der Satz aus dem Dialekt, der Umgangssprache, deutschen TV Sendungen, von Kleinkindern und vom sozialen Umfeld her bekannt ist. Durch diese Einschätzung wird die tun Periphrase implizit dem mündlichen Sprachge- brauch zugeordnet, es gibt keine besonderen Angaben der Gewährspersonen zum schriftlichen Gebrauch. Diese Zuschreibung deckt sich auch mit Fischer (2001: 137), die in ihrer Studie zur Gegenüberstellung der tun Periphrase in deutschen Dialekten und im Frühneuhochdeutschen feststellt, dass diese Art von Umschreibung in der gesprochenen Umgangssprache und in der Kindersprache vielfältig verwendet wird. Außerdem dient die Konstruktion der regionalen und sozialen Identifikation (cf. Fischer 2001: 151). Die Proband:innen in NRW beantworteten die Frage nach der Vertrautheit mit niedrigen Werten, die Periphrase ist dort also wenig bis kaum vertraut. Die Zuordnung zu einem bestimmten geographischen Gebiet bewerteten die Proband:innen aus Südtirol vorwiegend mit 0. Jene, die die geographische Zentriertheit mit Werten zwischen 3 und 4 einstuften, gaben an, dass der Satz typisch für Südtirol und Schwaben sei. Laut den Proband:innen aus OÖ/Salzburg wird diese tun Umschreibung in ländlicher Gegend, aber auch in Städten wie Wien und Salzburg benutzt. Die Informant:innen aus NRW führten als geographisches Gebiet vor allem das Ruhrgebiet an. Die Frage nach einer möglichen diastratischen Markierung wurde von den meisten Befragten verneint. Hier finden sich jedoch auch Angaben, die die tun Konstruktion mit dem Verb aufräumen bildungsfernen und niederen sozialen Schichten, aber auch der Sprache von Kleinkindern und älteren Menschen zuschreiben.
Die tun Periphrase in Kombination mit dem Verb nachdenken, das eine mentale Aktivität ausdrückt, etwa in Item 8 (Er tut nachdenken), wurde hinsichtlich ihrer Akzeptabilität durchweg sehr niedrig eingeschätzt, sowohl auf mündlicher als auch auf schriftlicher Ebene. Bei den Befragten aus Südtirol ergibt sich die eigene Verwendung betreffend allgemein und mündlich ein diffuses Bild mit Werten zwischen 0 und 4. Alle Befragten bekannten sich jedoch gegen eine eigene schriftliche Verwendung. Für die Gewährspersonen aus OÖ/Salzburg kommt ein Gebrauch der Äußerung auf allen drei Ebenen nicht in Frage, ebenso wenig für die befragten Personen aus NRW:
Auch der Faktor Vertrautheit wurde von den Südtiroler Proband:innen unterschiedlich bewertet (Werte zwischen 0 und 3). Spezifische Antworten auf die Frage, woher der Satz den Befragten vertraut vorkommt, decken sich mit jenen zu Item 3: Umgangssprache, Dialekt, Kleinkinder, soziales Umfeld, deutsche TV Sendungen sowie deutsche Arbeitskolleg:innen. Von den Informant:innen aus OÖ/Salzburg und NRW wurde die tun Umschreibung mit einem eine mentale Aktivität anzeigenden Verb größtenteils als nicht vertraut gewertet. Interessant ist hier der Kommentar einer Probandin aus NRW: Der Satz stehe mit einer Art Verbot in Verbindung („Menschen tuten nicht“) und komme ihr deshalb wenig vertraut vor. Die diastratische und diatopische Markierung des Items wurde von allen Befragten durchweg als nicht ausschlaggebend eingeschätzt (vorwiegend Wert 0).
Item 13 (Sie tut Äpfel schälen) beinhaltet wie Item 3 eine physische Aktivität, hier Äpfel schälen, allerdings mit einem eingeschobenen Objekt (Äpfel). Auch für dieses Item wurde die Akzeptabilität gering eingeschätzt, sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Sprachgebrauch:
Die Gewährspersonen aus Südtirol und NRW gaben an, den Satz selbst nicht zu verwenden, bei den Proband:innen aus OÖ/Salzburg ergibt sich hinsichtlich der eigenen Verwendung ein gemischtes Bild mit Werten zwischen 0 und 3. Ein ähnlich diffuses Bild liegt auch bei der Einschätzung der Vertrautheit seitens der Befragten aus OÖ/Salzburg vor (Werte zwischen 1 und 5). Vertraut ist der Satz den Proband:innen aus dem sozialen und familiären Umfeld, aus dem Dialekt sowie aus der Sprache von Kleinkindern und älteren Menschen. Dieses implizite diastratische Urteil spiegelt sich auch in den Antworten auf die Frage, für welche gesellschaftliche Gruppe diese Art von Äußerung typisch ist, wider: Kinder, ältere Menschen und bildungsferne Personen. In Südtirol und NRW wurde die tun Umschreibung mit Äpfel schälen von den befragten Personen als diastratisch unmarkiert eingeordnet. Wie bei Item 8 (Er tut nachdenken) liegt die diatopische Markierung insgesamt betrachtet bei 0, die meisten Informant:innen schätzten den Satz somit nicht als typisch für ein bestimmtes geographisches Gebiet ein.
Zusammenfassend zeichnet sich also ein homogenes Bild für die Einschätzung der tun Periphrase ab: Während die Konstruktion mit tun in Kombination mit einem Verb, das eine physische Aktivität anzeigt (ohne Objekteinschub; cf. Item 3, Verb aufräumen), noch am ehesten als (grammatikalisch) akzeptabel gewertet wurde und am ehesten von den Befragten auch selbst verwendet wird, sinken die Werte bei Item 8 und 13. Das Verb tun in Verbindung mit einer mentalen Aktivität (z. B. nachdenken, cf. Item 8) und mit einem eingeschobenen Objekt (z. B. Äpfel schälen, cf. Item 13) wurde von den Proband:innen durchweg als (grammatikalisch) inakzeptabel beurteilt. Auch die Werte für die eigene Verwendung bleiben niedrig. Wie bereits eingangs beschrieben, war die Erwartungshaltung gegenüber der tun Periphrase höher als das tatsächliche Ergebnis. Erklärt werden können die geringen Werte mit der Zuordnung dieser Sprachkonstruktion seitens der Gewährspersonen zu sozial niederen, bildungsfernen Schichten und damit auch implizit einem nicht der Standardsprache angemessenen Sprachgebrauch.
Abgesehen von den bereits diskutierten am und tun Periphrasen werden in der einschlägigen Literatur auch Periphrasen mit den jeweils mit dem bestimmten Artikel verschmolzenen Präpositionen bei (beim) und in (im) + Infinitiv + sein sowie die Konstruktion dabei sein zu + Infinitiv – ferner auch temporale Adverbien20 in Verbindung mit einer konjugierten Verbformzum Ausdruck von Progressivität im Deutschen angeführt (cf. u. a. Ebert 1996, 2000; Krause 1997, 2002; Flick/Kuhmichel 2013). Die Daten der vorliegenden Studie zeigen, dass sich auch in diesem Bereich Unterschiede in Bewertung und Gebrauch der jeweiligen Strukturen zwischen den drei untersuchten Sprachräumen abzeichnen.
Die beim Periphrase beispielsweise in Kombination mit einem mentalen Aktivitätsverb (wiez. B. überlegen in Item 4 Sie ist beim Überlegen) wurde im Raum Südtirol und (etwas weniger) in OÖ/Salzburg durchweg als akzeptabel eingestuft (ausgenommen im schriftlichen Bereich), während diese im Raum NRW weitestgehend abgelehnt wurde. In Kombination mit einem physischen Aktivitätsverb hingegen (wie z. B. Fußball spielen in Item 20 Wir sind beim Fußball spielen) war die Akzeptanz generell höher – in Südtirol und OÖ/Salzburg sowohl im mündlichen als auch schriftlichen Bereich, in NRW hauptsächlich im mündlichen Bereich. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Hinblick auf die eigene Verwendung (sowie die Vertrautheit) der genannten Strukturen: In Verbindung mit einem physischen Aktivitätsverb erfreute sich die beiPeriphrase vor allem in Südtirol und OÖ/Salzburg großer Beliebtheit (insbesondere in mündlichen Kontexten, in Südtirol auch in schriftlichen), in NRW teilweise, jedoch nur im mündlichen Bereich. In Verbindung mit einem mentalen Aktivitätsverb beschränkt sich der (hauptsächlich mündliche) Gebrauch weitgehend auf Südtirol, in OÖ/Salzburg sind die Angaben breit gestreut, jedoch mit einer Tendenz in Richtung 0, in NRW fast alle 0:
Die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden untersuchten Verbtypen könnten zum einen darauf zurückzuführen sein, dass die Präposition bei einen Teil ihres lokativen Charakters durchaus beibehält (wodurch der Kontext Fußball spielen eher plausibel erscheint als die mentale Aktivität überlegen); zum anderen aber auch darauf, dass Verben geringerer Dynamizität mit bei im Allgemeinen weniger kompatibel sind als mit dynamischen Verben.21 Im Gegensatz zu den verbalperiphrastischen Konstruktionen wurde die Konstruktion bei + nominale Komponente (cf. Item 9 Ich bin bei der Arbeit) durchgängig im mündlichen und schriftlichen Bereich als weitgehend akzeptabel bewertet (ähnlich auch hinsichtlich des eigenen Gebrauchs sowie der Vertrautheit der Struktur); lediglich im Raum OÖ/Salzburg war die Akzeptanz im schriftlichen Bereich deutlich geringer. Eine auffällige diatopische oder diastratische Markierung wurde keiner der Strukturen attestiert.
Bei der im Periphrase lassen sich in Bezug auf die Verbkombinatorik ebenfalls Unterschiede feststellen: Während die Struktur in Kombination mit einem physischen Aktivitätsverb (z. B. arbeiten in Item 14 Wir sind im Arbeiten) in allen drei untersuchten Stichproben weitestgehend abgelehnt wurde (ausschließlich im Raum OÖ/Salzburg fielen die Ergebnisse etwas gemischter aus, jedoch ebenso mit einer Tendenz in Richtung 0), wurde sie in Kombination mit dem Bewegungsverb kommen (cf. Item 16 Dieser Trend ist im Kommen) in allen drei Gebieten als großteils akzeptabel bewertet.22 Dies spiegelt sich gleichfalls in den Angaben zur eigenen Verwendung und zur Vertrautheit der Struktur wider. Die Annahme, die im Periphrase werde generell im Raum OÖ/Salzburg präferiert, kann somit nur geringfügig bestätigt werden:
Interessant erscheint hierbei, dass Item 16 in allen drei Regionen von mehreren Gewährspersonen mit Mediensprache in Verbindung gebracht wurde – in OÖ/Salzburg und NRW teilweise auch mit (boulevard)journalistischer Sprache.23 Die Wendung im + Infinitiv/Substantiv begriffen sein (cf. Item 2 Das Unternehmen ist im Ausbau begriffen) hingegen weist deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen auf: In OÖ/Salzburg und NRW wurde sie zu weiten Teilen als akzeptabel bewertet, wohingegen die Angaben in Südtirol gemischt ausfallen. Die eigene Verwendung zeichnet jedoch ein anderes Bild mit durchgängigen Tendenzen in Richtung 0; lediglich in OÖ/Salzburg waren die Bewertungen etwas gemischter. Im Hinblick auf die Vertrautheit der Konstruktion zeigt sich eine überraschend hohe Tendenz in Richtung 5 im Raum OÖ/Salzburg, während die Ergebnisse sowohl in Südtirol als auch in NRW zumeist gegen 0 gehen. Diesen Angaben zufolge scheint die Wendung im Ausbau begriffen sein in OÖ/Salzburg einigermaßen verbreitet zu sein, ohne dass sich diese Tendenz jedoch auch im eigenen Gebrauch der Informant:innen widerspiegelt. In allen drei untersuchten Gebieten wurde die Wendung von einigen Gewährspersonen mit Mediensprache, akademischer Sprache bzw. Wirtschaftssprache assoziiert. Eine besondere diatopische Markierung wurde jedoch keiner der genannten Strukturen zugesprochen.
Was die Adverbien gerade und jetzt sowie die als „neutral“ interpretierte periphrastische Konstruktion dabei sein zu + Infinitiv betrifft (die sozusagen als „Kontroll Distraktoren“ zu den oben diskutierten Periphrasen fungieren sollten), erweisen sich die Ergebnisse als weitgehend kongruent mit den Ausgangsannahmen der Explorator:innen. Bemerkenswert scheint hierbei dennoch, dass die Informant:innen aus Südtirol die entsprechenden Items durchweg niedriger bewerteten als jene aus OÖ/Salzburg und NRW. Speziell bei den Adverbien gerade (cf. Item 6 Es regnet gerade) und jetzt (cf. Item 12 Die Katze schläft jetzt) vergab nur etwa die Hälfte der Gewährspersonen in Südtirol die Bewertung 5 (die weiteren Angaben verteilen sich auf die restlichen Werte)24, wohingegen die Gewährspersonen aus OÖ/Salzburg und NRW die Items größtenteils mit 5 bewerteten.25 Hinsichtlich des eigenen Gebrauchs fällt auf, dass nur etwa die Hälfte der Informant:innen in allen drei Gebieten das Adverb jetzt mit der Höchstbewertung 5 versah. Die eigene Verwendung der Konstruktion dabei sein zu + Infinitiv (cf. Item 18 Er ist dabei, die Wohnung sauber zu machen) wurde in Südtirol wieder – analog zur Bewertung der Akzeptabilität – etwas niedriger angegeben als im Raum OÖ/Salzburg und NRW.26 In Bezug auf die Vertrautheit der genannten Strukturen waren die Werte erwartungsgemäß hoch, lediglich beim Adverb jetzt fiel die Bewertung in allen drei Regionen etwas geringer aus. Eine Informantin aus OÖ/Salzburg bemerkte auch (persönliche Kommunikation), mit diesem Adverb eher temporale als aspektuelle Bedeutung zu assoziieren (und dementsprechend das Adverb gerade für den Ausdruck von Progressivität eindeutig zu bevorzugen).27 Diatopisch und diastratisch wurden alle Strukturen als weitgehend unmarkiert eingestuft.
In diesem Abschnitt sollen in einem ersten Schritt die Ergebnisse aufgeschlüsselt nach dem jeweiligen Sprachraum gebündelt dargestellt werden. Hier liegt der Fokus auf einem Abgleich der Erwartungshaltung hinsichtlich der einzelnen Verlaufsformen mit den tatsächlichen Einschätzungen der Informant:innen. In einem zweiten Schritt werden die wichtigsten Erkenntnisse geordnet nach den analysierten Gruppen von Progressivausdrücken (am Periphrase, tun Periphrase, beimund im Periphrasen sowie andere Formen) noch einmal zusammenfassend dargelegt.
Die am Periphrase wurde von den befragten Personen in Südtirol weitestgehend abgelehnt. Bei Verben, die eine mentale Aktivität anzeigen (überlegen, nachdenken), verteilen sich die Werte zwischen 0 und 5. Ein ähnlich diffuses Bild zeichnet sich bei Verben ab, die eine physische Aktivität (arbeiten, ausbauen, Ordnung machen, Äpfel schneiden) oder einen Zustand (schlafen) beschreiben. Periphrasen mit Wetterverben (regnen), inchoativen Verben (anfangen) und Bewegungsverben (kommen) werden von den Proband:innen als eher inakzeptabel eingestuft, die am Periphrase mit (referentiellem) Objekteinschub (z. B. Er ist die Äpfel am Schneiden) wird gänzlich abgelehnt. Die Werte für die Akzeptabilität und die eigene Verwendung sind in etwa identisch, allerdings fällt die Bewertung auf der Ebene der Verwendung tendenziell (noch) niedriger aus. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die am Periphrase in Südtirol, vor allem im Osten, kaum verbreitet ist. Grundsätzlich wurde eine größere Verbreitung angenommen (cf. auch Elspaß/Möller 2003–: Runde 10), vor allem die Verlaufsformen am Überlegen und am Äpfel schälen/schneiden betreffend.
Die Einschätzungen der Südtiroler Informant:innen zur tun Periphrase sind weitestgehend homogen. Hier wurde erwartet, dass sie vor allem im mündlichen Sprachgebrauch frequenter auftritt (cf. auch Elspaß/Möller 2003–: Runde 3), diese Erwartung bestätigte sich allerdings nicht. Die tun Periphrase wurde von den Befragten als gar nicht oder nur teilweise akzeptabel eingeschätzt. Auch im Hinblick auf die eigene Verwendung (sowohl schriftlich als auch mündlich) urteilten die Gewährspersonen vorwiegend mit niedrigen Werten. Interessant ist hierbei, dass den Proband:innen diese sprachliche Struktur zwar aus der Umgangssprache und dem Dialekt, also vor allem aus dem mündlichen Sprachgebrauch, vertraut ist, sie jedoch angaben, die Konstruktion selbst nicht zu verwenden. Bemerkenswert ist außerdem, dass die tun Periphrase von einigen Gewährspersonen niedrigen sozialen Schichten zugeordnet wurde.
Für die im Periphrase eröffnet sich in Südtirol ein gemischtes Bild (Tendenzen bei den Akzeptabilitätswerten um 0, 3 und 4). Im Hinblick auf die eigene Verwendung wurde größtenteils mit 0 abgestimmt; einzig die Periphrase Dieser Trend ist im Kommen wurde von mehreren Gewährspersonen auch mit Werten zwischen 4 und 5 versehen. Auffällig ist, dass die im Periphrase den Proband:innen in Südtirol aus der Zeitung, dem Fernsehen und dem sozialen Umfeld bekannt erscheint. Die Struktur Das Unternehmen ist im Ausbau begriffen wurde außerdem höheren sozialen Schichten und spezifischen Berufsgruppen zugeordnet.
Die beim Periphrase wurde im Vergleich dazu als weitestgehend akzeptabel eingestuft. Auf der Ebene der eigenen Verwendung fallen die Werte hingegen etwas niedriger aus. Alle drei beimPeriphrasen wurden keinem spezifischen geographischen Gebiet zugeordnet; bekannt ist diese sprachliche Struktur den befragten Personen aus dem sozialen Umfeld, der Umgangssprache und dem Alltag sowie aus den Medien. Nicht zuletzt wurden die Items mit den „Kontroll Distraktoren“ von den Gewährspersonen aus Südtirol gut angenommen. Hier zeigen sich eine erwartungsgemäß hohe Evaluierung und eine weitestgehend unmarkierte Einstufung.
Von den Informant:innen aus OÖ/Salzburg wurde die am Periphrase nur mit mentalen Aktivitätsverben als durchgängig akzeptabel eingestuft, hier dafür aber mit sehr hohen Akzeptanzwerten sowohl allgemein als auch für den mündlichen und (etwas weniger) schriftlichen Bereich getrennt – Ähnliches wurde auch beim eigenen Gebrauch angegeben. In allen anderen Kontexten wurde die am Periphrase erwartungsgemäß weitgehend abgelehnt. Jedoch sind auch klare Tendenzen zu höherer Akzeptabilität in Verbindung mit dem Verb arbeiten sowie mit transitiven Aktivitätsverben zu erkennen. Im Allgemeinen scheint der Akzeptabilitäts (und Gebrauchs)grad mit geringerem Alter und größerer geographischer Nähe zum Raum Salzburg zu korrelieren. Einhellig abgelehnt wurden hingegen die Items mit (referentiellem) Objekteinschub. Einige Items wurden als (leicht) diatopisch markiert bewertet und mit Deutschland (manchmal weiter spezifiziert in Nordbzw. Westdeutschland) in Verbindung gebracht.
Entgegen den Erwartungen wurde die tun Periphrase ebenfalls häufig als wenig akzeptabel eingestuft, was sich auch in der eigenen Verwendung widerspiegelt. Als am ehesten akzeptabel wurde sie im mündlichen Bereich bewertet, im schriftlichen keinesfalls. Einige Gewährspersonen gaben zudem an, dass diese Periphrase diatopisch (ländliche Regionen) und diastratisch (kleine Kinder, ältere Leute, Dialektsprecher:innen, niedrigere soziale Schichten) markiert sei.
Etwas diffuser zeigt sich das Bild im Hinblick auf beimund im Periphrasen. Außer in Verbindung mit mentalen Aktivitätsverben weisen die Items mit beim + Infinitiv + sein bzw. bei + Artikel + Substantiv + sein recht hohe Akzeptabilitätsund Gebrauchswerte auf – allgemein und speziell im mündlichen Bereich, in geringerem Ausmaß aber auch im schriftlichen Bereich. Die Konstruktion im + Substantiv + begriffen sein wurde als großteils akzeptabel bewertet, etwas weiter gestreut war die Bewertung der eigenen Verwendung. Entgegen den Erwartungen zeichnen sich bei im + Infinitiv + sein eindeutige Präferenzen für das Bewegungsverb kommen (im Gegensatz zu anderen Verben) ab, das sowohl hinsichtlich Akzeptabilität als auch Gebrauch sehr hohe Werte aufweist (im mündlichen ebenso wie im schriftlichen Bereich). Wie zu erwarten war, wurden die Items mit den „neutralen Kontroll Distraktoren“ (gerade, jetzt und dabei sein zu + Infinitiv) durchgängig mit hohen Akzeptanzund Gebrauchswerten versehen und als weitgehend unmarkiert eingestuft.
Ausgehend vom AdA von Elspaß/Möller (2003–: Runde 2 und 10) wurde erwartet, dass die Konstruktionen mit der am Periphrase im allgemeinen und mündlichen Bereich von den Informant:innen aus NRW hohe Akzeptanz erfahren. Dies trifft auf die Items Ich bin am Überlegen, Sie ist am Arbeiten, Er ist am Äpfel schneiden und Es ist am Regnen (mentale und physische Aktivitätsverben sowie Wetterverben) zu. Die übrigen Items (Er ist die Äpfel am Schneiden, Das Kind ist am Schlafen, Die Firma ist am Ausbauen, Wir sind am Ordnung machen, Wir sind Ordnung am Machen, Die Corona Pandemie ist am Anfangen und Die Produkte sind am Kommen) wurden jedoch allenfalls sehr niedrig bis diffus bewertet. Die Erwartungen wurden somit teilweise unterlaufen.
Bei den Items zur tun Periphrase (Er tut nachdenken, Wir tun aufräumen, Sie tut Äpfel schälen) wurden die Erwartungen hinsichtlich einer diastratisch niedrigen Markierung für den RaumNRW erfüllt, da hier die Akzeptabilität überwiegend zwischen 0 und 1 liegt. Kommentare wie, “niedere soziale Schichten und arbeitende Bevölkerung“ in allen drei Beispielen bekräftigen diese Vermutung.
Die Erwartungshaltung bei den beimund im Periphrasen war hingegen gemischt: Bei den Items Das Unternehmen ist im Ausbau begriffen, Ich bin bei der Arbeit, Dieser Trend ist im Kommen, Er ist dabei, die Wohnung sauber zu machen sowie Wir sind beim Fußball spielen wurde eine hohe Akzeptabilität erwartet, die auch größtenteils von den Proband:innen geteilt wurde. Die Items Sie ist beim Überlegen und Wir sind im Arbeiten wurden indes fast ausschließlich mit 0 oder 1 bewertet, was ebenfalls den Erwartungen entspricht.
Abschließend kann festgehalten werden, dass die am Periphrase in Verbindung mit mentalen Aktivitätsverben insgesamt eine höhere Akzeptanz erfährt als mit physischen Aktivitätsverben (cf. überlegen vs. arbeiten) und dass diese mit mentalen Verben über das Herkunftsgebiet (Rheinland und NRW) hinaus bekannter ist als mit physischen Verben. Eine weitere Auffälligkeit betrifft die Beliebtheit der am Periphrase mit (referentiellem) Objekteinschub: Diese Art der Verlaufsform scheint in allen drei untersuchten Sprachräumen wenig verbreitet und wird vielfach abgelehnt. Hinsichtlich des Faktors Vertrautheit zeichnen sich Parallelen in den Bewertungen der Proband:innen aus allen drei Sprachgebieten ab: Die Periphrase ist den Befragten häufig aus den Medien, dem persönlichen sozialen Umfeld und alltäglichen (informellen) Kommunikationssituationen (in denen auch Dialekt gesprochen wird) bekannt. Auch die diatopischen und diastratischen Markierungen fallen ähnlich aus: Der am Progressiv wird häufig mit Deutschland, bestimmten Altersgruppen (ältere Leute, Jugendliche/junge Erwachsene, Kinder) und bestimmten sozialen Schichten (Migrant:innen, Menschen mit niedrigem Bildungsniveau, Nicht Akademiker:innen) in Verbindung gebracht. In ihrer Gesamtheit sprechen die Ergebnisse der vorliegenden Studie für eine sukzessive, allerdings nur schrittweise Ausbreitung und Grammatikalisierung des am Progressivs.
Hinsichtlich der Einschätzung der tun Periphrase fällt insgesamt betrachtet auf, dass diese Art von Verlaufsform durchweg niedrige Akzeptanzund Gebrauchswerte erzielte. Sie wurde allerdings vor allem von jüngeren weiblichen Probandinnen auch mit höheren Werten versehen. Bemerkenswert ist außerdem, dass die Struktur oft in Verbindung zu Umgangssprache und Dialekt gesetzt und niedrigen sozialen Schichten zugeordnet wird. Nicht zuletzt erhält die Periphrase von den Gewährspersonen eine diatopische Markierung, die sich in Angaben wie Südtirol, (Süd)Deutschland, Schwaben, Ruhrgebiet, Österreich (hier vor allem Oberösterreich) und ländliche Gegend in ganz Österreich niederschlägt.
Bei der Beurteilung der Akzeptabilität und der eigenen Verwendung der beimund im Periphrasen ergibt sich zusammengefasst ein gemischtes Bild, die Items wurden je nach Sprachgebiet unterschiedlich hoch bzw. niedrig bewertet. Ähnlich diffus fallen auch die diatopischen und diastratischen Markierungen aus: Als typische geographische Gebiete für diese Periphrasen wurden Deutschland, Südtirol, Österreich und auch die Schweiz genannt. Im Hinblick auf besondere gesellschaftliche Gruppen, unter denen die Struktur laut den Informant:innen verbreitet ist, wurden sowohl höhere soziale Schichten und bestimmte Berufsgruppen (Akademiker:innen und Journalist:innen) als auch niedrige soziale Schichten (vor allem bei niedrig bewerteten Items) und Kinder (z. B. bei Item 20 Wir sind beim Fußball spielen28) angegeben. Einheitlicher gestalten sich die Angaben zur Vertrautheit: Die Proband:innen aus allen drei Sprachräumen gaben an, diese Verlaufsformen weitestgehend aus dem persönlichen sozialen Umfeld zu kennen. Nicht zuletzt kann anhand der erhobenen Daten konstatiert werden, dass für die Distraktoren bzw. Kontroll Items (cf. Items 6, 12 und 18) durchweg hohe Werte für Akzeptanz und Gebrauch in allen drei untersuchten Sprachräumen vergeben wurden und diese damit als weit gehend „neutrale“ unmarkierte Formen zum Ausdruck von Progressivität angesehen werden können.
Wie die obigen Ausführungen zeigen, können die verschiedenen Formen der Versprachlichungvon Progressivität im Deutschen durchaus als dynamisches Phänomen betrachtet werden: zumeinen hinsichtlich ihrer regional (und teilweise auch sozial) unterschiedlichen Verbreitung, zumanderen in Bezug auf ihre jeweiligen nähevs. distanzsprachlichen Verwendungskontexte –stets begleitet von einer gewissen Dynamik, die zur Generalisierung und Ausbreitung von bestimmtenFormen (z. B. des am Progressivs) auf neue Gebiete und neue Kontexte beiträgt, währendandere immer weiter spezifiziert werden, größeren Beschränkungen unterliegen und/oderaufgrund diverser Verwendungspräferenzen in den Hintergrund rücken. All dies sind Prozesse „natürlichen Sprach(gebrauchs)wandels“ – einer mit Kellers (42014) Worten „unsichtbaren Hand“, welche die Entwicklung von Sprache vorantreibt, ohne eine bewusste Steuerung auszuüben.29 Im Rahmen der vorliegenden Studie wird dies vor allem bei der Verbreitung der am Periphrase deutlich, deren Verwendung (auch im Vergleich z. B. mit den Daten des AdA sowie früheren Studien von Krause 2002 oder Van Pottelberge 2004) bei Weitem nicht mehr nur auf die Kerngebiete NRW und die Schweiz beschränkt ist, sondern sich zusehends auch auf Gebiete im mittelund südbairischen Sprachraum ausbreitet,30 wenngleich die dortigen Verwendungskontexte noch etwas restringierter sind31 und die Akzeptabilität zum Teil auch mit individuellen Merkmalen der Gewährspersonen in Korrelation zu stehen scheint. Ein weiterer Erklärungsansatz könnte allerdings auch in der Dominanz der bundesdeutschen Varietäten und ihrer Verbreitung durch die Medien liegen, die wiederum eine Diffusion bundesdeutscher Strukturen begünstigen (cf. Ammon 1995: 466 sowie Kaiser 2006: 69–75). Kaiser (2006: 74) erklärt dazu: “Österreich und die Schweiz übernehmen vermutlich mehr ‚Sprachgut‘ aus Deutschland als umgekehrt“. Vor diesem Hintergrund klingt es durchaus plausibel anzunehmen, dass auch syntaktische Strukturen aus dem Bundesdeutschen bzw. den nordwestlichen Varietäten nach Österreich bzw. Südtirol vordringen.
Ungeachtet der relativen Überschaubarkeit der untersuchten Stichprobe lässt sie doch zumindest einige Tendenzen erkennen. So wurde hinsichtlich der am Periphrase die Akzeptanz im bairischen Sprachraum jedenfalls deutlich höher eingeschätzt als ihr Gebrauch, wobei durchaus auch geschlechterspezifische Unterschiede zu Buche schlagen. Vor allem in den untersuchten Regionen jenseits des Kerngebiets des am Progressivs findet diese Progressiv Struktur bei weiblichen Gewährspersonen teils größeren Anklang als bei männlichen32, in Bezug auf das Alter zeichnen sich – in der Gesamtheit betrachtet – jedoch keine eindeutigen Ergebnisse ab. Die stichhaltigsten Unterschiede sind (nach wie vor) in der Diatopik zu konstatieren, allen vo an was die Variationsbreite der Verbkombinatorik betrifft, in geringerem Ausmaß auch die Ak zeptabilität von Objekteinschüben. Die tun Periphrase dominiert klar im mündlichen Bereich und wird im schriftlichen mit (je nach Region) unterschiedlicher Vehemenz abgelehnt. Wäh rend in NRW praktisch gänzlich inakzeptabel, erfreut sich diese Progressiv Konstruktion sowohl in Südtirol als auch in OÖ/Salzburg verhältnismäßig größerer Beliebtheit, wenngleich sie in vielen Fällen als dialektal und diastratisch markiert angesehen wird. In Bezug auf die beimund im Periphrasen halten sich Akzeptanz und Gebrauch weitgehend die Waage, wobei die Bewertungen in OÖ/Salzburg und Südtirol generell höher ausfallen als in NRW. Bei genauerer Betrachtung zeichnen sich für diese beiden Verlaufsformen leichte Präferenzen bei den männlichen Probanden im Vergleich zu den weiblichen ab. Die diatopischen und diastratischen Zuschreibungen erweisen sich hingegen als uneinheitlich. Allen untersuchten Progressiv Strukturen wurden als Vertrautheitsquellen in erster Linie das persönliche soziale Umfeld sowie alltägliche (informelle) Kommunikationssituationen zugeordnet, lediglich bei der am Periphrase wurden wiederholt auch die Medien ins Treffen geführt – was wiederum einen Bogen zur bereits angesprochenen Dominanz Hypothese spannt.